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FC-Stürmer Waldschmidt selbstkritisch„Wann haben wir zuletzt wirklich konstant guten Fußball gespielt?“

Lesezeit 9 Minuten
RECORD DATE NOT STATED 2. Fußball Bundesliga: 1. FC Köln - SV Darmstadt 98 15.03.2025 Jubel zum 2:1 durch Luca Waldschmidt 1. FC Köln, 9 nach Elfmeter 2. Fußball Bundesliga, 1. FC Köln - SV Darmstadt 98, Köln, Rheinenergiestadion am 15.03.2025 DFL REGULATIONS PROHIBIT ANY USE OF PHOTOGRAPHS AS IMAGE SEQUENCES AND/OR QUASI-VIDEO. *** 2 Bundesliga 1 FC Köln SV Darmstadt 98 15 03 2025 Luca Waldschmidt 1 FC Köln, 9 after penalty 2 Bundesliga, 1 FC Köln SV Darmstadt 98, Cologne, Rheinenergiestadion on 15 03 2025 DFL REGULATIONS PROHIBIT ANY USE OF PHOTOGRAPHS AS IMAGE SEQUENCES AND OR QUASI VIDEO Copyright: xBEAUTIFULxSPORTS/Wunderlx

Luca Waldschmidt jubelt nach seinem 2:1-Siegtor zuletzt im Kölner Heimspiel gegen Darmstadt.

Luca Waldschmidt, zuletzt zwei Mal Kölner Siegtorschütze, spricht über wenige Einsätze und Vertrauen, die FC-Spielweise und hohe Erwartungen.

Luca Waldschmidt hat mit 28 Jahren schon sehr viel erlebt: Der Offensivspieler feierte sein Bundesliga-Debüt vor fast zehn Jahren bei Eintracht Frankfurt – da war er gerade mal 18 Jahre alt. Anschließend ging der gebürtige Siegener für den Hamburger SV auf Torejagd und rettete diesen (noch) vor dem erstmaligen Abstieg aus dem Fußball-Oberhaus. Er stürmte für den SC Freiburg, war 2019 mit sieben Turnier-Toren ganz entscheidend am Gewinn der U21-Europameisterschaft der DFB-Auswahl beteiligt und debütierte anschließend auch für die A-Nationalmannschaft unter Joachim Löw.

Zur Saison 2020/21 folgte sein erstes und bislang einziges Ausland-Abenteuer: Für die Ablösesumme von 15 Millionen Euro wechselte Waldschmidt vom SC Freiburg zu Benfica Lissabon und unterschrieb einen Fünfjahresvertrag, der eine Ausstiegsklausel in Höhe von irrwitzigen 88 Millionen Euro beinhaltete. Lang verlief seine Karriere aufwärts, doch dann geriet sie ins Stocken – auch wegen einiger Verletzungen. Beim VfL Wolfsburg, für den er seit 2021 auflief, konnte er sich nie über eine längere Zeit einen Stammplatz erarbeiten.

Zur Saison 2023/2024 wechselte der siebenfache Nationalspieler auf Leihbasis zum 1. FC Köln. Und stieg nach einer auch für ihn persönlich schwierigen Saison, in der er sich einen Wadenbeinbruch zugezogen hatte, mit dem Klub aus der Bundesliga ab. Waldschmidt blieb dem FC treu, wechselte fest nach Köln und unterschrieb beim Zweitligisten einen Vertrag bis 2027 – dem Vernehmen nach aber mit einer Ausstiegklausel auch im kommenden Sommer. Beim FC läuft für den schussgewaltigen Angreifer auch jetzt nicht alles rund und nach Wunsch – auch wenn er zuletzt zwei Mal der Kölner Siegtorschütze war.

Im Interview mit dem Kölner Stadt-Anzeiger spricht Waldschmidt über wenige Einsätze und Vertrauen, die Spielweise von Trainer Gerhard Struber, den Umgang mit hohen Erwartungen, sein Leben in Köln und über den fiktiven Serien-Held Ted Lasso.

Herr Waldschmidt, nach Ihren Siegtoren in Ulm und gegen Darmstadt jubelten Sie nicht nur ausgelassen, sondern Sie wirkten regelrecht befreit. Stimmt der Eindruck?

Luca Waldschmidt: Die Tore waren wie eine Erlösung – für die Mannschaft, aber auch für mich. Bei mir hatte sich einiges aufgestaut, dass dann einfach mal raus musste. Hinter mir lag eine sehr schwierige Zeit mit wenig Einsatzzeit. Dazu kam, dass ich seit Oktober auf einen Torerfolg warten musste. Ich habe zwar immer weiter Gas geben, doch ich will gar nicht verhehlen, dass dann auch eine gewisse Frustration aufkommt, wenn es eben nicht so läuft, wie man es sich vorstellt. Man muss dagegen ankämpfen und auf dem Rasen abliefern. Das Gute bei mir ist: Ich liebe den Fußball so sehr, dass ich meistens so etwas auch schnell wieder abhaken kann. Ich bin einfach froh, wenn der Ball wieder in meiner Nähe ist und ich kicken kann – selbst in schweren Phasen.

Der FC hat acht Spiele mit 1:0 gewonnen und zuletzt auch Darmstadt mit einem Tor Unterschied niedergerungen – was am Ende auch eine Form der Qualität ist. Aber ist die Mannschaft wirklich mit der Art und Weise des Fußballs zufrieden?

Die knappen Siege sprechen für uns und eine gewisse Cleverness. Wollen wir aufsteigen, dann zählen eben die Ergebnisse. Aber wir sind schon offen und ehrlich zu uns selbst, dass wir insbesondere im Spiel mit dem Ball etwas draufpacken müssen. Wir müssen ein noch besseres Gefühl füreinander entwickeln. Die zweite Halbzeit gegen Darmstadt hat gezeigt, dass mit einer anderen Struktur und Herangehensweise mehr möglich ist.

Warum ist die Mannschaft nicht in der Lage, konstant bessere Leistungen abzurufen?

Gegenfrage: Was genau sollten wir denn besser können? Wann haben wir zuletzt wirklich konstant guten Fußball gespielt und den Gegner dominiert?

Das war auf jeden Fall zu selten der Fall.

Richtig.

Natürlich gibt es jetzt einige Verletzungssorgen. Aber auch der verbliebene Kader sollte grundsätzlich zu mehr in der Lage sein, oder?

Da bin ich bei Ihnen. Wir wissen schon, was möglich ist. Auch mein Anspruch an mich ist deutlich höher. Aber momentan geht es vor allem darum, stabil zu stehen und vorne ein Tor mehr als der Gegner zu erzielen. Am Anfang der Saison haben wir mit der Viererkette attraktiv gespielt und leider nicht die erhofften Ergebnisse geholt. Dann hat der Trainer auf Fünferkette umgestellt – prompt standen wir defensiv stabiler und die Ergebnisse wurden besser. Was vielleicht zu Lasten der Spielweise ging. Keiner bei uns sträubt sich gegen guten Fußball.

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Nicht da, wo er sich selbst sieht: Waldschmidt auf der FC-Bank (links Florian Kainz). 28 Mal gehörte der Stürmer in dieser Saison zum Kader, aber nur elf Mal stand er in der Startelf.

Welche Grundordnung bevorzugen Sie?

Ich persönlich bevorzuge die Viererkette. Das hat man auch gegen Darmstadt gesehen, da bin ich nach den Umstellungen zur zweiten Halbzeit auch gleich mehr in Aktionen gekommen. Aber es geht auch nicht nur um das System, sondern eben auch darum, worauf man den Fokus legt.

Beim FC hat man schon oft über die Erwartungshaltung gesprochen und dass diese angeblich zu hoch sei. Wie stehen Sie als erfahrener Spieler dem Thema gegenüber?

In dieser Saison ist eine höhere Erwartungshaltung berechtigt, da wir vor allem für Zweitliga-Verhältnisse einen guten Kader haben. Mit der vorhandenen Qualität müssen wir auch ganz oben stehen. Was in Köln sicher der Fall ist: Es geht sehr schnell in die eine oder andere Richtung, vieles ist schwarz oder weiß. Die emotionalen Ausschläge in beide Richtungen sind groß. Aber ich habe auch für Eintracht Frankfurt, den Hamburger SV oder Benfica Lissabon gespielt: Das ist an solchen Standorten mit so vielen Fans und Herzblut eben der Fall.

Mit Ihnen verknüpft man ebenfalls besondere Erwartungen. Höhere als bei einigen anderen…

Das stimmt wohl, und ich sehe es ja genauso: Ich weiß, was ich kann und weiß, was möglich ist. Aber man muss immer auch das große Ganze sehen: Was ist gerade in unserer Situation gefragt, welche Prioritäten setzen wir? Bei mir heißt es oft: Das Spiel läuft an dem vorbei. Aber wenn ich gar nicht erst in die entscheidenden Aktionen komme, in denen ich den Unterschied machen kann, dann ist es für mich eben auch nicht so einfach. Da gilt es für mich, eine Frustrationstoleranz zu haben und zu akzeptieren, wie das Spiel gerade läuft. Im Sinne des Erfolgs der Mannschaft.

Sie sind gelegentlich mit FC-Ikone Stephan Engels im Austausch und haben sich auch auf der Karnevalssitzung mit ihm unterhalten. Worum ging es?

Er hat mich auf der Sitzung kurz zur Seite genommen und gesagt, dass die Mannschaft mich brauche und dass mehr in mir stecke. Ich glaube, er konnte ganz gut nachempfinden, wie ich ticke und wie wichtig Vertrauen für mich ist.

Wenn man immer wieder angezweifelt wird, kann man das nicht ganz beiseiteschieben
Luca Waldschmidt über Vertrauen

Spüren Sie das Vertrauen beim FC?

Mal so, mal so – um ehrlich zu sein. Wenn man immer wieder angezweifelt wird, kann man das nicht ganz beiseiteschieben. Aber der Coach und ich hatten vor einiger Zeit ein längeres Gespräch. Ich habe ihm gesagt, was mir ganz guttun würde und was für mein Spiel schwieriger ist. Der Trainer will ja auch, dass meine Stärken besser zur Geltung kommen. Deshalb war es gut, dass wir ein offenes, ehrliches Gespräch hatten.

Müsste der Trainer Sie mal etwas loslassen von taktischen Zwängen?

Das würde meinem Spiel guttun, klar. Stefan Kuntz (Waldschmidts früherer DFB-Trainer, d. Red.) meinte früher oft: ,Luca, ich brauche dir nicht zu sagen, was du mit dem Ball zu machen hast – mach' einfach.' Dann kann ich eine meiner größten Stärken, das Gefühl für Räume und Situationen, am besten ausspielen. Ich reflektiere natürlich immer auch mich und meine Leistungen, aber ich war in meiner Karriere mit Abstand am besten, wenn ich regelmäßig gespielt und gewisse Freiheiten hatte.

Ich war in meiner Karriere mit Abstand am besten, wenn ich regelmäßig gespielt und gewisse Freiheiten hatte
Waldschmidt über Einsatzzeit und taktische Zwänge

Sie standen in bisher 28 Pflichtspielen im Kader, aber nur zwölf Mal in der Startelf. Das ist nicht regelmäßig und dürfte zu wenig für Ihre eigenen Ansprüche sein, oder?

Da gehe ich komplett mit. Es wäre schön, wenn ich die Statistik in den letzten acht Saisonspielen noch etwas zum Positiven verändern könnte.

Sie sprachen gerade von Selbstreflexion. Ihre Instagram-Posts enthalten fast immer Schlagworte, die oft einen Hintergedanken haben. Auch auf LinkedIn teilen Sie sich mit. Sie machen sich schon viele Gedanken, oder?

Ich denke, ja. Ich wollte das bewusst etwas anderes machen. Ich schreibe keine längeren Texte, sondern verwende lieber kurze, prägnante Schlagwörter, die auch mal Einblick gewähren – wenn auch nicht immer auf den ersten Blick (lacht). Ich mache mir natürlich viel über Fußball Gedanken, aber eben nicht nur. Mich interessieren auch viele andere Dinge abseits des Fußballs.

Reflektieren Sie vieles auch mit Ihrem Mentalcoach, mit dem Sie seit einigen Jahren zusammenarbeiten?

Ich würde ihn eher Karrierecoach nennen. Mit ihm arbeite ich seit meiner Zeit beim VfL Wolfsburg (2021 bis 2023, d. Red.) zusammen. Da geht es neben Fußball auch darum, weiter an der Persönlichkeit zu arbeiten, sich weiterzubilden, den Kopf anzustrengen.

03.03.2025, Nordrhein-Westfalen, Köln: Die Fußballer Dominique Heintz (M) und Luca Waldschmidt (r) fahren auf dem Wagen des 1. FC Köln mit. Mit den Rosenmontagszügen erreicht der rheinische Straßenkarneval seinen Höhepunkt. Das Motto der Kölner Karnevalssession 2025 lautet «FasteLOVEnd - Wenn Dräum widder blöhe». Foto: Oliver Berg/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Kölsche Lebensfreude: Waldschmidt und Teamkollege Dominique Heintz auf dem FC-Wagen während Rosenmontag.

Sie leben mitten in der Kölner Innenstadt. Auch dort werden Sie mit vielen Facetten des Lebens konfrontiert. Wie sind Ihre Eindrücke?

Ich lebe sehr, sehr gerne hier. Ich mag es, bei Sonnenschein mit meiner Freundin und meinem Hund durch die Stadt zu schlendern und Leute zu beobachten. Die sind meistens gut gelaunt. Mir gefällt es, wie positiv und offen die Menschen hier sind.

Und die pure kölsche Lebensfreude schlug Ihnen am Rosenmontag entgegen. Sie waren auf dem FC-Wagen. Erzählen Sie mal, bitte.

Es war der Wahnsinn. Jede Minute herrschte von allen Seiten Party und Euphorie. Und das über sehr viele Stunden. Ich dachte, das legt sich mal etwas, doch dem war nicht so. Es war schon sehr cool, das mal miterleben zu dürfen.

Ted Lasso würde dem Spieler Luca Waldschmidt vertrauen. Es zahlt sich aus
Waldschmidt mit einem Schmunzeln über Serienhelden

Und 2026 sind Sie als FC-Profi erneut im Kölner Karneval am Start?

Ich verstehe (lacht)… Wenn wir aufsteigen, ist es mein absolutes Ziel, beim FC zu bleiben.

Ihr Vertrag läuft bis 2027, soll aber weiterhin eine Ausstiegsklausel erhalten. Sie sind nach dem Abstieg beim FC geblieben. Konkret: Bleiben Sie im Fall des Aufstiegs?

Davon gehe ich aus. Aber sie haben gerade meine Statistik erwähnt: Ich will spielen und der Mannschaft mit meiner Qualität helfen. Darum bin ich nach dem Abstieg auch beim FC geblieben, ich wollte etwas geraderücken. Doch dafür muss ich auf dem Platz stehen. Und das war zuletzt aus unterschiedlichen Gründen nicht so oft der Fall. Ich liebe den Verein, den Stadt und will nichts lieber, als dass wir erfolgreich sind. Aber am Ende ist es meine Karriere. Ich will spielen.

Sie sind ein Fan der US-Comedyserie Ted Lasso. Wie würde der Trainer Ted Lasso mit dem Spieler Luca Waldschmidt umgehen?

Er würde ihm vertrauen (lacht). Ich habe mal überlegt, mit welchem Spieler aus der Serie ich mich annähernd vergleichen lasse. Ich denke, ich bin eine Mischung aus Jamie Tartt und Roy Kent. Beide sind keine ganz einfachen Charaktere, aber es sind Jungs, denen man vertrauen sollte. Es zahlt sich aus.