Köln – Thomas Reis wirkte verzweifelt, immer wieder zeigte der Trainer des VfL Bochum mit den Händen die Sieben und versuchte, die Aufmerksamkeit seiner Spieler auf Dejan Ljubicic zu lenken. Kölns Spieler mit der Sieben auf dem Rücken war auch im Spiel gegen den VfL (2:1) einer der Hauptverantwortlichen dafür, dass der Gegner „nicht stattfand“, wie Reis später anmerkte. Köln hatte in den ersten 30 Minuten 76 Prozent Ballbesitz, Ljubicic auf der halbrechten und Florian Kainz auf der halblinken Position schnürten die Gäste ein, entwickelten einen Wirbel, der den Gästen keine Befreiung gestattete. Derart auffällig war Ljubicic (23), dass ihn Franco Foda am Montag nachträglich in die österreichische Nationalmannschaft berief, wo er auf seine Kölner Kollegen Florian Kainz und Louis Schaub treffen wird.
Skhiri als entscheidender Faktor
Wenn es den Bochumern am Samstag allerdings doch einmal gelang, sich aus der Kölner Umklammerung zu befreien, tauchte jeweils in der Nähe des Mittelkreises Ellyes Skhiri auf, der alles erstickte, was der Gegner versuchte. Der Tunesier ist für das Kölner Spielsystem ein wichtiger Faktor, womöglich der entscheidende, obgleich Trainer Steffen Baumgart die Teamleistung stets in den Vordergrund stellt.
Skhiris Statistiken gerieten auch gegen Bochum beinahe bizarr: 94 Prozent Passquote, zudem eine Zweikampfquote von 81 Prozent. Die Laufleistung von zwölf Kilometern war zwar selbstverständlich die mit Abstand größte auf dem Platz. Allerdings hätte er viel weiter laufen können, das tut er auch regelmäßig – bloß gab es am Samstag keinen Anlass dazu, denn die Bochumer hatten zu wenige Aktionen, denen er hätte nachjagen können.
Skhiri befindet sich nun vorerst außer Landes, am Freitag trifft er mit Tunesiens Nationalelf in Tunis auf Mauretanien, am Dienstag folgt das WM-Qualifikationsspiel in Ndolo, das liegt in Sambia. Dass es Zweifel an Skhiris Rückkehr von dieser Tournee gibt, liegt allerdings nicht an den gewaltigen Entfernungen, die der 26-Jährige nun zwischen sich und das Geißbockheim legt. Es sind andere Verlustsorgen, denn bis Dienstagabend ist das Transferfenster im europäischen Fußball geöffnet, und Skhiri gilt als Wechselkandidat.
Baumgarts Überzeugung
Einerseits benötigt der 1. FC Köln nach Umsatzverlusten von längst mehr als 70 Millionen Euro durch die Corona-Krise Transfereinnahmen. Andererseits glauben die Kölner, auch ohne einen Verkauf des Spielers finanziell durch die Saison zu kommen. Steffen Baumgart sorgt sich jedenfalls nicht, dass die Partie gegen den VfL Bochum Skhiris Abschiedsspiel vom FC war. „Ich habe nichts gehört, ich habe nichts gesehen. Ich lese immer nur vielleicht, aber bei mir ist nichts angekommen. Ich baue auf ihn. Ich glaube, dass der Junge sich bei uns wohlfühlt und mache mir auch keine Gedanken, dass da was kommt. Weil ich davon überzeugt bin, dass nichts kommt.“
Zuletzt war Skhiri Gegenstand zahlreicher Gerüchte, immer wieder wurde vom Interesse vorwiegend ausländischer Vereine berichtet, doch liegt das überwiegend daran, dass Skhiris Berater seinen Klienten derzeit in halb Europa anbietet. Beim 1.FC Köln lag jedenfalls auch am Montag kein Angebot vor, die Wahrscheinlichkeit eines Abschieds in Abwesenheit sinkt also, wenngleich nichts ausgeschlossen ist.
Bereit für den nächsten Schritt
Skhiri, seit zwei Jahren in Köln, fühlt sich bereit für den nächsten Karriereschritt, das äußerte er zuletzt. Allerdings spielt er mit dem FC das dritte Jahr nacheinander in der Bundesliga, der Saisonstart ließ nun Hoffnungen gedeihen, dass sich die Kölner in diesem Jahr aus dem Existenzkampf heraushalten können. Skhiris nächster Verein sollte also sicher international vertreten sein, doch bislang gab es zwar Interesse von hier und dort. Aber nichts Konkretes. Der AC Mailand, der nach Medienberichten ein Auge auf Skhiri geworfen hatte, verpflichtete am Montag Tiemoué Bakayoko vom FC Chelsea für das defensive Mittelfeld, was zumindest dieses Gerücht enorm schwächte.
Kreative Suche nach Geld
Die Kölner Schmerzgrenze liegt dem Vernehmen nach bei 15 Millionen Euro, allerdings wäre das dann nicht der Betrag, der den Kölnern in der Kasse fehlte, würde Skhiri bleiben. Denn von den 15 Millionen Euro gingen noch Beteiligungen ab – sicher an Skhiris Ex-Klub Montpellier HSC, möglicherweise auch an den Berater des Spielers oder sogar an den Spieler selbst. Die Lücke, die durch Skhiris Verbleib also anderweitig zu schließen wäre, betrüge abzüglich Skhiris Restbuchwerts tatsächlich wohl eher neun als 15 Millionen Euro. Und die Kölner sehen sich in der Lage, einen solchen Betrag auch anders aufzutreiben. Man müsse kreativ sein, heißt es aus dem Geißbockheim. Offenbar scheint man bereit dazu, denn Skhiris sportlicher Wert ist für den 1. FC Köln derzeit deutlich höher als die zu erzielende Einnahme durch einen Verkauf.