- Der 34-jährige Kölner sieht Fußballprofis derzeit zu Unrecht an den Pranger gestellt.
- Als Mitglied des Mannschaftsrats rechnet er bei den FC-Profis mit der Bereitschaft zum Gehaltsverzicht: „Wir sind in finalen Gesprächen."
- Kessler blickt selbst in eine unsichere Zukunft. Sein Vertrag läuft am 30. Juni aus, er meldete sich bereits arbeitslos.
Köln – Der 1. Juli 2020 sollte eigentlich zu einem besonderen Datum für Thomas Kessler werden. An dem Tag würde der Torhüter auf insgesamt 20 Jahre beim 1. FC Köln zurückblicken. Doch der Konjunktiv hat in diesen Tagen der Corona-Pandemie Konjunktur.
Fast 20 Jahre beim FC, doch der Vertrag läuft jetzt aus
Abgesehen von den ausgeliehenen Mark Uth und Toni Leistner ist Kessler der einzige Spieler im Kader des Bundesligisten, dessen Vertrag am 30. Juni 2020 ausläuft. Die Gespräche beim FC sind derzeit wie bei fast allen anderen Vereinen auf Eis gelegt. Und der Torhüter weiß noch nicht, wie, wo und vielleicht sogar ob seine aktive Laufbahn weitergeht. „Wenn man so lange bei einem Verein ist, liegt es nahe, dass der FC mein erster Ansprechpartner ist. Die aktuelle Situation ist aber sehr speziell“, sagt Kessler im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Der 34-Jährige hat registriert, dass es bei der sportlichen Führung Pläne gab, eine neue Nummer zwei hinter Timo Horn aufzubauen. Das sei legitim, wie Kessler anführt. Entsprechende Gerüchte machten allerdings schon vor der Corona-Krise die Runde. Natürlich sei seine ungeklärte Situation nicht die schönste, aber er ist weit davon entfernt, sich darüber zu beschweren. Erst recht nicht in diesen Tagen. „Das wäre der völlig falsche Zeitpunkt und ein fatales Zeichen. Es gibt derzeit so viel schlimmere Schicksale als das eines privilegierten Fußballprofis. Daher werde ich mich nicht beklagen. Ich lasse die Dinge auf mich zukommen und werde dann mit meiner Familie eine Entscheidung treffen“, sagt der Horn-Stellvertreter.
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Kessler ist nicht naiv. „Stand jetzt läuft mein Vertrag Ende Juni aus.“ Er hat sich deshalb innerhalb der Frist beim Amt arbeitslos gemeldet. Darauf, das führt der Torhüter an, musste ihn aber keiner hinweisen, nicht der Verein, auch keine Spielergewerkschaft, in der er ohnehin kein Mitglied ist. „Das ist ein ganz normaler Vorgang.“ Genauso wie die Standardfragen der Behörde, bis wann sein Arbeitsvertrag laufe, was seine Stationen in den vergangenen zehn Jahren gewesen seien und welche Optionen sich für die Zukunft ergeben könnten.
Wechsel ins Ausland keine Option mehr
Keine Option ist derzeit ein Wechsel zu einem Klub ins Ausland. Diese „neue Lebenserfahrung“ hatte sich Kessler durchaus mal vorstellen können. Doch das war vor der Pandemie. Der Kölner ist sich auch seiner Verantwortung für seine Familie bewusst. Kessler und seine Ehefrau Melanie haben drei Kinder, die Zwillinge Mia und Leon kamen erst im November zur Welt. „Wie sich die Welt gerade verändert und mit dem Nicht-Wissen, was uns noch erwartet, ist es zum gegenwärtigen Zeitpunkt schwer vorstellbar, mit der Familie ins Ausland zu gehen“, meint Kessler.
Was seine berufliche Zukunft insgesamt angeht, da muss sich der 34-Jährige auch nicht die ganz großen Sorgen machen. „Wir haben vereinbart, dass ich dem Verein nach meiner Karriere erhalten bleibe.“
Vorerst hat Kessler aber ab Montag der Trainingsbetrieb wieder, der allerdings in Zeiten der Corona-Krise kein Alltag mehr ist und in Kleingruppen absolviert werden soll. Wie genau die Einheiten ablaufen werden, das weiß der Keeper noch nicht. Fit ist Kessler wieder: Seinen Faszieneinriss am rechten Oberschenkel hatte er schon vor der Pause auskuriert.
Gehaltsverzicht: Mannschaft vor Einigung mit Verein
Wenn sich das Team wieder trifft, kommt auch das Thema des Gehaltsverzicht der Profis erneut auf die Agenda. Kessler gehört seit Jahren dem FC-Mannschaftsrat an. Er sagt: „Wir sind in finalen Gesprächen und die Bereitschaft bei den Spielern ist da. Wir wissen ganz genau, dass wir in diesen schweren Zeiten eine Verantwortung dem Klub und vor allem den Mitarbeitern gegenüber haben.“
Was ihn merklich ärgert: Den Profis werde oft zu Unrecht unterstellt, dass sie unsolidarisch seien und nur an sich denken würden. „Viele Fußballer – und ich kenne seit 13 Profi-Jahren wirklich viele – sind unabhängig von der aktuellen Situation sehr sozial engagiert, hängen das öffentlich aber nicht an die große Glocke. Die Situation geht uns alle etwas an, sie macht vor niemandem in der Gesellschaft Halt.“, sagt Kessler und betont: „Ich bin mir sicher: Nicht nur wir Fußballer, sondern alle Menschen werden ihrer Verantwortung gerecht.“