Köln/Gárdony – Wie es sich anfühlt, eine Europameisterschaft in Pandemie-Zeiten in einem Hochrisikogebiet auszutragen, das hat Salih Özcan in den vergangenen Tagen in Ungarn (Inzidenz: 633) erfahren. „Man fühlt sich wie eingeschlossen. Von der Ankunft am Flughafen bis heute ist mir im Prinzip kein Einheimischer begegnet. Aber Veranstalter, Uefa und DFB versuchen alles, damit unser Leben in der Blase funktioniert und das Turnier möglichst sicher ist“, berichtet der U21-Nationalspieler des 1. FC Köln im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Das Team residiert im EM-Quartier „Vitalis Nautis“ in Gárdony am Südufer des Velencer Sees, 60 Kilometer südwestlich von Budapest. Doch von viel mehr als dem Blick auf den drittgrößten Binnensee Ungarns kann der 23-jährige Kölner nicht berichten. Das liegt zum einen daran, dass die volle Konzentration der DFB-Auswahl dem Turnier gilt, in das sie mit einem am Ende souveränen 3:0-Erfolg gegen den Gastgeber gestartet ist. Zum anderen ist das Team strikt abgeschirmt von der Außenwelt.
Vor dem Hotel lassen Polizei und Sicherheitsbeauftragte des DFB keinen von außerhalb der Blase zur Mannschaft gelangen, das Trainingsgelände ist eingezäunt und ebenfalls bewacht. Alle Spieler haben Einzelzimmer bezogen, das Mittagessen nehmen nur zwei Spieler an einem Tisch ein. Özcan zum Beispiel mit Vitaly Janelt (FC Brentford).
DFB-Elf startete gut ins Turnier
Mit dem 3:0 ist die Mannschaft von Trainer Stefan Kuntz standesgemäß ins Turnier gestartet. „In der ersten Halbzeit haben wir uns etwas schwer getan, Ungarn war nur auf das Verteidigen aus. Dann haben wir zum Glück Lösungen vor dem Tor gefunden. Doch klar ist, dass wir uns im nächsten Spiel steigern müssen. Holland ist schon ein anderes Kaliber“, sagt Özcan vor dem Aufeinandertreffen mit den Niederlanden am Samstag (21 Uhr) in Székesfehérvár.
Etwas überraschend zählten Özcan und sein Kölner Teamkollege Ismail Jakobs nicht zur Startelf. Doch der Mittelfeldspieler hadert nicht, stellt sich in den Dienst der Mannschaft: „Natürlich ist es mein Anspruch, von Anfang zu spielen. Schließlich gelte ich hier als Führungsspieler. Doch das Turnier ist hoffentlich noch lang für uns, ich werde sicherlich meine Chance bekommen. Als ich reinkam, war ich auch gleich gut im Spiel drin. Ich mache mir daher noch keinen Kopf“, sagt Özcan.
Situation beim 1. FC Köln nicht entscheidend
Dass seine Bankrolle auch etwas mit seiner Situation beim FC zu tun hat, das glaubt der Ehrenfelder nicht. Beim 2:2 gegen Dortmund kam er sogar nur in der letzten Minute zum Einsatz. „Nein, das muss man getrennt betrachten. Es ist ja auch nicht so, dass ich beim FC keine Spielpraxis vorweisen kann“, entgegnet Özcan, der bisher auf 23 Ligaspiele kommt, davon 14 von Beginn an.
Es ist aber kein Geheimnis, dass sich der Mittelfeldspieler dauerhaftes Vertrauen von FC-Coach Markus Gisdol wünscht. Doch auch im Verein ordnet er sich vorerst noch dem großen Ziel unter. „Der Klassenerhalt ist alles, was zählt. Kein Spieler will den Makel des Abstiegs haben, das wäre für jeden Spieler eine Niederlage. Aber natürlich habe ich auch meine Karriere im Blick. Ich will und muss den nächsten Schritt machen.“
FC will mit Özcan verlängern
Özcans Vertrag bei seinem Heimatklub läuft Ende Juni aus. Der FC will das Eigengewächs weiter an sich binden, das stellte Sportchef Horst Heldt gegenüber dieser Zeitung klar: „Wir wollen mit Salih verlängern, und der Spieler kann sich das auch vorstellen. Ich verstehe aber, dass Salih uns sein Berater noch etwas abwarten wollen. Doch nach seiner Rückkehr aus Ungarn werden die entscheidenden Gespräche weitergehen.“
Özcan kann sich eine Zukunft beim FC gut vorstellen, allerdings nicht um jeden Preis. Er muss in Köln eine Perspektive und das Vertrauen haben. „Der FC liegt mir natürlich sehr am Herzen, Köln ist meine Heimat, dennoch bin ich mittlerweile in einem Alter, in dem ich auch für vieles offen bin. Meine Ambition ist es, weiter in der Bundesliga zu spielen“, sagt der Mittelfeldspieler.
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Für Özcan gibt es einen Markt. So soll Besiktas Istanbul erneut Interesse an ihm zeigen. „Es gab schon mal Kontakt zu Besiktas, mehr weiß ich aber nicht. Dafür ist mein Berater Dirk Hebel zuständig. Ich will mich außerdem auch erst einmal auf unsere Aufgaben konzentrieren.“ Beim DFB ist das Minimalziel der Einzug ins EM-Viertelfinale, beim FC der Klassenerhalt.