Leverkusen. – Am Dienstag herrschte wieder reges Treiben auf dem Trainingsplatz von Bayer 04 Leverkusen unter der Autobahnbrücke. Hunderte von Zaungästen, darunter viele Kinder, verfolgten am letzten Ferientag die Anstrengungen der Werkself in der gleißenden Vormittagssonne. Nach knapp zwei Stunden Vollprogramm schlurften die Spieler erschöpft in die Kabine. Darunter Profis wie Nadiem Amiri, Joel Pohjanpalo, Paulinho und Dailey Sinkgraven, die bei passenden Angeboten schon in anderer Kluft auf anderen Plätzen schwitzen würden.
Die Kinder machten allerdings keine Unterschiede zwischen den Bundesliga-Stars und schnappten sich Selfies und Autogramme, wo sie sie bekommen konnten. Ganz im Sinne des Cheftrainers Gerardo Seoane, der alle seinen Profis zu Saisonbeginn dasselbe Programm und dieselbe Aufmerksamkeit zuteilwerden lässt. „Solange ein Spieler da ist, versuchen wir, zu 100 Prozent mit ihm zu arbeiten“, sagt der Schweizer und erklärt, warum er kein Abstellgleis kennt: „Im Fußball sind Dinge nicht immer ganz planbar. Hier will ein Spieler wechseln, aber man einigt sich nicht. Wir versuchen alle, die da sind, mitzunehmen. Erstens ist das gut für die Energie der Gruppe, und zweitens sollen alle Spieler in der Arbeit hier noch eine Chance für sich sehen, die sie wahrnehmen können.“
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Nadiem Amiri ist ein Beispiel für den Sinn solcher Professionalität. Der ehemalige Nationalspieler, der vergangene Saison zum Bankdrücker wurde und die Rückrunde in der italienischen Serie A beim FC Genua verbrachte, würde gern wieder zurück nach Italien. Doch sein Ex-Klub ist abgestiegen. Und aus dem losen Interesse italienischer Klubs, ist bisher kein konkretes Angebot geworden. Amiris Vertrag läuft bis 2024, sein Marktwert beträgt laut „transfermarkt.de“ acht Millionen Euro und er gehört zu den Top-Verdienern in Leverkusen. Ein Transfer, der Bayer 04 wenig Bargeld einbrächte, dafür aber den Löwenanteil der Gehaltszahlungen überließe, wäre sehr unbefriedigend.
Also bleibt Nadiem Amiri weiter Teil der Gruppe unter der Autobahnbrücke. Und im Bundesliga-Aufstaktspiel gegen Dortmund kam nach 78 Minuten für ihn die unerwartete Chance. Amiri wurde für Exequiel Palacios eingewechselt und war in der Endphase plötzlich Teil des umkämpften Top-Spiels, das Bayer unglücklich 0:1 verlor. Der 25-Jährige lief in kürzester Zeit fast zwei Kilometer, spielte zehn Pässe, von denen neun ankamen und gewann alle Zweikämpfe. „Er hat eine gute Energie auf den Platz gebracht“, lobte Seoane, der die Gewissheit hat, auf Abruf einen flexiblen Spieler bedenkenlos einsetzen zu können.
„Nadiem hat verletzungsbedingt zwei Wochen verpasst am Anfang der Vorbereitung, jetzt hat er Extraschichten gemacht und immer besser trainiert, er ist im Mittelfeld variabel einsetzbar“, sagt Seoane, „Nadiem weiß, dass er bei uns langfristig nicht die Spielzeit bekommt, die er sich vielleicht wünscht. Wenn für ihn etwas auf den Tisch kommt, das ihn überzeugt, kann ich mir vorstellen, dass er es auch macht. Wenn nicht, dann arbeiten wir weiter.“
Dasselbe gilt für den Brasilianer Paulinho, der beim Pokal-Aus in Elversberg 44 Minuten auf dem Platz stand. Und es gilt für Dailey Sinkgraven und vor allem auch für Joel Pohjanpalo, der als Mittelstürmer Nummer drei bei Bayer 04 chancenlos ist, aber aufgrund seiner Qualitäten im Strafraum ein Kandidat für viele Klubs, darunter der 1. FC Köln.
Seoane stellt ihnen allen ein gutes Zeugnis aus. „Die Spieler sind sehr engagiert im Training. Sie spielen um ihre Zukunft. Alle. Ob hier oder irgendwo anders. Niemand kann es sich leisten, den Job irgendwo einfach ausklingen und sich gehen zu lassen. Das gibt es heute nicht mehr. Es sind alles gute Jungs.“ Seoane macht natürlich keinen Hehl daraus, dass er sich bis zur Schließung des Transferfensters eine Kaderveränderung vor allem in der Offensive wünscht. Da die geplante Verpflichtung des linken Offensivspielers Mykhaylo Mudryk von Shaktar Donezk immer schwieriger wird, gibt es akuten Handlungsbedarf, damit der Bayer-Angriff auf Dauer nicht komplett unwuchtig wird, denn die schnellsten Spieler (Diaby, Frimpong, Bellarabi) kommen alle von der rechten Seite. „Es ist klar, dass wir intern über Verstärkungen sprechen“, sagt Seoane, „das Transferfenster ist noch drei Wochen geöffnet, da kann sich noch viel tun.“
Bislang ist Adam Hlozek, der für zwölf Millionen Euro plus Boni von Sparta Prag kam, der einzige Transfer des Sommers. Und es hat sich gezeigt, dass der 20-jährige Nationalspieler mit dem platzierten Schuss noch Zeit braucht, um sich an Intensität und Schnelligkeit der Bundesliga zu gewöhnen.