Leverkusen – Dass Robert Andrich kein für Bayer 04 Leverkusen typischer Profi ist, wird spätestens beim Blick auf seine Vita deutlich: Hertha-Jugend, Dresden, Wiesbaden, Heidenheim, Union Berlin. Kein internationaler Spitzenfußball, kein Übertalent aus dem eigenen Nachwuchsbereich oder dem eines anderen Vereins.
Als der gebürtige Potsdamer im Sommer 2021 für 6,5 Millionen Euro von Union zu Bayer 04 wechselte, war Andrich bereits 26 und ein gestandener Bundesliga-Fußballer, der nicht noch zeitintensiv geschliffen werden musste. Der Mann fürs Grobe im zentralen Mittelfeld wurde als „Mentalitätsspieler“ verpflichtet, unter anderem um das von den Bender-Brüdern hinterlassene Führungs-Vakuum zu füllen. Nach einem halben Jahr überwintert Andrich mit der Werkself auf Platz vier, liegt im Soll. Doch größere Zufriedenheit spürt er keine. Auch weil Leverkusens Kern-Problem in seinen Kompetenzbereich fällt: Bayer 04 ist Andrich zu brav. Ein Umstand, der dem weder optisch noch fußballerisch braven Profi Bauschmerzen bereitet.
Das könnte Sie auch interessieren:
„Wir haben so viele Spieler mit unfassbarem Potenzial, da reden wir ständig drüber. Aber irgendwann müssen wir auch anfangen, das umzusetzen“, sagte Andrich am Dienstag. Gerade die letzten Spiele vor der Winterpause ärgerten ihn, als wiederholt Führungen hergeschenkt wurden. „Da war man natürlich noch ein bisschen angepisst.“ Doch sei er guter Dinge, „dass wir langsam verstanden haben, worum es geht.“ Und was es heißt, erfolgreich zu sein.
Robert Andrich faltet Mitchel Bakker zusammen
Um das seinen Teamkollegen nachhaltig einzutrichtern, schreckt Andrich vor rabiaten Ansprachen vor der versammelten Mannschaft nicht zurück. Zuletzt erwischte es Mitchel Bakker, dessen Trainingsleistung Andrich nicht gepasst hatte. „Natürlich war Mitchel direkt im Anschluss etwas angepisst. Aber ich bin ein etwas älterer und erfahrenerer Spieler, das muss man auch mal runterschlucken“, berichtete Andrich durchaus zufrieden. „Am nächsten Tag hab ich dann gemerkt, dass er sich es zu Herzen genommen hat. Das ist, was wichtig für uns ist.“
Doch ist Andrich neben Kapitän Lukas Hradecky einer der wenigen wirklich lauten Leverkusener Profis auf dem Rasen. „Es ist leider nicht Trainingsalltag, das muss man so sagen. Bei uns sollte eigentlich schon häufiger ein bisschen deutlicher gesprochen werden. Das würde uns weiterhelfen“, sagte der Mittelfeldspieler. „Es gehört dazu, auch draußen vor der Mannschaft mal einen zur Sau zu machen – auch wenn es natürlich nicht persönlich gemeint ist. Man versucht, seinen Mitspieler besser zu machen.“ Nur „Friede, Freude, Eierkuchen? Dann läuft’s nicht!“ Andrich hofft, dass es nach solchen Ansprachen „Klick im Kopf“ bei den Mitspielern macht: „Es geht ums Fußballspielen, um Punkte, um Kohle. Da möchte ich, dass unsere Mannschaft so erfolgreich wie möglich ist. Da muss es einfach mal ein bisschen strenger sein.“
Samstag gegen Union Berlin
Am Samstag trifft Andrich in der Bay-Arena zum Rückrunden-Auftakt (15.30 Uhr/Sky) auf seinen Ex-Klub Union. In Sachen Einstellung sieht er die Berliner als Vorbild, auch von anderen Vereinen müsste man sich etwas abschauen. „Wenn wir es so machen, sind wir brutal erfolgreich“, so Andrich. „Jetzt ist nur wichtig, das über eine längere Zeit hinzubekommen.“
Zutaten für eine defensiv stabilere Rückrunde sind laut Andrich – und auch Trainer Gerardo Seoane – mehr Härte und intelligenter eingesetzte Fouls. Zwar ist Bayer 04 in der Fairplay-Tabelle dank 42 Gelber Karten und zweier Platzverweise mit Abstand Letzter, doch waren die ursächlichen Aktionen oft von Frust geprägt, seltener vom Ausbremsen gegnerischer Umschaltmomente. „Wir müssen klüger foulen und insgesamt noch galliger sein. Das haben wir angesprochen – und hoffentlich ist es jedem klar“, sagte Andrich.
Gegen Berlin müsse die Werkself die Zweikampfhärte annehmen. „Und dann übers Fußballerische kommen. Das haben wir Union mit Sicherheit voraus“, so Andrich.