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Kommentar

Titel für Bayer 04 nach mehr als 30 Jahren?
Warum man als Leverkusen-Fan trotz Erfolgsserie weiter skeptisch ist

Ein Kommentar von
Lesezeit 3 Minuten
Zinedine Zidane (Real) zieht ab, dahinter Ballack (Leverkusen)

Traumabewältigung 1: Zinédine Zidane trifft im Champion-League-Finale 2002 zum 2:1-Siegtreffer gegen Bayer 04 Leverkusen.

Bayer 04 Leverkusen steht so dicht vor mindestens einem Titelgewinn wie lange nicht mehr. Doch als Fan neigt man zu Zurückhaltung.

Sich als Mitarbeiter des „Kölner Stadt-Anzeiger“ als Fan von Bayer 04 Leverkusen zu outen, fühlt sich besonders in der aktuellen Zeit sehr gut an. Die Mannschaft von Xabi Alonso kann offenbar nicht mehr verlieren und die Fans träumen mal wieder vom lang ersehnten Titel. Aber jeder eingefleischte Bayer-Fan weiß auch: Skepsis muss angebracht sein!

Die Karrieren von Zinédine Zidane und Markus Oberleitner hätten verschiedener kaum laufen können. Während Zidane heute noch im Weltfußball mitmischt, ist Oberleitner mittlerweile als Immobilienmakler in der Metropolregion München tätig. Doch eine Gemeinsamkeit haben die beiden ehemaligen Fußballer: Sie haben Bayer 04 Leverkusen einen Titel versaut. Oberleitner als entscheidender Torschütze beim 2:0-Sieg der Spielvereinigung Unterhaching am letzten Spieltag der Bundesliga-Saison 1999/2000, Zidane zwei Jahre später als Torschütze von Real Madrid im Champions-League-Finale.

Der Torschütze Markus Oberleitner Unterhaching jubelt nach seinem Treffer zum 2:0 gegen Leverkusen.

Traumabewältigung 2: Markus Oberleitner bejubelt im Jahr 2000 sein Tor zum 2:0 gegen Bayer Leverkusen. Die Meisterschaft für die Rheinländer ist damit futsch.

Es waren vor allem diese beiden Spiele, diese beiden Tore, die dazu geführt haben, dass das Leverkusener Titel-Trauma bis heute bei vielen langjährigen Anhängern des Clubs immer noch zu schmerzverzerrten Gesichtern führt – und welche den damaligen Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser dazu veranlassten, den Namen „Vizekusen“ patentieren zu lassen.

Doch in dieser Spielzeit scheint alles anders: Die Souveränität, mit der der deutsche Rekordmeister FC Bayern München am vergangenen Wochenende besiegt wurde, hat man in dieser Form in Leverkusen noch nie gesehen. Trainer Xabi Alonso wirkt wie eine baskische Mischung aus Christoph Daum (in Sachen Ausstrahlung und Charisma) und Klaus Toppmöller (mit seiner Umsicht und Ruhe). Und selbst der Ausfall von so wichtigen Säulen wie Exequiel Palacios, Victor Boniface und Odilon Kossounou scheint derzeit nicht zu Unbeständigkeit zu führen. Vor allem dann nicht, wenn Spieler aus der eigentlich zweiten Reihe weiterhin so groß aufspielen wie am Samstag Josip Stanišić und Robert Andrich.

Josip Stanišić im Zweikampf mit dem Bayern-Spieler Pavlovic.

Holt Bayer 04 in diesem Jahr endlich einen Titel? Alles spricht dafür! Auch, dass die Spieler aus der zweiten Reihe wie Josip Stanišić (am Ball) und Robert Andrich (hinten links) groß aufspielen.

Und trotzdem: Die Fallhöhe wird mit jeder Woche, mit jedem Sieg größer. Dazu kommt die Dreifachbelastung, die früher oder später zwangsläufig dazu führen wird, dass auch weitere Spieler mal eine Pause brauchen. Und ob es dann auch ohne einen Granit Xhaka oder ohne einen Alejandro Grimaldo so rosig läuft? Für den pessimistischen Bayer-Fan nur schwer vorstellbar.

Sie sehen schon, liebe Leser und Leserinnen. Als Leverkusen-Fan ist man nach mehr als 30-jähriger Titelabstinenz so sehr darauf getrimmt, die eigenen Erfolgsaussichten klein und den Einbruch der Mannschaft herbeizureden – die Erinnerungen an Unterhaching und Real Madrid sind noch zu präsent.

In diesem Jahr könnte dieses Trauma nun also endlich besiegt werden. Wenn sich nicht noch Spielverderber hervortun, die Bayer erneut zu „Vizekusen“ machen. Wie einst Zinédine Zidane. Oder Markus Oberleitner.