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Bayer-Stürmer nicht in KatarDas traurige Los des vergessenen Moussa Diaby

Lesezeit 4 Minuten

Moussa Diaby im Spiel gegen Stuttgart

Nationaltrainer Didier Deschamps lässt nach vielen Verletzungen seiner Top-Stürmer lieber einen Kaderplatz frei, als den formstarken Leverkusener bei der WM dabeizuhaben.

Wenn der amtierende Weltmeister am Dienstagabend mit dem Spiel gegen Australien (20 Uhr) seine Mission Titelverteidigung beginnt, wird ein Spieler fehlen, der diesem Traum alles untergeordnet hat. Moussa Diaby (22), Torjäger von Bayer 04 Leverkusen, ist von Frankreichs Trainer Didier Deschamps nicht nur einfach für die WM in Katar übergangen worden. Diese Entscheidung war bei der ersten Kaderverkündung angesichts des Übermaßes an Weltklasse, das dem Chef der französischen Auswahl zur Verfügung steht, noch einigermaßen plausibel.

Als sich dann aber Angreifer Christopher Nkunku von RB Leipzig schwer am Knie verletzte und Deschamps statt Diaby den viel unerfahreneren Frankfurter Aufsteiger Randal Kolo Muani nominierte, war das schon ein Schlag für Diaby, der in den Wochen vor der WM-Pause bei Bayer 04 zu überragender Form gefunden hatte. Als sich dann auch noch Torjäger Karim Benzema verletzte und ein weiterer Platz im Angriff frei wurde, traf Didier Deschamps eine spektakuläre Entscheidung: Er nominierte keinen Spieler nach und geht lieber mit einem unbesetzten Kaderplatz in dieses Turnier als mit Moussa Diaby.

Geschäftsführer Simon Rolfes spottet: "Wohl der Nation, die sich das leisten kann"

Leverkusen Sport-Geschäftsführer Simon Rolfes hat das, vorsichtig formuliert, sehr gewundert. Sein Kommentar zu diesem Vorgang liest sich schon fast spöttisch. „Wohl der Nation, die es sich leisten kann, auf solch einen guten Spieler zu verzichten, obwohl der Kader nicht voll ist“, sagte der frühere deutsche Nationalspieler dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Wenige wissen besser als er, wie viel die Weltmeisterschaft dem 23-Jährigen bedeutet, der die Enttäuschung während der WM bis zum Leverkusener Trainingsbeginn am 1. Dezember im Kreis seiner Familie in Paris erlebt. Rolfes hat für ihn nur einen Trost: „Vielleicht ergeben sich nach dieser WM im französischen Fußball Veränderungen und damit auch neue Chancen für Moussa.“

Die völlige Missachtung des schnellsten Spielers der Bundesliga (Spitzengeschwindigkeit über 36 km/h), der seit 8. Oktober sechs Tore für Bayer 04 erzielte und zwei vorbereitete und mit zwei spektakulären Treffern gegen Atlético Madrid auch in der Champions League überzeugte, kann nur mit einer persönlichen Abneigung des Trainers Didier Deschamps gegenüber Diaby erklärt werden. Vermutlich eine Strafe dafür, dass der Leverkusener mit einem geschätzten Marktwert von 50 Millionen Euro in seinen bisher acht Länderspielen unter dem Weltmeister von 1998 kein Tor erzielt hatte. Dabei hat Deschamps die Entwicklung der letzten Monate entweder verpasst oder ignoriert. „Moussa hat sich noch einmal stark verbessert. Das ist umso bemerkenswerter, als es in unserer sportlichen Krise geschah. Ohne ihn hätten wir die neun Punkte in den letzten drei Spielen nicht holen können“, sagt Rolfes.

Es war das persönliche Pech des Stürmers, dass sich sein Bekenntnis zu Bayer 04 im Sommer nicht ausgezahlt hat. Trotz konkreten Interesses aus der Premier League (unter anderem Newcastle United) wollte er beim Tabellendritten der letzten Bundesliga-Saison im gewohnten Umfeld bleiben, um mit starken Leistungen den Sprung in den WM-Kader zu schaffen. Im Gespräch mit dieser Zeitung erklärte Diaby im Trainingslager in Kaprun Ende Juli: „Genau das ist ein wesentlicher Teil meiner Überlegungen, bei Bayer Leverkusen zu bleiben. Ich kenne die Bundesliga, ich kenne den Fußball, der hier gespielt wird, ich werde im Klub anerkannt, ich kenne die deutsche Lebensweise, ich fühle mich in Deutschland wohl. Und das Wichtigste für einen Nationalspieler ist es, vor der Weltmeisterschaft regelmäßig zu spielen, damit er sich auch für den Kader qualifiziert. Dafür werde ich alles tun.“

Dann kam die große Krise des Werksklubs, der schlechteste Saisonstart seit 40 Jahren, der Absturz auf Platz 16 und die Entlassung von Cheftrainer Gerardo Seoane. Moussa Diaby geriet endgültig aus dem Blickfeld von Didier Deschamps, der mit französischer Sturheit an seinem Bann festhielt. Und jetzt ist Diaby der beste Spieler der Welt, der nicht bei dieser WM mitspielen darf, obwohl im Kader seines Landes noch ein Platz frei ist.