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FC-Präsident Werner Wolf im Interview„Der Kapitän ist auf der Brücke, wir sind da"

Lesezeit 9 Minuten
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Werner Wolf erlebt eine turbulente Amtszeit mit dem 1. FC Köln. 

Köln – Der 1. FC Köln steckt weiter in der Krise. Sportlich ist die Mannschaft vor der Länderspielpause auf den Relegationsplatz durchgesackt, die Pandemie verhagelt die Finanzen – und immer wieder gibt es Berichte über den möglichen Abschied der Geschäftsführer Alexander Wehrle und Horst Heldt. Im Interview nimmt Präsident Werner Wolf Stellung – und wagt einen Ausblick auf die Mitgliederversammlung, die im Juni ansteht.

Der 1. FC Köln ist auf Relegationsplatz 16 zurückgefallen. Geht am Geißbockheim die Angst um?

Werner Wolf: Wie viele Fans und Mitglieder machen auch wir uns Sorgen. Alles andere wäre gelogen. Auf der anderen Seite hoffen wir, dass die Rückkehrer Sebastian Andersson, Florian Kainz oder Sebastiaan Bornauw der Mannschaft dabei helfen, sich daraus zu ziehen.

Sind Sie negativ überrascht vom Saisonverlauf?

Eigentlich nicht. Die fehlende Konstanz ist unser Hauptproblem. Wir machen sensationelle Spiele gegen Top-Teams und verlieren danach mehrere Spiele in Folge. Das bereitet einem schon Bauchschmerzen. Nach einem Aufstieg ist die zweite Saison immer die schwierigere. Vor der Saison hatten meine Vorstandskollegen und ich ein Abendessen mit unserem Trainer Markus Gisdol, bereits da hatte ihn diese Herausforderung am meisten beschäftigt.

Im Gegensatz zu vielen anderen Konkurrenten haben Sie den Trainer noch nicht gewechselt. Ihre Treue zum Coach wirkt fast wie ein Pakt. Sind Sie in der Trainerfrage zuletzt dennoch unruhig geworden?

Nein, bin ich nicht. Die Entscheidung trifft primär der Geschäftsführer Sport Horst Heldt . Die Geschäftsführung kommt dann auf den Vorstand zu und stimmt sich mit uns ab. Entscheidend ist doch, ob die Mannschaft noch hinter dem Trainer steht. Nach meiner Beobachtung tut sie das, ich teile damit die Auffassung von Horst Heldt. Geschlossenheit ist wichtig, und die versuchen wir zu leben. Natürlich kann ich es nachvollziehen, dass Außenstehende das teils anders sehen, doch die Realität ist meistens ein bisschen komplexer als manche es sich vorstellen. Ein Trainerwechsel ist kein Patentrezept.

Sehen Sie denn in der Mannschaft grundsätzlich mehr Potenzial als Platz 16?

Ja, sehe ich. Aus meiner Sicht ist der Kader, der jetzt von manchen verrissen wird, nicht so schlecht zusammengestellt. Wir hatten großes Verletzungspech, unter anderem stand unser Kapitän Jonas Hector lange nicht zur Verfügung. Ein großes Verdienst des Trainers ist es, dass er es geschafft hat, gleich mehrere Spieler aus dem Nachwuchs in die Mannschaft einzubauen – was ja auch Teil unseres strategischen Konzepts ist. Er ist hier beim FC der erste Trainer, der das in dieser Qualität geschafft hat.

Der Sportchef muss in der Trainer-Personalie immer auch einen Alternativ-Plan in der Tasche haben. Können Sie bestätigen, dass Horst Heldt am Donnerstag vor dem Heimspiel gegen Dortmund Friedhelm Funkel kontaktiert und Markus Gisdol von diesem Schritt in Kenntnis gesetzt hat?

Horst Heldt hat doch bereits öffentlich erklärt, dass er mit Markus Gisdol offen und ehrlich über die Situation gesprochen hat. Ein Sportchef muss immer einen Plan B haben.

Und die Kontaktaufnahme zu Funkel?

Noch einmal: Horst Heldt hat mit Markus Gisdol über die Situation gesprochen. Jeder, der in diesem Geschäft ist, weiß, dass in solch einer Situation verschiedene Szenarien möglich sind. Auch Markus Gisdol weiß das.

Entscheiden Sie solche Personalien rein als Funktionär, oder kommt da in Ihnen auch manchmal der Fan durch?

Ich bin schon immer auch Fan des FC. Aber wenn ich den Präsidenten-Hut aufhabe, dann geht es um einen kühlen Kopf und einen klaren Verstand. Und dann geht es darum, alle möglichen Variablen im Auge zu haben und die Situation richtig einzuschätzen beziehungsweise von den Geschäftsführern einschätzen zu lassen. Wir begleiten sie und haben da die Aufsichtsfunktion. Fans schreiben mir zwar Briefe und fordern mich auf: Mach‘ deinem Namen Ehre und fletsche die Zähne! Köln ist ein emotionales Pflaster, doch bei aller Emotion muss ich als Funktionär im Austausch mit unseren Beratern die Dinge in Ruhe einschätzen. Und man muss auch die aktuellen Umstände berücksichtigen. Und in dieser Zeit der Pandemie kommen noch einmal andere, heftigere Reaktionen. Ich merke: Die Leute stehen massiv unter Druck. Fußball ist da ein Ventil, um Dinge rauszulassen. Ein Nachteil in der Pandemie ist zudem, dass uns allen die direkte Kommunikation untereinander fehlt.

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FC-Präsident Werner Wolf

Kritiker behaupten, der Vorstand des FC sei in der Krise zu wenig sichtbar. Erreicht Sie diese Kritik?

Ja, die Schwierigkeit des derzeit fehlenden Austausches habe ich ja gerade selbst beschrieben. Aber: Der Kapitän ist auf der Brücke, wir sind da. Wir sind unglaublich aktiv. Aber vieles von dem, was wir tun, ist nicht direkt für die Öffentlichkeit bestimmt.

Zum Beispiel die Sicherstellung der Finanzen. Am Mittwoch wird Geschäftsführer Alexander Wehrle die Geschäftszahlen der Saison 2019/20 präsentieren und einen Ausblick auf die Spielzeit 2020/21 geben. In den vergangenen zwölf Monaten seit Pandemie-Beginn sind dem FC mehr als 60 Millionen Euro Umsatz weggebrochen. Bringt das den Klub an den Rand der Existenz?

Es ist eine enorm schwierige Situation. Wir haben allerdings ein paar gute Ideen zum Gegensteuern und sind da relativ weit. Wir können deshalb sagen: Diese Saison ist gesichert und für die nächste sind wir auf einem guten Weg.

Sind Sie auf Hilfe von außen angewiesen? Schalke zum Beispiel hat eine Landesbürgschaft erhalten. Diese Zeitung hat von der der erneuten Ausgabe von Genussrechten geschrieben.

Hilfe von außen ist in dieser Situation auf jeden Fall notwendig. Aus diesem Grund haben wir Mezzanine-Kapital organisiert.

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Es ist wird vermutet, dass der FC das Geschäftsjahr 2019/20 mit einem Minus von rund 20 Millionen Euro abschließen wird. Zur Wahrheit gehört allerdings, dass die Corona-Krise erst im März 2020 begann.

Nach dem Aufstieg war sich die Vereinsführung einig darin, das Budget zu überziehen, um benötigte Transfers zu tätigen. Das waren vernünftige Investitionen, die gut zu schultern gewesen wären. Wir hatten damals schließlich ein Eigenkapital von 38,5 Millionen, das unter unseren Vorgängern aufgebaut wurde – was rückblickend betrachtet eine hervorragende Leistung war. Davon haben wir weniger als die Hälfte investiert, was in Ordnung ist. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass in der Vergangenheit Spielerverträge abgeschlossen wurden, die ich aus heutiger Sicht so nicht abschließen würde. Darüber hinaus kam noch die Pandemie dazu, mit der niemand rechnen konnte.

Für die Zahlen muss sich jetzt Geschäftsführer Alexander Wehrle rechtfertigen. Für Corona kann er tatsächlich nichts. Im Stadtgebiet gab es aber zum Beispiel zuletzt eine Plakataktion gegen ihn.

Wir nehmen das wahr, und ich habe dazu auch klar Stellung bezogen. Ich habe es mehr als einmal gesagt: Alexander Wehrle macht einen sehr guten Job.

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Alexander Wehrle (l.) und Carsten Wettich

Horst Heldt und Alexander Wehrle stehen noch bis ins Jahr 2023 bei Ihnen unter Vertrag. Gerade Alexander Wehrle scheint allerdings nach mehr als acht Jahren beim FC umworben. Bereitet Ihnen das Sorgen?

Wir sind froh, Alex Wehrle zu haben. Es gab seinerzeit zwei Leute, die durchgesetzt haben, dass Alexander Wehrle heute beim 1. FC Köln ist. Einer sitzt Ihnen gegenüber. Ich gehe fest davon aus, dass Alex Wehrle seinen Vertrag erfüllen wird und ich erlebe ihn enorm verantwortungsvoll in der Krise. Er ist niemand, der in so einer Situation einfach von Bord geht. Dass er ein begehrter Manager ist, das wundert mich nicht.

Wie nehmen Sie wahr, dass Horst Heldt immer wieder mit anderen Vereinen in Verbindung gebracht wird?

Er hat klar kommuniziert, dass er beim FC bleiben und seinen Vertrag erfüllen möchte. Alles Weitere sind Gerüchte, zu denen ich mich nicht äußere.

Am 17. Juni findet nach langer Planung die Mitgliederversammlung statt. Womit rechnen Sie?

Wir hoffen, eine hybride Veranstaltung abhalten zu können, sind aber auf alles vorbereitet: Es kann auch eine rein virtuelle Versammlung werden. Die Auswertung anderer Vereine hat ergeben, dass an einer virtuellen Veranstaltung etwa dreimal so viele Mitglieder teilnehmen wie an einer Präsenzveranstaltung; das heißt für uns, dass wir mit bis zu 18.000 Mitgliedern rechnen müssen. Es gibt zwei Technologieanbieter, die bereits große virtuelle Veranstaltungen mit Abstimmungen gemacht haben. Aber mit 20.000 Leuten hatten die auch noch nicht zu tun. Daher hat die Planung etwas länger gedauert, wir dürfen uns kein Debakel erlauben, das muss klappen.

Zur Person

Werner Wolf, Jahrgang 1956, war Geschäftsführer bei Mars, Intersnack sowie der Bitburger Gruppe. Nach dem Rücktritt von Wolfgang Overath im Jahr 2011 übernahm Wolf den Vorsitz des FC-Verwaltungsrates und organisierte den Übergang zur Präsidentschaft von Werner Spinner. Seit September 2019 ist er FC-Präsident. (ksta)

Was werden Sie den Mitgliedern sagen?

Wir wollen unsere Strategie vorstellen und die Antwort auf die Frage liefern, wo der FC mittelfristig hin will. Und wie wir das erreichen wollen. Dazu gehört eine nachhaltige Steigerung von Erlöspotentialen, keine Einmaleffekte. In dem Kontext steht eine Satzungsänderung. Wir haben vor unserer Wahl das Versprechen gegeben, es ohne Investoren versuchen zu wollen. Die Strategie zeigt, dass es möglich ist, trotz der Pandemie. Die Strategie ist auf einen Zeitraum von sechs Jahren angelegt – wir werden sie aber zuallererst unseren Mitgliedern präsentieren.

Die Strategie wird sich also nicht darin erschöpfen, Spieler billig zu kaufen und dann teuer zu verkaufen?

Der sportliche Teil ist natürlich ein wichtiger, aber solche Annahmen stehen nicht drin (lacht). Im Wesentlichen wollen wir die Mitglieder ab dem ersten Prozentpunkt an der Entscheidung beteiligen, wenn es darum geht, Anteile zu verkaufen. Wenn Sie ein Unternehmen besitzen, und ich bin Ihr Geschäftsführer, würden Sie es auch nicht gutheißen, wenn ich plötzlich einen Teil Ihres Unternehmens verkaufte. Wir wollen unseren Mitgliedern klar kommunizieren: Ihr habt in dieser Frage das Sagen.

Schließen Sie damit aus, eines Tages Geld in den Verein zu holen? Oder sagen Sie: Wir stellen nur sicher, dass ein Verkauf von Anteilen nicht ohne Zustimmung der Mitglieder erfolgen kann.

Letzteres. Wenn es ein überzeugendes Konzept gäbe, wäre es meine Pflicht, es den Mitgliedern zur Abstimmung vorzulegen. Aber diesen Plan gibt es nicht. Wir sind vielmehr überzeugt, dass wir es aus eigener Kraft schaffen können.

Sie lösen damit ein Wahlversprechen ein – und sogar mehr als das.

Stimmt, wir haben damals nicht versprochen, dass wir eine Satzungsänderung machen. Wir haben gesagt, dass wir glauben, es ohne Investoren packen zu können. Mittlerweile haben wir für uns klar herausgefunden, dass Erfolg ohne Investoren möglich ist. Daher können wir nun auch die Satzung ändern.

Carsten Wettich stellt sich als Vizepräsident zur Wahl, es gibt keinen Gegenkandidaten. Womit rechnen Sie?

Es ist unser Wunsch, dass er Vizepräsident bleibt. Er hat in einer sehr schwierigen Situation Verantwortung übernommen. Der Vorstand funktioniert, die Chemie stimmt, wir haben großes Vertrauen zueinander. Die Einzelbegabungen müssen sich ergänzen. Ich bin zwar einer der ersten, der es kritisiert, aber es ist, wie es ist: Ohne Rechtsanwalt kommt man nicht mehr weit, und Carsten Wettich ist ein begnadeter Wirtschaftsanwalt. Und er ist ein Fußballjeck, wahrscheinlich seit er laufen kann. Unser Wunsch ist, dass er gewählt wird. Er arbeitet hinter den Kulissen mit einem enormen Elan. Der Verein verdankt ihm einiges.