Köln – So emotional hat man in Müngersdorf einen Geschäftsführer Sport des 1. FC Köln schon lange nicht gesehen, womöglich noch nie. Den ersten Sieg seiner bisher vierwöchigen Amtszeit beim Bundesliga-Aufsteiger genoss Horst Heldt nach dem Abpfiff nicht nur in vollen Zügen, der 50-Jährige hatte zuvor beim 2:0-Erfolg im Nachbarschaftsduell mit Bayer 04 Leverkusen auch ebenso so viel Leidenschaft gezeigt wie seine Mannschaft.
Heldts Jubel-Sprint zu Torschütze Córdoba
Beim ersten Tor in der 73. Minute lief Heldt Torschütze Jhon Córdoba, der mit einem flachen Rechtsschuss die Führung erzielt hatte, bis zur Torauslinie hinterher. Es war ein Sprint, der erst vor der Südtribüne endete. Dort umarmte der Nachfolger von Armin Veh seinen Stürmer und schrie seine Freude heraus. „Das war in dem Moment überhaupt nicht anstrengend. Ich habe mich umgedreht und gewundert, dass keiner mitgekommen war. Die anderen waren noch skeptisch, ob der Treffer zählt. Mir war gar nicht bewusst, dass es so knapp war – sonst wäre ich auch nicht gelaufen“, erklärte Heldt. Der Video-Assistent hatte den Treffer überprüft, doch der FC erhielt aus dem „Kölner Keller“ endlich eine positive Nachricht.
Beim zweiten Tor durch Sebastiaan Bornauw per Kopf in der 84. Minute sprang Heldt seinem Trainer Markus Gisdol vor Erleichterung in die Arme. „Die Emotionen mussten raus. Wir sind in einer Situation, in der wir Emotionen ausleben müssten. Das ist wichtig“, sagte Heldt. Aber nicht nur beim Geschäftsführer Sport war die Erleichterung groß. Nur einen Punkt hatte der Aufsteiger in den vorausgegangenen sechs Ligaspielen geholt, der Absturz ließ schon wieder das Schlimmste befürchten und weckte Erinnerungen an die Abstiegssaison 2017/18. Durch die drei Punkte vom Samstagnachmittag ist zwar noch längst nicht wieder alles gut, aber der FC sendete ein Lebenszeichen, stellte den Anschluss zur Konkurrenz her und schöpft im Kampf um den Klassenerhalt neue Hoffnung.
Allgemein fühle es sich „gut an, mal einen Glückwunsch nach dem Spiel zu bekommen. Es wurde aber langsam auch mal Zeit“, sagte Gisdol, der im vierten Anlauf ebenfalls seinen ersten Sieg mit Köln feiern durfte. Ein Grund dafür waren sicher die Platzverweise für die Leverkusener Aleksandar Dragovic (Gelb-Rot/62.) und Leon Bailey (Rot/77.) und der allgemein blutleere Auftritt des großen Favoriten. Aber es gab auch andere Gründe. „Zum ersten Mal habe ich den Eindruck gehabt, dass jeder bis in die letzte Zelle gespürt hat, was die Situation bei uns erfordert. Wir waren von der ersten Minute an komplett auf Sendung“, sagte der Coach.
Gisdol vertraut den Jungen wie Jan Thielmann (17)
Gisdol konnte aber auch zufrieden mit seinen Entscheidungen sein, die nicht ohne Risiko waren und sich ins Gegenteil hätten verkehren können. Der 50-Jährige schickte die jüngste Kölner Startelf dieser Saison auf den Platz, im Schnitt war sie 24 Jahre und 311 Tage alt. Zudem veränderte Gisdol sie gleich auf sechs Positionen. Er schenkte Nachwuchskräften wie Noah Katterbach (18), Ismail Jakobs (20) und dem erst 17-jährigen Jan Thielmann das Vertrauen. Der Offensivspieler, der aus dem rheinland-pfälzischen Föhren stammt und 2017 von Eintracht Trier nach Köln wechselte, gab ein viel versprechendes Profi-Debüt. Entkräftet verließ er nach 56 Minuten den Platz für Marcel Risse, der mit seinen Torbeteiligungen noch ein wichtiger Faktor werden sollte.
Auch Sebastiaan Bornauw, der das Spiel mit seinem Kopfballtor entschied, ist erst 20 Jahre alt – das vergessen viele wegen der kräftigen Statur des Belgiers gern. Die jungen Spieler traten ohne Scheu auf und wurden geführt von Routiniers wie Rafael Czichos (29) oder Kapitän Jonas Hector (29), der eine überragende Partie bot.
Die Maßnahme, Jhon Córdoba erst kurz nach Beginn der zweiten Halbzeit zu bringen, erwies sich als richtig. Zwar blieb Anthony Modeste erneut glücklos, doch er beschäftigte die Leverkusener Verteidiger und bestellte so das Feld für Córdoba, der mit seiner Wucht und Dynamik das Offensivspiel belebte und zum entscheidenden Faktor wurde.
Bei aller Freude über den Derby-Sieg war den Kölner aber auch klar, dass dieser Samstag nur eine erste Etappe auf einem lange Weg bis zum Ziel Klassenerhalt sein kann. „Unterm Strich ist das ein Sieg – aber nicht mehr“, sagte Markus Gisdol. Auch Horst Heldt hatte schnell den Blick für die Realität wieder: „Wir haken das Spiel genauso schnell ab wie die letzten und bereiten uns nun auf Frankfurt vor.“ Denn bereits am Mittwoch ist der FC bei der heimstarken Eintracht enorm gefordert.