„Das weiß er selbst“Neuer patzt bei EM-Generalprobe und löst Torwartdiskussion aus

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Bundestrainer Julian Nagelsmann und Torwart Manuel Neuer. Nach der EM-Generalprobe hat sich eine Torwartdiskussion entwickelt. (Archivbild)

Bundestrainer Julian Nagelsmann und Torwart Manuel Neuer. Nach der EM-Generalprobe hat sich eine Torwartdiskussion entwickelt. (Archivbild)

Julian Nagelsmann gönnt seinen Spielern nach dem Sieg ein freies Wochenende – vor dem EM-Auftakt gibt es jedoch einige Diskussionen.

Seine Nationalspieler schickte Julian Nagelsmann nach einem „Sieg für die Psyche“ in ein letztes freies Wochenende, er selbst stürzte sich in die Arbeit. Die leidige Torwartdiskussion um den wiederholt schwer patzenden Manuel Neuer erstickte der Bundestrainer zwar im Keim, nach dem glücklichen Last-Minute-Erfolg bei der EM-Generalprobe gegen Griechenland muss sich Nagelsmann aber mit weiteren Problemfeldern beschäftigen.

Das äußerst holprige 2:1 (0:1) brachte Nagelsmann auch in Bezug auf seine EM-Startelf noch einmal ins Grübeln. Diese, betonte der 36-Jährige zu später Stunde im Mönchengladbacher Borussia-Park, sei „nicht in Stein gemeißelt“. Für die Anfangsformation gegen Schottland am Freitag kämen 13 Feldspieler infrage.

Torwartpatzer: Manuel Neuer räumt Fehler ein

Dabei schien Nagelsmann seine erste Elf nach den glanzvollen Auftritten bei der Leistungsexplosion im März gefunden zu haben. Doch das Spiel gegen die nicht für die EM qualifizierten Griechen brachte unschöne Erkenntnisse und warf Fragen auf. Ist der augenscheinlich nicht vollständig fitte Kapitän İlkay Gündoğan unantastbar? Warum traten die alten Probleme bei der Konterabsicherung wieder auf? Und wäre Marc-André ter Stegen nicht doch die bessere Nummer eins?

Ich hätte ihn besser wegbringen müssen.
Manuel Neuer

Auf eine Debatte um Neuer ließ sich Nagelsmann erst gar nicht ein. „Ich lasse keine Diskussion aufkommen“, stellte Nagelsmann klar: „Er hat mein Vertrauen.“ Dabei patzte der 38-Jährige beim Gegentreffer von Giorgos Masouras (34.) folgenschwer. „Ich hätte ihn besser wegbringen müssen“, räumte Neuer nach dem harmlosen Schuss von Christos Tzolis ein.

Hitzige Debatten in den sozialen Netzwerken verhinderte das allerdings auch nicht mehr. Viele Fans fragten sich, wann Marc-André ter Stegen im Tor der Nationalmannschaft eine Chance bekommen soll – und forderten Neuer auf, den Weg freizumachen. Auch Sport-Kommentator Heiko Wasser mischte mit: „Wenn wir ohne den besten deutschen Innenverteidiger zur EM fahren, ist es doch nur konsequent, auch den besten deutschen Torhüter nicht spielen zu lassen“, schrieb Wasser scherzhaft bei X und spielte damit auf die Nicht-Nominierung von Mats Hummels an. 

Beim DFB-Team selbst scheint man trotz aller Sprüche im Netz die Lage anders einzuschätzen. Neben Nagelsmann stellte sich auch Siegtorschütze Pascal Groß hinter Neuer – und zeigte wenig Verständnis für eine Torwartdiskussion bei der Nationalelf. „Das mit dem Gegentor weiß er selbst. Aber er ist ein unfassbar guter Torhüter. Ich bin begeistert, wie gut er ist. So etwas habe ich noch nicht gesehen“, sagte Groß nach der Partie gegenüber „Sky“.

Generalprobe gegen Griechenland: Mangelndes Tempo und Ideen bei DFB-Elf

Nicht nur bei Neuer, sondern insgesamt fehlte beim DFB-Team am Freitagabend die Frische, es mangelte an Tempo und Ideen. Robert Andrich verkörperte die Orientierungslosigkeit, Florian Wirtz hatte ebenso wie der andere Zauberfuß Jamal Musiala einen schwachen Tag.

Gündogan nannte den Auftritt „träge“. Solch eine erste Halbzeit „ohne Intensität“ dürfe sich die Mannschaft „nicht erlauben“. Schon gar nicht gegen Schottland. Vier Trainingstage bleiben Nagelsmann noch, wenn er seine Spieler am Montagmorgen wieder im EM-Quartier in Herzogenaurach versammelt.

Später Siegtreffer: Positive Impulse von der Bank durch Groß oder Sané

Daher war der Coach nach dem Warnschuss bemüht, die positiven Seiten hervorzuheben. „Am Ende war der Sieg wichtig, um die Fans mitzunehmen. Ein spätes Tor tut immer gut. Da kann man in Leverkusen nachfragen“, sagte Nagelsmann nach dem Ausgleich von Kai Havertz (56.) und dem sehenswerten Treffer von Pascal Groß (89.).

Torjubel nach dem Tor zum 2:1 durch Pascal Groß.

Erleichterung bei der Mannschaft nach dem 2:1 durch Pascal Groß.

Der späte Schuss ins Glück dokumentierte den Willen der Mannschaft. Zudem gab es wie schon gegen die Ukraine (0:0) positive Impulse von der Bank. Neben Groß überzeugten auch Leroy Sané und David Raum nach ihren Einwechslungen. „Das liegt an der Akzeptanz der Rolle. Wenn du die Rolle akzeptierst, dann kannst du das Spiel bereichern“, erklärte Nagelsmann, der seinem Team attestierte, „den Job erfüllt“ zu haben.

Toni Kroos: „Wir sind nicht so gut, wie wir zuletzt gemacht wurden (...)“

Für Euphorie besteht allerdings kein Anlass. Es sei zwar der „Glaube da, dass wir Großes erreichen können“, versicherte der Bundestrainer. Er verwies aber auch auf die „hohe Leistungsdichte“ beim Turnier. Die Vorrundengruppe mit Schottland, Ungarn und der Schweiz birgt Gefahren. „Wenn wir dreimal 2:1 gewinnen, dann würde ich das jetzt unterschreiben“, sagte Nagelsmann, der nun in jedem Training und jedem Spiel „die Abläufe verbessern“ will.

Gündogan stellte einen „Lernprozess“ fest. Die Sinne, ist er sicher, seien nun „geschärft“. Der Kapitän verbringt die zwei freien Tage bei seiner Familie in Barcelona, Toni Kroos zieht es nach Madrid. Zuvor verriet der Anführer bei RTL noch seine Sicht der Dinge. „Wir sind nicht so gut, wie wir zuletzt gemacht wurden – aber auch nicht so schlecht, wie wir davor gemacht wurden“, sagte Kroos. Auch darüber wird Nagelsmann nachdenken. (das/sid)

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