AboAbonnieren

Präsident Wolf über die Krise beim FC„Natürlich haben wir uns das anders vorgestellt“

Lesezeit 8 Minuten
bopp_19_14959

FC-Präsident Werner Wolf

  1. Der 1. FC Köln steckt in einer tiefen sportlichen Krise, steht zudem ohne Trainer und Geschäftsführer da.
  2. Wer will sich den FC in der derzeitigen Situation antun? Präsident Werner Wolf antwortet im Interview auf die wichtigsten Fragen, die sich derzeit stellen.
  3. Ein Gespräch über seine turbulente Anfangsphase im Amt, die Suche nach einem neuen sportlichen Kompetenzzentrum und Wege raus aus der Krise.

KölnHerr Wolf, Sie sind seit etwas mehr als zwei Monaten im Amt. Wie oft haben Sie sich schon gewünscht, Sie hätten das Amt nicht übernommen?

Wolf: (lacht) Es gibt natürlich solche Momente. Natürlich werde ich auch manchmal gefragt, warum ich mir das antue. Solche Zeiten, wie wir sie gerade erleben, übersteht man nur mit absoluter Leidenschaft. Und diese Leidenschaft ist da, bei meinen beiden Kollegen und mir gleichermaßen.

Derzeit ist der FC ein Fulltime-Job.

Mit solchen Zeiten muss man rechnen, das kommt im Sport immer wieder vor. Ich erinnere mich noch an die Anfangsphase von Werner Spinner, der mich angerufen und sich beschwert hat: „Du hast mir gesagt zwei, drei Tage die Woche. Jetzt sind es sieben.“ Nun sitze ich selbst hier – und es ist, wie es ist. Wenn man die Motivation und die Begeisterung hat, hat man auch die Kraft. Wir haben sie zu 100 Prozent. In solchen Krisen muss man Zuversicht ausstrahlen und den Menschen Sicherheit geben. Wir sind davon überzeugt, dass wir das schaffen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Ist die Situation schlimmer, als sie erwartet haben?

Wir haben nicht erwartet, dass wir nach elf Spieltagen nur sieben Punkte haben. Es gibt aber auch noch weitere Baustellen.

…und keinen Trainer oder Geschäftsführer.

Natürlich haben wir uns das anders vorgestellt.

Die ehemaligen Vizepräsidenten Toni Schumacher und Markus Ritterbach haben vor ihrem Abschied gesagt, dass der Verein gesund und top aufgestellt sei. Deckt sich das mit Ihrem Eindruck?

Wie heißt es so schön: Die Tabelle lügt nicht. Es gibt Licht und Schatten. Wir haben Strukturen, die funktionieren und wir sind handlungsfähig. Wir haben für die Saison eine Planung mit einem Verlust vorgefunden. Deswegen sind wir nicht vom Stuhl gefallen, denn das geschah unter der Maßgabe „wir müssen die Klasse halten“ – mehr Geld auszugeben als geplant. Das ist auch durchaus notwendig. Aber es gibt auch Dinge, die wir kritisch sehen und analysieren müssen.

Wie empfinden Sie als Präsident die Entscheidungswege beim 1. FC Köln? Sind Sie flexibel genug oder müssen Sie zu viele Leute mitnehmen?

Wer meint, so ein großer Klub sei nur regierbar, wenn ein starker Mann alles entscheidet, der hat keine Ahnung. Die Erfahrung und alle wissenschaftlichen Untersuchungen zeigen: Es ist weitaus besser, mehrere Entscheidungsträger zu haben und im Team zu entscheiden. Wir sind nicht umsonst drei Vorstände. Dazu muss man, bevor es an die Arbeit geht, die Spielregeln vereinbaren. Auch für Krisen. Ich habe keine Probleme mit den Gremien. Es ist alles klar in der Satzung festgeschrieben und muss nur so gelebt werden. Zusammenhalt, Bescheidenheit und Bodenhaftung müssen wieder Teil der DNA des FC werden. Compliance ist dabei ebenfalls ein wichtiges Feld. Jeder muss sich an die Regeln halten.

Jürgen Sieger (v. links), Werner Wolf und Eckhard Sauren

Also muss in der sportlichen Not nicht der eine große Retter her?

Den gibt es doch gar nicht. Da muss man sich doch nur andere, auch große Klubs ansehen, die sich auch immer wieder personell neu aufstellen müssen. Fußball ist ein hartes Geschäft und verschleißt sein Personal in Krisensituationen in hoher Frequenz. In solchen Momenten ist es vor allem anderen wichtig, die Ruhe zu bewahren und den Kopf auf den Schultern zu lassen. Wir sind auch nicht der Meinung, dass wir uns in einer Notlage befinden. Die sportliche Situation ist schwierig, aber alles andere als hoffnungslos.

Warum haben Sie Achim Beierlorzer nach der Niederlage in Düsseldorf nicht entlassen?

Wir haben das in der Situation auf Basis der uns vorliegenden Erkenntnisse gemeinsam entschieden. Im Fußball muss man immer Prognoseentscheidungen treffen. Dass man nachher immer schlauer ist, liegt in der Natur der Sache.

Den Mitgliederrat mussten Sie mit ihrer Entscheidung, Achim Beierlorzer nach der Niederlage in Düsseldorf nicht direkt zu entlassen, wohl enttäuschen. Ist das Verhältnis zu dem Gremium dadurch belastet?

Nein, denn diese Themen werden im Gemeinsamen Ausschuss besprochen und entschieden. Dort haben wir gemeinsam mit den beiden Vorsitzenden des Mitgliederrates beraten, diesen Schritt vor dem Hoffenheim-Spiel nicht zu machen. Die Zusammenarbeit von Vorstand und Mitgliederrat ist sehr gut. Das bedeutet nicht, dass wir immer einer Meinung sein müssen. Im Gegenteil: Wir müssen miteinander über den besten Weg nach vorne streiten. Wenn wir die verschiedenen Möglichkeiten gegeneinander abwägen, ist es viel wahrscheinlicher, dass wir die richtigen Entscheidungen treffen. Gemeinsam wollen wir gut überlegt den richtigen Weg für unseren Verein einschlagen. Und das klappt sehr gut.

Warum dann doch die Trennung von Veh?

Er war der Meinung, er stehe wichtigen Entscheidungen eher im Weg. Das haben wir akzeptiert. Die Trennung lief sauber ab. Ebenso war es uns beim Abschied von Achim Beierlorzer immens wichtig, dass das menschlich sauber läuft. Und das ist uns gelungen.

Werner Wolf

Vor fast sieben Jahren hatten wir einen Termin, da war die Situation ähnlich: Der Sportdirektor war weg, der Trainer so gut wie. Ist die Situation vergleichbar?

Nein, überhaupt nicht. Wirtschaftlich war es damals deutlich prekärer. Damals musste Jürgen Sieger als Aufsichtsratsvorsitzender ein Insolvenzgutachten erstellen lassen. Der damalige Übergang nach der Ära Wolfgang Overath geschah auch komplett unvorbereitet, weil der Rücktritt des damaligen Vorstands von gleich auf jetzt erfolgte.

Was für einen Geschäftsführer braucht der 1. FC Köln?

Wir suchen jemanden, der die Fähigkeit besitzt, die Wandlungen der Fußballbranche zu erkennen und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Er muss über den Tellerrand schauen, also auch einen Blick für die internationalen Entwicklungen haben. Er muss im besten Sinne modern sein, das heißt beispielsweise, dass wir die datenbasierten Analysemöglichkeiten unter anderem im Scouting noch konsequenter nutzen. Qualität geht bei der Suche klar vor Geschwindigkeit. Wir haben hier keinen übermäßigen Zeitdruck. Denn wir haben mit Frank Aehlig einen erfahrenen Sportdirektor. Auch beim Trainerthema werden wir die Ruhe bewahren. Wir haben zwei Co-Trainer, die beide Cheftrainerfähigkeiten mitbringen. Ruhe bewahren ist in der Krise, die wir natürlich erkennen, die wichtigste Maxime.

Gibt es einen Konflikt, weil man jetzt unter Zeitdruck sucht – und nicht Zeit hat, für die Position des Sportchefs einen Innovativen Kandidaten zu suchen?

Nein. Zeitdruck ist normal im Fußballgeschäft. Unter Zeitdruck trotzdem die richtigen und vor allem gut überlegten Entscheidungen zu treffen, ist die Kunst. Und das ist verdammt schwer, weil von allen Seiten hineingerufen wird und jeder alles besser weiß. Wir werden uns davon nicht beirren lassen. Wir haben einen ordentlichen Prozess aufgesetzt, um den für uns geeigneten Kandidaten zu finden.

FC-Präsident Werner Wolf

Überregional ist viel von Chaos die Rede. Stellt sich tatsächlich die Frage: Wer tut sich den FC noch an?

Das ist eine Diskussion, die mit der Realität nichts zu tun hat. Wer sich den Verein und seine Strukturen anschaut, erkennt, dass unsere Strukturen sich nur in Kleinigkeiten von anderen Vereinen unterscheiden. Der FC ist ein toller Verein. Fußball ist Showgeschäft und hat vor allem mit Begeisterung zu tun. Die ist hier nach wie vor unbeschreiblich groß. In der Vergangenheit sind aber nicht alle Entscheidungen so sorgfältig getroffen worden, wie es hätte sein müssen. Damit müssen wir aktuell klarkommen. Jammern hilft da nicht. Wir müssen die Probleme anpacken und uns der Herausforderung stellen. Und das werden wir machen.

Fragen Sie sich gerade: Wie gehe ich wohl irgendwann hier raus?

Ich stelle mir eher die Frage: Was haben wir falsch gemacht, dass wir immer wieder an diesen Punkt kommen? Wir waren in 20 Jahren nur einmal Neunter und einmal Fünfter.

Das war direkt nacheinander. Was ist damals richtig gelaufen? Und was ist dann verloren gegangen?

Ich habe noch nicht alle Antworten. Aber wir müssen das analysieren und vor allem: Wir müssen uns verbessern! Wir müssen stabiler werden, damit uns sportliche Krisen nicht mehr so sehr aus der Bahn werfen. Da gibt es noch viel Arbeit. Dabei schaue ich auch über den Tellerrand. In anderen Vereinen gibt es beispielsweise schon seit längerem Sportkompetenzteams, wie wir jetzt eines eingerichtet haben. Wir müssen immer genau beobachten, was unsere Konkurrenten machen, um nicht alle Fehler erst selbst machen zu müssen.

Die Suche nach einem Geschäftsführer Sport per Headhunter ist umstritten. Können Sie das nachvollziehen?

Wer Erfahrung bei der Führung von Unternehmen hat, würde so etwas nie sagen. Wir müssen uns doch fragen, ob wir im Verein die Infrastruktur haben, einen Kandidaten professionell zu suchen. Die Antwort ist: Haben wir nicht. Es mag im Fußball noch unüblich sein, so vorzugehen. Aber wir wollen eine andere Professionalität einführen.

Bei den Kandidatengesprächen sind immer alle drei Vorstände dabei?

Sicher. Bei dieser wichtigen Personalie müssen wir uns doch alle einen persönlichen Eindruck verschaffen

Was lässt Sie glauben, dass es mit dem Klassenerhalt klappt?

Die Mannschaft ist stark genug. Es muss uns gemeinsam gelingen, das Potenzial jedes einzelnen Spielers auch auf den Platz zu bringen. Offene Analyse von Fehlern, gepaart mit positivem Denken und vor allem mit Zusammenhalt sind die Mittel, die uns helfen werden, dieses Ziel zu erreichen. Platz 17 ist ganz klar unter unseren Möglichkeiten.