Um zu wissen, wie es ist, wenn sich zwei Schweizer im Ausland treffen, muss man Schweizer sein; vermutlich recht unspektakulär. Man sieht sich, grüßt sich, wünscht sich das Beste und nimmt dem anderen nichts weg. So verlief, aus der Sicht von Nicht-Schweizern, am Samstag die Begegnung der Trainer Urs Fischer und Gerardo Seoane in der Alten Försterei von Köpenick. Union Berlin und Bayer 04 Leverkusen trennten sich 1:1. Jeder behielt, was er zu Spielbeginn in der Hand hatte – einen Punkt. Seoane, der neue Trainer von Bayer 04, ließ sich sogar zu dem Satz hinreißen: „Es hat Spaß gemacht.“
In den ersten Minuten seiner Bundesliga-Premiere hatte der 42-Jährige weniger gute Laune. Sie hatten zu den schlimmsten Befürchtungen Anlass gegeben. Die noch unfertige, von Verletzungen, Trainingsrückstände und Kaderumbrüchen geschwächte Mannschaft, gab den Berlinern durch Fehler gleich große Chancen. Der bullige Mittelstürmer Taiwo Awoniyi nutzte die Zögerlichkeit der Leverkusener Verteidigung nach sieben Minuten zur frühen Führung. Erst danach entschloss sich Bayer 04, aktiv am Spiel teilzunehmen, machte das aber so gut, dass es bereits fünf Minuten später 1:1 stand. Moussa Diaby hatte seine fantastische Geschwindigkeit und Körperbeherrschung dazu genutzt, die Berliner Verteidigung zu narren und zum Ausgleich einzuschießen.
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Danach erspielte sich eine Werkself, die in dieser Besetzung noch nie aufgelaufen war, eine deutliche Feldüberlegenheit, der jedoch das zweite Tor zum Glück fehlte. Viele Spieler der Startformation hatten wegen verschiedenster Turnierteilnahmen nur eine eingeschränkte Saisonvorbereitung absolviert. Vor diesem Hintergrund war die Spielhoheit gegen den zuvor seit 13 Heimspielen ungeschlagenen Berliner bis zur Pause fast schon überraschend. Urs Fischer sorgte allerdings dafür, dass es nicht so blieb. „Wir haben alles falsch gemacht“, urteilte er über die erste Halbzeit. Seine Halbzeitansprache zeigte Wirkung. Union kam extrem aggressiv aus der Kabine, hinterließ den ein oder anderen Stollenabdruck auf den Füßen der Gegenspieler und sorgte auch für Gefahrenmomente vor dem Leverkusener Tor. Am Ende ging beiden Teams die Struktur verloren, und man beeilte sich, von einem „gerechten Unentschieden“ zu sprechen. Keiner sah darin einen verlorenen Punkt. „Es war das erwartet tolle Erlebnis mit einer tollen Stimmung im Stadion“, sagte Gerardo Seoane, „ich gehe zufrieden nach Hause mit sicher noch einigen Aufgaben, die zu erledigen sind.“
Das war vielleicht auch ein dezenter Hinweis auf das Tätigkeitsfeld von Sportdirektor Simon Rolfes, der den Kader mit weiteren Transfers auffüllen wird. Vollzug steht hier unmittelbar bevor. Den ersten Hinweis darauf gab in Köpenick das Fehlen des Union-Charakterspielers Robert Andrich (26), der schon seit Wochen Einigkeit mit Bayer 04 über eine Zusammenarbeit von 2022 an erzielt haben soll, wenn sein Vertrag in Berlin ausläuft. Da Union bei aller Wertschätzung für den defensiven Mittelfeldspieler keine Lust hat, eine mögliche Ablöse zu verschenken, feilschen beide Parteien genau darum. Kein Wunder, dass sich Andrich für dieses heikle Spiel nicht im Kader wiederfand. Die Erklärungen gingen von „Adduktoren“ bis zu: „Hat sich nicht wohl gefühlt“. Berlins Manager Oliver Ruhnert erklärte jedoch unmissverständlich: „Wir müssen jetzt schnell eine Lösung finden.“
Im Fall des Ecuadorianers Piero Hincapié ist das bereits geschehen. Der 19-Jährige gilt seit Wochen als Wunschspieler von Rolfes für die Innenverteidigung. Vor der Copa América kannten ihn auch in Südamerika nur wenige Experten. Durch einen starken Turnierauftritt hat der Profi des argentinischen Klubs Atlético Talleres aus Córdoba seinen Marktwert verzehnfacht und wird für acht Millionen Euro wechseln. Er soll den Medizincheck in Leverkusen bereits absolviert haben. Ein Vertrag bis 2026 liegt bereit.
Damit wäre die Personalplanungen von Bayer 04 aber noch nicht abgeschlossen. Einerseits gilt ein Transfer des Linksverteidigers Wendell zu Benfica Lissabon (Ablöse rund fünf Millionen Euro) weiterhin als wahrscheinlich. Andererseits wird noch Ersatz für Außenstürmer Leon Bailey gesucht, der für 32 Millionen Euro plus Boni zu Aston Villa gewechselt ist. Da Bayer 04 die vergangene Saison mit einem Transferplus von mehr als 40 Millionen Euro abgeschlossen hatte, wird Geld nicht das größte Problem sein.