Die Situation in Köln wird immer brenzliger. Die FC-Fans fordern die Entlassung von Sport-Geschäftsführer Keller. Am Samstag passierte vorerst nichts.
Fan-Wut nach Kölner 1:2Keine Entscheidungen am Geißbockheim
Das Spiel war schon mehrere Minuten beendet und ein Teil der Südkurve noch da, da stand Christian Keller unweit dieser beim TV-Sender Sky Rede und Antwort. Die treuesten Fans des 1. FC Köln konnten den Ausführungen des Sport-Geschäftsführers aus der Ferne nicht wirklich lauschen, doch ihr Urteil hatten sie ohnehin gefällt. „Keller raus“, skandierten die Anhänger noch einmal lautstark. Noch einmal, da diese Rufe bereits vor dem Abpfiff nach dem erneuten Tiefschlag in die Magengrube zu vernehmen gewesen waren.
Wer gedacht hätte, der Bundesliga-Absteiger würde sich am Freitagabend im Heimspiel gegen den SC Paderborn für die peinliche 1:5-Pleite eine Woche zuvor in Darmstadt rehabilitieren, der sah sich bitter getäuscht. Die Mannschaft von Trainer Gerhard Struber verlor nach eigener Führung gegen die Ostwestfalen noch mit 1:2. Ein Traumtor von Jan Thielmann aus dem Nichts (66.) reichte nicht aus, da die Gäste durch zwei Tore des eingewechselten Stürmers Sven Michel (76./80.) die Partie noch zu ihren Gunsten drehten.
1.FC Köln: „Keller-raus“-Rufe nach nächster Niederlage
Der FC hatte zwar am Freitagabend über weite Strecken stabiler in der Defensive gestanden als beim Waterloo in Darmstadt, im Spiel nach vorne aber ungemein enttäuscht und am Ende wieder durch individuelle Fehler vor allem seiner erfahrenen Spieler gepatzt. Die Folge: Der FC, der nach dem Bundesliga-Aufstieg die meisten Leistungsträger halten konnte, ist nur Tabellenzehnter und hat nur indiskutable zwölf von möglichen 30 Punkten geholt. Die Situation am Geißbockheim wird immer brenzliger, der Druck auf die Verantwortlichen größer. Die werden aber (vorerst) nicht reagieren. Am Samstag passierte am Geißbockheim personell jedenfalls erst einmal nichts. Es hätte auch verwundert. Der Verein wirkt gelähmt.
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Sportchef Keller, seit über zweieinhalb Jahren im Amt, denkt auch nicht an Aufgabe. Nach dem neuerlichen Rückschlag hatte er erklärt: „Leider haben wir wieder keine drei Punkte geholt. Die Menschen haben die Erwartungshaltung, dass wir in der 2. Bundesliga besser abschneiden. Da ist es klar, dass sich nun Wut, Enttäuschung und Verärgerung entladen muss. Jetzt geht es gegen mich. Das ist mir tatsächlich lieber, als wenn es gegen unsere Spieler geht. Die müssen am Dienstag schon wieder spielen“, sagte Keller und fügte an: „Unser Anspruch ist nicht, bei 12 von 30 Punkten zu stehen. Dafür haben wir zumindest auf dem Papier eine Mannschaft, die mehr leisten kann - und das auch schon gezeigt hat.“
Keller über Rückendeckung vom Vorstand: „Warum sollte ich sie nicht spüren?“
Die Fans fordern die Entlassung des Sport-Geschäftsführers, der seit rund zweieinhalb Jahren am Geißbockheim tätig ist. Rückhalt für den 45-Jährigen gibt es so gut wie gar keinen mehr. Spürt Keller wenigstens noch die Rückendeckung des Vorstands? Seine Antwort: „Warum sollte ich sie nicht spüren? Es wäre etwas vermessen, alles was passiert ist, doch nur an einer Person festzumachen. Fußball ist am Schluss ein Team-Produkt. Das große und ganze Ergebnis, da müssen am Ende viele Mosaik-Steine passen. Da stecke ich ein ganz großes rein, aber auch andere“, sagt der Sportchef.
Sportchef hält an Wunschtrainer Struber fest
Schon am Dienstag treffen die Kölner in der zweiten Pokalrunde auf Erstliga-Aufsteiger Holstein Kiel. Viel Zeit bis dahin für Korrekturen ist ohnehin nicht mehr. An seinem Wunschtrainer Struber, den er im Sommer geholt hatte, hält Keller fest: „Der Trainer ist gesetzt. Gerd macht einen guten Job. Es ist immer der Reflex, danach zu fragen, aber an ihm liegt es sicherlich nicht.“
Sichtlich enttäuscht zeigte sich auch Struber. „Wir werden unserem Anspruch in keiner Weise gerechnet.“ Der Coach appellierte an den Zusammenhalt in und rund um den Klub: „Die Situation ist herausfordernd und bedeutet für uns eine große Prüfung und ein hartes Brett. Ich kann nur an jeden einzelnen appellieren, die Mannschaft weiter zu unterstützen.“ Fraglich ist indes, ob die leidgeprüften Fans diese Geduld noch weiter besitzen.
Drei Tage lang hatte Trainer Struber nach der 1:5-Niederlage in Darmstadt, nach Sportchef Keller die Mannschaft zerlegt hatte („Desolat, bodenlos, fürchterlich“), seine Spieler hinter verschlossenen Türen auf das Paderborn-Spiel vorbereitet. Es musste schließlich etwas passieren, selten hatte sich der FC in der 2. Bundesliga so blamiert wie bei den Hessen, zudem war er auf Platz zehn abgestürzt. Nach den für jedermann sichtbaren Abwehrschwächen soll der Österreicher in den vergangenen Tagen auch die Umstellung von Viererabwehrkette auf Dreierkette ausprobiert haben.
Doch die Wechsel hielten sich allerdings in engen Grenzen. Überwiegend die Spieler, die in Darmstadt alles schuldig geblieben waren, bekamen die Chance zur Wiedergutmachung. Struber blieb zudem bei dem Viererverbund in der Defensive, hinten rechts kehrte Jan Thielmann wieder anstelle von Rasmus Carstensen in die Mannschaft zurück. Zudem fehlte Stürmer Damion Downs in der Startelf und im Kader – weil eine Erkältung seinen Einsatz unmöglich machte. Mittelfeldspieler Dejan Ljubicic hat bekanntlich die Folgen seiner Mandel-Operation auskuriert und kehrte in die Mannschaft zurück.
Thielmann muss erneut als Rechtsverteidiger ran und trifft
Anstelle in der 4:2:2:2-Grundordnung liefen die Kölner im 4-2-3-1. Der FC war zu Beginn gewillt, sich für die Schmach zu rehabilitieren und ergriff die Initiative. Die erste große Chance besaß indes Paderborn, nachdem sich FC-Verteidiger Julian Pauli nach einer Flanke aus dem Halbfeld verschätzt hatte und der erst 17-jährige Debütant Luis Engelns freistehend den Ball nicht im Tor unterbrachte (10.). Die Kölner atmeten tief durch – und der erste Schwung war wieder passé. Überhaupt passierte wenig auf dem Rasen.
Erneut waren es die Gäste, die die Chance zur Führung besaßen, doch Jonas Urbig parierte aus kurzer Distanz stark gegen Filip Bilbija (34.). Der FC traute sich wenig zu, war fast nur auf Sicherheit bedacht. Doch selbst die Geduld der leidensfähigen FC-Fans ist endlich, bereits nach 37 Minuten skandierte die Südkurve: „Wir wollen euch kämpfen sehen.“ Das 0:0 zur Pause war schmeichelhaft, da Paderborn die einzigen echten Chancen besessen hatte.
Paderborn die gefährlichere Mannschaft gegen vorsichtige Kölner
Doch auch nach dem Wechsel änderte sich nicht viel am Spielverlauf. Das Kölner Aufbauspiel war träge, auch von Paderborn kam fast nichts. Die Partie plätscherte so vor sich hin, doch dann weckte Jan Thielmann mit einem Traumtor aus dem Nichts alle auf (66.). Per Volley traf der U21-Nationalspieler zur Führung.
Doch wer gedacht hatte, die Führung würde dem FC Sicherheit verleihen, der sah sich getäuscht. Paderborn schlug zurück – und zwar mit dem gerade erst eingewechselten Stürmer Sven Michel, der die FC-Abwehr um den erneut patzenden Kapitän Timo Hübers gleich zwei Mal alt aussehen ließ und die Kölner so in die Krise stürzte. Auch wenn die Verantwortlichen von dieser nichts wissen wollen.