Leverkusen – Wenige Klubs in der Fußball-Bundesliga sind vom Stillstand durch die Corona-Krise sportlich härter getroffen worden als Bayer 04 Leverkusen. Die Mannschaft von Trainer Peter Bosz befand sich auf einem Höhenflug in drei Wettbewerben. Übergreifend gewann sie elf der letzten 13 Spiele, in der Liga sieben der letzten neun.
Auf Platz fünf hat die Mannschaft – zwei Punkte hinter dem Vierten Mönchengladbach - das abermalige Erreichen des Ziels Champions-League-Platz in der eigenen Hand. In der Europa League steht sie nach dem 3:1-Sieg bei den Glasgow Rangers im Hinspiel des Achtelfinales vor dem Einzug in die Runde der letzten Acht. Im DFB-Pokal winkt sogar das Endspiel. Bayer 04 hat für das Halbfinale den viertklassigen 1. FC Saarbrücken zugelost bekommen. Das alles liest sich wie ein Traum.
Rolfes: „Gehen davon aus, dass die Saison zu Ende gespielt wird“
Doch keiner weiß, wann er weitergeht, ob er weitergeht. „Wir gehen davon aus, dass die Saison sportlich zu Ende gespielt wird“, hat Sportdirektor Simon Rolfes dieser Tage gesagt. Dazu gehört in den Tagen des Kontaktverbotes in der Bundesrepublik Deutschland allerdings schon eine gute Portion Fantasie. Einzig konkret war am Samstag die Nachricht des DFB, der offiziell vermeldete, dass das für 22. April terminierte DFB-Pokal-Halbfinale gegen Saarbrücken auf unbestimmte Zeit verlegt wird.
In dieser schwierigen Phase ohne eine andere Gewissheit als die Ungewissheit bangt die Werkself um die Chance, die Früchte ihrer Arbeit ernten zu können. Die Deutsche Fußball Liga hat den Betrieb offiziell bis Ende April unterbrochen. Bis dahin muss ein erstes Zeichen der Rückkehr zur Normalität, zum Beispiel die Erlaubnis zum Mannschaftstraining, erfolgt sein. Sonst gehen den Beteiligten trotz eines durch die Verschiebung der Europameisterschaft frei gewordenen Sommers für drei Wettbewerbe irgendwann die Szenarien aus.
Ablösesummen werden sinken
Außer dem FC Bayern, der ebenfalls noch in drei Wettbewerben vertreten ist, würde eine komplette Saisonabsage keinen Klub so hart treffen wie Bayer 04. Aber das ist nur die Seite des Wettbewerbs. Die andere ist, dass nach Meinung aller Experten der Transfermarkt durch die Corona-Krise schwer beschädigt wird. Bayer 04 hatte im Winter mit den Verpflichtungen von Edmond Tapsoba und Exequiel Palacios für insgesamt rund 35 Millionen Euro einen Vorgriff auf die Sommer-Transferperiode und den bereits intern als sicher gegolten habenden Transfer von Kai Havertz für eine dreistellige Millionen-Euro-Summe gewagt.
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Der Kölner Spielerberater Jörg Neblung prophezeit, dass solche Geschäfte 2020 nicht zu machen sein werden. „Die Ablösesummen werden bei jedem Spielerprofil fallen“, sagte der ehemalige Geschäftspartner des 2009 verstorbenen einstigen Nationaltorhüters Robert Enke im Interview des Onlineportals „Transfermarkt“. Er ist derselben Ansicht wie Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff, der auf rtl.de sagte: „Natürlich werden die Preise runtergehen, wie die Gehälter auch.“ Neblung wird konkret: „In den nächsten zwei Jahren wird es tendenziell keinen 300-Millionen-Transfer geben. Auch bei Spielern wie Kai Havertz oder Jadon Sancho wird es mit dreistelligen Millionenbeträgen eher schwierig werden.“
Umdenken bei Bayer 04 und Kai Havertz wegen Corona-Situation?
Bei Bayer 04 Leverkusen könnte die Corona-Krise möglicherweise zu einem Umdenken führen. Der Vertrag des 20-jährigen Havertz läuft noch bis Juni 2022. Im Sommer 2021 könnten die Preise vor allem im Spitzensegment, zu dem der Nationalspieler gehört, annähernd wieder das alte Niveau erreicht haben. Allerdings liefe sein Vertrag dann nur noch ein Jahr, was jede Transfersumme drückt. Vielleicht würde Havertz in dieser unsicheren Zeit gern noch länger als geplant bei Bayer Leverkusen bleiben. All diese Fragen sind derzeit nicht seriös zu beantworten. Sicher ist nur, dass die bereits sicher scheinenden Millionen in einer Welt ohne Sicherheiten so schnell nicht fließen werden.
Bayer 04 gehört also zu den Hauptbetroffenen der Corona-Krise in der Fußball-Bundesliga, allerdings auf höchstem Niveau. Immerhin hat der Spitzenklub gemeinsam mit Bayern München, Borussia Dortmund und RB Leipzig der DFL 20 Millionen Euro zur Verteilung an bedürftige Vereine zur Verfügung gestellt. Um seine Existenz wird der vom Bayer-Werk abgesicherte Klub auch dann nicht bangen müssen, wenn alle Titelchancen und Transferprojekte durch die Corona-Krise zunichte gemacht werden.