Melbourne – Mit nacktem Oberkörper bereitete sich Alexander Zverev am Tag des Australien-Abschieds von Novak Djokovic auf seinen Auftakt in Melbourne vor.
Am Montag (2. Spiel nach 9.00 Uhr deutscher Zeit) soll der erste von sieben notwendigen Schritten zur erhofften Grand-Slam-Titel-Premiere gelingen. So oder so hatte sich Deutschlands bester Tennisspieler vorgenommen, bei den Australian Open seinen ersten Grand-Slam-Titel zu gewinnen. Das abrupte und unwürdige Ende aller Hoffnungen des serbischen Rekordchampions Djokovic steigert seine Chancen nun erheblich.
Halbfinale gegen Djokovic nicht mehr möglich
Wieder einmal hätte es in Melbourne in einem Halbfinale zum Aufeinandertreffen zwischen dem Weltranglisten-Ersten und dem Olympiasieger kommen können. Nun ist der Weg ins Endspiel - zumindest theoretisch - einfacher. „Ich möchte das Turnier so gut wie möglich spielen”, sagte Zverev und erläuterte, dass er sich deswegen zurückziehe und wegen der Corona-Zahlen außer zum Training nirgendwo mehr hingehe.
„Sascha Zverev hat in der Tat eine große Chance, seinen ersten Grand-Slam-Titel zu gewinnen”, sagte Tennis-Ikone und Zverev-Kenner Boris Becker der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung” bereits bevor das Bundesgericht am Sonntag entschied, dass Djokovic das Land wegen seines für ungültig erklärten Visums verlassen muss.
Deutsches Duell zum Auftakt
Im deutschen Duell trifft Zverev zum Auftakt in der Rod Laver Arena auf Außenseiter und Australian-Open-Debütant Daniel Altmaier aus Kempen, der 2020 bei den French Open völlig überraschend das Achtelfinale erreicht hatte. Weil Djokovic aus dem Tableau flog, wurde die Partie von der der Margaret Court Arena auf den Centre Court verlegt.
Zverev hatte schon einmal vom überraschenden Aus von Djokovic profitiert. Als der Weltranglistenerste bei den US Open 2020 disqualifiziert wurde, weil er wütend einen Ball weggeschlagen und dabei eine Linienrichterin getroffen hatte, erreichte Zverev erstmals ein Grand-Slam-Finale. Den Titel verpasste er gegen den Österreicher Dominik Thiem in einem denkwürdigen Finale nur um zwei Punkte.
In Melbourne musste Zverev am Samstag bei einer der üblichen Pressekonferenzen der Spieler aus dem Favoritenkreis natürlich über das Dauerthema Djokovic reden. Nach seinen Erwartungen und Zielen für die Australian Open wurde die deutsche Nummer eins gar nicht mehr konkret gefragt. Zu klar hatte sich der Melbourne-Halbfinalist von 2020 in den vergangenen Wochen dazu geäußert: Nichts Geringeres als den Spitzenplatz der Weltrangliste und den ersten Grand-Slam-Triumph hat sich der 24-Jährige für diese Saison zum Ziel gesetzt. Sollte ihm in Melbourne der Titel-Coup glücken, würde er den Russen Daniil Medwedew überflügeln. Platz eins ist nicht möglich, den behält Djokovic ganz unabhängig vom Ausgang des Turniers.
„Es ist absolut an der Zeit, weil er einfach gut genug ist. Er ist jetzt in der Form seines Lebens und jetzt müssen die großen Titel her!”, sagte Becker im Eurosport-Podcast „Das Gelbe vom Ball”: „Wenn das dieses Jahr nicht passiert, dann kommt die nächste Generation und der Druck erhöht sich etwas, die Fragen werden lauter.”
Olympiasieg als Vertrauens-Booster
Den Glauben an seine eigene Klasse hatte Zverev mit seinem Olympia-Gold in Tokio ganz besonders gestärkt, auch das ungewohnte Teamgefühl verhalf ihm in Japan zum Triumph. Auch in Melbourne trug er am Samstag wieder mal ein T-Shirt aus der Kollektion der Spiele, um die „unglaubliche Erinnerungen” in Gedanken zu haben. In Tokio hatte er wie bei den ATP Finals Djokovic im Halbfinale besiegt. Das wird nun in Melbourne nicht nötig sein.
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