Köln – Am 6. November sind die Mitglieder des 1. FC Köln 01/07 e.V. aufgerufen, ihre jährliche Versammlung abzuhalten. Die Veranstaltung ist der Kern der FC-Mitgliedschaft, bietet sie doch die Möglichkeit, das Schicksal des Vereins konkret zu gestalten. Tatsächlich ist die Kölner Satzung eine besonders demokratische. Vor allem über den Mitgliederrat gibt es Möglichkeiten der Teilhabe. Das schärfste Schwert des Gremiums ist das Vorschlagsrecht für das nächste Präsidium. Zwar führen auch für ein Team, das sich selbst aufstellen will, Wege am Mitgliederrat vorbei. Aber die sind holprig.
Am 6. November steht die Wahl des Mitgliederrats an, 15 Mitglieder kann das Gremium maximal haben, doch die kamen noch nie zusammen: Über jeden Kandidaten wird einzeln mit Ja oder Nein abgestimmt; was bedeutet, dass Kandidaten gezielt per Nein-Stimme verhindert werden können, denn jeder Bewerber benötigt zunächst mehr Ja- als Nein-Stimmen. Im Herbst 2018 kamen nur zwölf von 41 Kandidaten durch. Vor drei Jahren reichten jeweils rund 2000 Mitglieder, um einen Kandidaten zu verhindern. Vor der Versammlung kursierten damals Listen mit vermeintlich wählbaren Kandidaten. Ein legales Vorgehen; Mehrheiten zu organisieren, ist Teil des demokratischen Prozesses.
Spinners Unterstützung
Diesmal stellen sich 26 Mitglieder zur Wahl. Jeweils 100 Unterstützerstimmen musste jeder Kandidat von FC-Mitgliedern zuvor sammeln. Werner Spinner zum Beispiel besorgte für Rüdiger Thormann neben seiner eigenen auch die Unterstützung seiner Enkel – die einen anderen Nachnamen tragen als der 73 Jahre alte Ex-FC-Präsident. Thormann ist zuletzt mit einem Antrag auf Satzungsänderung aufgefallen: Die FC-Versammlungen sollten, solange der 1. FC Köln mehr als 50 000 stimmberechtigte Mitglieder hat, hybrid durchgeführt werden. Mitglieder sollen also grundsätzlich die Möglichkeit haben, auch aus der Entfernung an Wahlen teilnehmen zu können.
Dass ein digitales Verfahren automatisch größere Teilnahme und damit ein Mehr an Demokratie bedeutet, konnte die erste rein virtuell durchgeführte Veranstaltung im Juni nicht belegen. Die Mischform im November wird weiteren Aufschluss geben. Klar ist, dass Teile der Mitglieder eine dauerhaft hybrid durchgeführte Mitgliederversammlung ablehnen. Thormann hat sich mit seinem Vorschlag nicht überall beliebt gemacht.
Überhaupt ist Thormann ein FC-Mitglied, das offenbar polarisiert. Zwar distanziert er sich auch im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ von der AfD, die er eine „unerträgliche Partei“ nennt. Doch sorgen seine Beiträge in Foren und Sozialen Medien regelmäßig für Diskussionen. Doch nicht seine politischen Äußerungen bereiteten ihm Schwierigkeiten. Ende August erhielt der 51-Jährige eine E-Mail von einem anonymen Account: „Wer von Leuten wie der Fam. Spinner unterstützt wird, hat keine Chance! Wir machen dich platt“, hieß es.
„Gehöre keinem Lager an"
Thormann war erschrocken über den Umgang mit vermeintlichen politischen Gegnern beim 1. FC Köln. „Ich habe lange überlegt und mit mir gerungen, die Bedrohungen gegen meine Person öffentlich zu machen“, sagt er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Es sei „ein unabhängiges Mitglied, ich gehöre keinem Lager an. Aber ich habe Befürchtungen, dass der Verein von Fankreisen, die vor Gewalt nicht zurückschrecken, übernommen wird. Diese Leute sind sehr gut organisiert, üben Druck auf Fanklubs aus und profitieren bei der Mitgliederratswahl vom kuriosen Wahlsystem“, sagt er. Er ist empört, dass öffentlich wurde, wer ihn unterstützt. „Es ist ein absolutes Unding, dass das weitergegeben wurde.“
Auch Werner Spinner ist unglücklich über den Vorgang, das ließ er dem FC über einen Anwalt mitteilen. „Offensichtlich ist, dass die Tatsache der Unterstützung des Kandidaten durch mehrere Familienmitglieder von Herrn Spinner Kreisen mitgeteilt wurde, die Drohnachrichten an aus ihrer Sicht missliebige Kandidaten schreiben. Es ist Herrn Spinner wichtig zu verstehen, wie das geschehen konnte“, heißt es in dem Schreiben. Man interessiere sich für die Abläufe, nach denen die Prüfung der Unterstützer-Unterschriften unter der neu gewählten Wahlkommission vor sich gehe.
Der FC-Vorstand nahm die Angelegenheit außergewöhnlich ernst, was wohl auch in der Person des prominenten Beschwerdeführers gelegen haben dürfte. Grundsätzlich gibt es abseits der Theorie eines Datenlecks im Geißbockheim definitiv weitere Möglichkeiten, wie Thormanns Unterstützung durch Werner Spinner und dessen Familie die Runde gemacht haben könnte, so unangenehm die Geschichte sowohl für Spinner als auch Thormann ist.
Der 1. FC Köln verurteilte die Bedrohung „aufs Schärfste“; man werde jeden Fall zur Anzeige bringen, teilte der Vorstand mit. Die Abläufe im Geißbockheim seien allerdings sauber und transparent gewesen. Man ist vorsichtig: Alles, was beim 1. FC Köln mit der Mitgliederversammlung und Wahlen zu tun hat, gilt als heikles Terrain. Doch man ist überzeugt von der Integrität der Mitarbeiter im Geißbockheim. Auch der externe Compliance Officer und der externe Datenschutzbeauftragte des FC wurden eingebunden. Es gebe keine Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten eines Mitglieds der Wahlkommission oder eines Mitarbeiters, heißt es aus dem FC-Vorstand. Die Angelegenheit sei soweit möglich aufgeklärt worden.
Drohungen und Beleidigungen
Trotz ausführlicher schriftlicher Erläuterung begrüßten Präsident Werner Wolf und Carsten Wettich in der vergangenen Woche Spinner und seinen Anwalt im Geißbockheim zum Gespräch. Thormann wurde nicht gehört, dabei hätte er sich eine Reaktion gewünscht: „Es ist ein Armutszeugnis, dass aus Vorstand oder Mitgliederrat niemand versucht hat, mit mir Kontakt aufzunehmen.“
Bereits vor der Mitgliederversammlung im Juni kochten die Emotionen hoch. Damals machte Ho-Yeon Kim, der Vorsitzende des Mitgliederrats, bei Facebook öffentlich, dass er nachts anonyme Anrufe erhalten habe. Zudem sah er sich rassistischen Beleidigungen ausgesetzt. Der Kampf um die Macht im Verein wird mit teils harten Bandagen geführt.
Thormann hat erfolglos versucht, den Verfasser der Mail ausfindig zu machen. Der Vorgang beschäftigt ihn, noch immer ist er sich nicht sicher, ob er am 6. November überhaupt kandidieren wird. „Als ich per Email bedroht wurde, hatte ich erst versucht, das locker abzutun. Erst später wurde mir die Dimension klar. Noch kandidiere ich bei der Mitgliederratswahl, mein Name steht auf der Liste. Aber ich überlege noch, ob ich auch wirklich antrete.“