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Kommentar

Nach dem 1:0 in Berlin
Wie der 1. FC Köln versucht, die Realität zu bändigen

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Lesezeit 3 Minuten
FC-Trainer Gerhard Struber setzte sich am Samstagabend beim Schiedsrichter für einen zeitigen Schlusspfiff ein, die knappe Führung war in den letzten Minuten noch einmal in Gefahr.

FC-Trainer Gerhard Struber setzte sich am Samstagabend beim Schiedsrichter für einen zeitigen Schlusspfiff ein, die knappe Führung war in den letzten Minuten noch einmal in Gefahr.

Die jüngsten Anpassungen beim 1. FC Köln bedeuten nicht grundsätzlich, dass die sportliche Leitung von ihrer schematisch-bürokratischen Haltung abgekommen ist.

Die ersten zehn Saisonspiele haben einen 1. FC Köln in Aufruhr gezeigt und eine Mannschaft ohne Balance und Mitte, die zwar stark genug besetzt war, um im Unterhaus zeitweise fulminant aufzutreten. Jedoch nicht in der Lage, eine Nachhaltigkeit in ihre Auftritte zu bringen. Nach den Niederlagen gegen Darmstadt und Paderborn drohte die Mannschaft schließlich ins untere Drittel der Tabelle zu sacken. So konnte es nicht weitergehen, und es war ausgemacht, dass es so auch nicht weitergehen würde: Nach einem Aus im DFB-Pokal, spätestens aber nach einer weiteren Niederlage in der Liga hätte es personelle Konsequenzen gegeben.

Das wird nun vorerst ausbleiben, weil die sportlich Verantwortlichen bereit gewesen sind, ihre Prinzipien zumindest teilweise aufzugeben. Der 1. FC Köln hat die Formation gewechselt und empfängt den Gegner nun sehr viel tiefer. Hinzu kommt, dass man abgewichen ist vom Prinzip, die jeweils jüngste denkbare Mannschaft aufstellen zu wollen. Die Wirkung dieser Maßnahmen ist durchschlagend: Nach zuvor 2:7 Toren und null Punkten hat der FC jetzt zweimal zu null gewonnen.

Alles gut also, möchte man meinen. Doch hat man sich am Geißbockheim zuvor derart für seine Radikalität gefeiert, dass es nun offenbar schwerfällt, mit der eigenen Vernunft umzugehen. Das mag daran liegen, dass sowohl Sportchef Christian Keller als auch Trainer Gerhard Struber nicht allzu gut darin sind, Fehleinschätzungen einzusehen.

Es waren erzwungene Anpassungen, und es war lustig anzusehen, wie sich die Kölner hinterher winden mussten, um den Eindruck zu verwischen, in eine Position des Reagierens geraten zu sein und womöglich zeitweise nicht mehr die Kontrolle gehabt zu haben.

Der Klub rühmt sich, in allen Mannschaften denselben Fußball spielen zu lassen. Egal, ob Jugend oder Profis, Frauen oder Männer. Ein solches Vorgehen befriedigt möglicherweise die Sehnsucht danach, Ordnung ins Chaos zu bringen und die Realität mithilfe niedergeschriebener Konzepte zu bändigen. Im Tagesgeschäft wird es jedoch immer so sein, dass eine Fußballmannschaft darauf Rücksicht nehmen muss, welche Spieler zur Verfügung stehen, wo die Stärken des Gegners liegen – und an welchem Wettbewerb man da überhaupt teilnimmt.

Wer das Chaos ordnen will, braucht ein gutes Bauchgefühl

Da ist Bauchgefühl gefragt, der schematisch-bürokratische Ansatz führt dauerhaft nicht zum Erfolg. Das Leben ist eine riesige Unordnung, nicht nur im Fußball. Wer diesen Teil der Realität verneint, macht es sich schwer.

Doch auch in den jüngsten Anpassungen hat der 1. FC Köln ein eher unbeholfenes Bild hinterlassen. Die lausig moderierte Absetzung von Torhüter-Talent Jonas Urbig etwa hat Probleme geschaffen, wo zuvor gar keins war. Man tut sich weiterhin schwer damit, aus dem Bauch heraus das Richtige zu tun. Die jüngsten Erfolge geben den Verantwortlichen zwar recht. Wie nachhaltig ein auf diese Art organisierter Erfolg sein kann, wird sich in den kommenden Wochen jedoch zeigen müssen.