Nachhaltiges LebenDer FC will Vorbild für die Kölner Gesellschaft werden
- Der 1. FC Köln wurde als erster Profi-Klub für nachhaltiges Wirtschaften zertifiziert. Er will ökonomischer, sozialer und ökologischer agieren.
- Vom Trikot aus recyceltem Polyester bis Essensausgabestellen in Kölner Vierteln, von Hybrid-Fahrzeugen bis zur Vermittlung von Werten an Nachwuchsspieler – die Liste der Ziele ist lang.
- Mehr noch: Der FC will mit seiner Strahlkraft zum Vorbild für ein nachhaltiges Leben in der Kölner Gesellschaft werden.
- Ist Köln bereit dafür? Und ist das Vorhaben angesichts der umstrittenen Ausbaupläne in Kölns grüner Lunge, dem Grüngürtel, glaubhaft?
Köln – Alexander Wehrle weiß, wo er am 18. November sein wird: Im Internationalen Caritas-Zentrum im Kölner Stadtteil Sülz. Dort wird der Geschäftsführer des 1. FC Köln Essen an Bedürftige ausgeben. Es ist der Startschuss für die erste FC-Tafel in der Stadt. Eine von sechs neuen Essensausgabestellen in den Vierteln, in denen die Kölner Tafel nicht vertreten ist. Mehr noch, es ist ein Fragment in der Nachhaltigkeitsoffensive des millionenschweren Unternehmens. Für seine Pläne hat sich der 1. FC Köln als erster Profiklub überhaupt als nachhaltig zertifizieren lassen. Sozialer, ökonomischer und ökologischer – der 1. FC Köln will Vorbild sein. Die Ziele sind ambitioniert – Ist Köln bereit dafür? Und ist das Vorhaben angesichts der umstrittenen Ausbaupläne in Kölns Grüngürtel glaubhaft?
Ökostrom, Hybrid-Autos, neue Trikots
Das Zentrum für Nachhaltige Unternehmensführung (ZNU) der Uni Witten/Herdecke hat schon Bitburger und Rittersport zertifiziert. Nun also den 1. FC Köln. Erarbeitet wurden Ziele aus 27 Themenfeldern. Diese reichen vom Energieverbrauch am Geißbockheim bis zu Trikots aus recyceltem Polyester, von der Umstellung der Fahrzeugflotte auf Elektro und Hybrid bis zur Vermittlung von Werten eines nachhaltigen Lebens in den Nachwuchsteams.
Nachhaltigkeit beim 1. FC Köln in Zahlen
6 Essensausgabestellen will der FC bis 2021 in Köln errichten.2021 will der Verein erstmals klimaneutral wirtschaften.100 Prozent des Stroms stammt aus erneuerbarer Energie.9 der 108 Firmenfahrzeuge sind bereits Hybridautos – nach und nach soll die ganze Flotte mit Hybrid- und Elektroautos ersetzt werden.5400 ehrenamtliche Arbeitsstunden haben die FC-Mitarbeiterinnen und -mitarbeiter seit Beginn der Corona-Pandemie bei der Kölner Tafel verrichtet.
Außerdem will der FC ab 2021 klimaneutral werden, schon jetzt bezieht er ausschließlich Ökostrom. „Wir wollten die vielen Maßnahmen, die wir schon seit Jahren haben, weiterentwickeln, messbar und verbindlich machen“, sagt Geschäftsführer Wehrle.
Nach sieben Monaten Arbeit hat der TÜV Rheinland die Ziele überprüft und den Bundesligisten als nachhaltig eingestuft. Für die Verantwortlichen des FC ist dies aber nur ein Schritt auf dem Weg: „Ich bin Freund einer Evolution statt Revolution“, sagt Geschäftsführer Wehrle, „wenn man ein so umfassendes Umdenken anstoßen will, dann muss man als erstes das Bewusstsein schaffen, man muss es vorleben.“ Innerhalb des Kölner Unternehmens, aber auch als Anstoß für die Kölner Gesellschaft. Einmal pro Jahr stellt sich das Unternehmen nun der TÜV-Prüfung, um weiter Vorbild zu sein.
1. FC Köln will Soziales, Wirtschaft und Klimaschutz verbinden
Die Kölner starteten nicht bei null. Seit Jahren setzt sich die FC-Stiftung für Soziales ein, wirbt an Aktionstagen beispielsweise auf den Trikots für die DKMS oder bietet Anti-Gewalt-Workshops für Jugendliche an. Neu ist, dass Soziales, Klimaschutz und Wirtschaft gemeinsam gedacht werden – als die drei Säulen der Nachhaltigkeit. Dafür hat der FC in jeder Abteilung auch einen Nachhaltigkeitsbeauftragen berufen.
Was bedeutet das für den Fan? Das Trikot des Lieblingsspielers könnte beispielsweise teurer werden. Aber dafür ist es aus recyceltem Polyester und die Merchandise-Hersteller werden in den Produktionsländern fair bezahlt. Stadionbesucher werden aufgefordert, Fahrgemeinschaften zu bilden oder bei der Essensausgabe im Veedel zu helfen. „Bei Nachhaltigkeit denken wir meistens an Klimaschutz. Der ist natürlich wichtig, aber es ist nur ein Teil des Ganzen“, sagt Wehrle.
Nachhaltigkeit ist ein schillerndes Wort in der Wirtschaft – ein gerahmtes Zertifikat an der Wand glänzt. Und doch hat die Besser-Leben-Kampagne einen Beigeschmack. Seit mehr als sechs Jahren läuft bereits der Prozess zum Ausbau des Geißbockheims mit unter anderem drei weiteren Sportplätzen im Kölner Grüngürtel. Kann ein Unternehmen Vorbild für Köln sein, wenn es das Umweltvermächtnis von Konrad Adenauer bebauen will?
„Solang der FC im Grüngürtel bauen will, nehm ich ihm die neue Politik nicht ab“
„Wenn der FC es wirklich ernst meint, dann muss er Alternativen zur Gleueler Wiese finden, oder noch besser, gar nicht ausbauen“, sagt Helmut Röscheisen, Kölner Vorstandsmitglied des Bunds für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND), der sich gegen die Ausbaupläne stellt.
Röscheisen ist selbst seit Jahrzehnten Prüfer für die EMAS, dem EU-Managementsystem für Umwelt. Über die Maßnahmen beim FC sagt er: „Das Unternehmen hat viel Arbeit investiert und viele Maßnahmen ergeben Sinn, keine Frage, aber sie können nur ein Anfang sein.“ Solang der FC aber nicht von dem Ausbau an der Gleueler Wiese absieht, nehme er ihm die Nachhaltigkeitsoffensive nicht ab.
„Wenn es uns nur ums Image gehen würde, würden wir uns nicht jährlich zertifizieren und überwachen lassen“, sagt Wehrle. Die Liste zum Ausgleich des Grüngürtel-Eingriffs, die Wehrle vorlegt, ist lang. Man wolle im Grüngürtel nicht in den Baumbestand eingreifen, für die geplanten Bauten wurde ein Architekturwettbewerb veranstaltet, damit sich Bauten ins Bild einfügen, vier Kleinfelder sollen als soziale Begegnungsstätte geschaffen werden.
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Auch die Stadt Köln hat in einem Gutachten festgestellt, dass nur eine geringe Beeinträchtigung der klimatischen Gesamtsituation zu erwarten sei. Der Stadtrat hat dem Ausbau bereits zugestimmt. Gegner wollen klagen, um die Erweiterung noch zu stoppen.
Der FC glaubt sich so oder so auf Kurs: Mit frischem Obst im Büro, weniger Flugreisen der Profis und einem Kodex, der zur Nachhaltigkeit verpflichtet. „Es geht uns um gesellschaftliche Verantwortung, die wir am liebsten an der Spitze einer Bewegung vorleben und nach außen tragen wollen“, sagt Wehrle. Und das heißt auch: Brötchen und Suppe zu verteilen im Sülzer Caritas-Zentrum, wenn die erste FC-Tafel an den Start geht.