Bayer Leverkusen gewinnt mit 3:2 bei RB Leipzig durch ein Tor in der Nachspielzeit. Die Spieler loben sich und Trainer Xabi Alonso.
Mentalität, Teamgeist, HungerBayer 04 feiert sich für den nächsten Last-Minute-Sieg
Xabi Alonso gönnte sich einige Momente der ausgelassenen Freude. Immer wieder sprang er mit geballter Faust auf und ab, deutete in Richtung der Leverkusener Gäste-Kurve der Leipziger Arena. Dann richtete er seine Frisur und schaltete zurück in den Strategen-Modus, der seine Mannschaft gerade von Sieg zu Sieg führt: Denn trotz diverser Widrigkeiten hatte Bayer 04 soeben eine der anspruchsvollsten Auswärts-Aufgaben der Bundesliga gelöst. In einer Art und Weise, wie es in der Vergangenheit immer wieder den späteren Deutschen Meistern gelungen war.
Mit 3:2 (0:1) gewann Leverkusen bei RB Leipzig, baute seine beeindruckende Serie ohne Niederlage aus und festigte die Tabellenführung – obwohl Bayer 04 schwach gestartet war, zweimal in Rückstand geriet und schon in der ersten Halbzeit einen Eckpfeiler verlor. Umjubelter Mann des Abends war Piero Hincapie, der in der Nachspielzeit in der kuriosen Ecken-Geschichte dieses Samstages für ein Leverkusener Happy End sorgte und zum 3:2 traf (90.+1).
„Ich muss das nicht immer haben. Aber wenn wir ein paar Spiele so gewinnen, nehmen wir das natürlich gerne“, sagte Nationalspieler Jonas Hofmann, ein anderer Protagonist des Ecken-Kuriosums, nach dem 15. Sieg im 18. Bundesliga-Spiel. Bereits beim Jahresauftakt gegen den FC Augsburg hatte Leverkusen in der Nachspielzeit das Siegtor erzielt. Schon jetzt ist der Werksklub fast bei der Punktzahl angelangt (50), die Leverkusen am Ende der vergangenen Saison gesammelt hatte.
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Josip Stanisic fällt ab
„Es gibt fast nichts Schöneres, als so ein Spiel kurz vor Schluss zu gewinnen, gerade gegen so ein Spitzenteam wie Leipzig“, sagte Granit Xhaka. „Es ist ein neues Gesicht dieser Mannschaft, dass wir trotz erster schwacher Halbzeit so zurückkommen und noch gewinnen können.“
Es hatte schlecht begonnen für Bayer 04. Gegen die gesammelte Leipziger Offensiv-Wucht um Xavi Simons, Lois Openda und Dani Olmo zeigte sich schnell, dass vor allem Josip Stanisic in der Dreierkette kein Eins-zu-Eins-Ersatz für die Afrika-Cup-Fahrer Odilon Kossounou und Edmond Tapsoba ist. Abwehrchef Jonathan Tah erwischte zudem vielleicht seine schwächsten Minuten der bisherigen Saison. Und Stürmer Patrik Schick ist, im Gegensatz zum verletzten Victor Boniface, niemand, der allein durch Körper- und Willenskraft reihenweise Abschlüsse produziert.
Nach sieben Minuten wurde Verteidiger Tah an der Strafraumkante von Benjamin Sesko ausgespielt, die folgende Flanke verarbeitete Xavi Simons mit zwei sensationellen Bewegungen und traf zum 1:0 für Leipzig. Es hätten weitere Tore für die Gastgeber fallen können, gerade im Bereich zwischen Dreierkette und zentralem Mittelfeld klafften immer wieder Lücken. Doch Bayer 04 rettete das Ergebnis mit etwas Glück und dank eines starken Lukas Hradeckys in die Pause.
„Nach der ersten Hälfte war schon das Gefühl da, dass einige das unterschreiben würden, wenn wir noch mit einem Punkt rausgehen. Der Trainer hat in der Pause alles richtig angesprochen und wir haben das gut umgesetzt“, sagte Hofmann. Xabi Alonso hatte den taktischen Nachteil erkannt und mit einer leichten Anpassung behoben. Fortan agierte Granit Xhaka als alleiniger Sechser vor der Abwehr und verlieh seiner Mannschaft die gewohnte Stabilität. „Inzwischen wissen wir, dass unsere Spielfreude schnell aufkommt, wenn wir viel Ballbesitz haben“, sagte Hofmann.
Nathan Tella steht goldrichtig
Kurz nach Wiederanpfiff folgte der erste richtig gute Leverkusener Angriff – und der Ausgleich. Nach einer schönen Kombination brachte Alejandro Grimaldo den Ball flach in Richtung des entfernten Pfostens in den Strafraum. Dort stand Nathan Tella, in der ersten Halbzeit für den verletzten Jeremie Frimpong ins Spiel gekommen, goldrichtig und traf zum 1:1 (47.).
Wenig später begann das Ecken-Kuriosum. Im ersten Akt zeigte Bayer 04 in Person von Hofmann und Exequiel Palacios, wie es unter keinen Umständen laufen sollte. Hofmann wollte die Standardsituation schnell und kurz ausführen, offenbar überzeugt davon, dass Palacios auf seine Idee eingehen würde. Doch witterte Xavi Simons die Variante, ging dazwischen und leitete einen Lehrbuch-Gegenstoß ein, den Openda nach wenigen Sekunden und Stationen zum 2:1 veredelte (56.). Es war Leverkusens erstes Konter-Gegentor der Saison – ein beeindruckendes Zeugnis der Ballsicherheit des Werksklubs unter Xabi Alonso.
„Die Mentalität, der Teamgeist, der Hunger, nie ein Spiel aufzugeben, egal wie schwer die Situation ist. Das zeichnet uns im Moment aus“, stellte Abwehrchef Tah fest. Der Nationalspieler war es auch, der zusammen mit Hofmann in der 63. Minute zeigte, wie Eckbälle im Idealfall aussehen sollen – Tah traf wuchtig per Kopf zum 2:2. Ein Punkt bei starken Leipzigern wäre selbst für einen Tabellenführer eigentlich kein Ergebnis, das Kopfschmerzen bereiten sollte. Doch die Werkself 2023/24 hat sich andere Ziele gesetzt.
Und sie belohnte sich für die Dominanz der zweiten Halbzeit mit einem weiteren Treffer nach einer Ecke. Diesmal war es Grimaldo, dessen Hereingabe von Verteidiger Hincapie mit einer entschlossenen Grätsche zum 3:2 über die Linie gedrückt wurde – und in Trainer Xabi Alonso für einige Augenblicke das spanische Temperament herauslockte.