Trotz eines Sieges gegen den VfL Wolfsburg sieht Leverkusens Mittelfeldregisseur Granit Xhaka deutliche Defensivschwächen bei seiner Mannschaft. Vor dem Bundesliga-Topspiel ruft er zu ehrlicher Selbstkritik auf.
Leverkusener DefensivschwächeXhaka will Bayer 04 vor Duell mit FC Bayern wachrütteln
Granit Xhaka war auf einer Mission. Seine Leverkusener Mannschaft hatte gerade – mal wieder – die Nachspielzeit genutzt, um ein Fußballspiel zu gewinnen. Beim 4:3 gegen den VfL Wolfsburg schien es aber besonders unnötig, den Ausgang der Partie so aufs Spiel zu setzen. Bayer 04 war früh in Rückstand geraten, hatte die Partie dann rasch zum 2:1 gedreht, nur um den hart erarbeiteten Vorsprung wieder herzugeben und mit einem 2:3 in die Pause zu gehen.
Dass es am Ende noch gut ging, war dem Schweizer Nationalspieler egal und stand bei seiner Spielanalyse hinten an. „Mich interessiert der Sieg nicht. Mich interessiert, warum wir nicht kompakt spielen. Wir müssen hier jetzt nicht über die Nachspielzeit reden. Sondern wir müssen ehrlich miteinander sein, selbstkritisch genug: So reicht es nicht. Mir fehlt der letzte Biss, das Tor zu verteidigen“, sagte Xhaka mit strengem Blick und fester Stimme. „Es hat mit dem Kopf zu tun, ob man diesen Meter nochmal machen möchte oder nicht.“ Xhaka gab das sowohl in den Fernsehinterviews als auch später nochmal in der Mixed Zone für die schreibenden Medien zu Protokoll. Immer in der gleichen Tonalität. Sein Slogan: „Das war ein Riesen-Weckruf!“
Unter anderem dafür hat Bayer 04 den Mittelfeldregisseur vor einem Jahr verpflichtet. Schönfärberei gibt es nicht. Xhaka ist mit seinen 31 Jahren lange genug im Profifußball unterwegs, um zu wissen, wann man etwas öffentlich sagt und wann eher nicht. Am kommenden Wochenende steigt das Bundesliga-Topspiel beim FC Bayern München (18.30 Uhr, Sky). Xhaka ist klar, dass man dort mit den Defensivschwächen der vergangenen Wochen Probleme haben wird, Punkte mitzunehmen. „Viel zu einfache Gegentore“ monierte der Ex-Gladbacher. „Total korrekt“, bewertete Trainer Xabi Alonso die klaren Worte seines Führungsspielers.
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Zu viele Änderungen von Xabi Alonso
Alles andere als diese Einschätzung wäre auch schwierig gewesen. Zu offenkundig waren die Probleme, die Bayer 04 in der Rückwärtsbewegung hatte. Das Zentrum war nach Ballverlusten zu offen, hinzu kamen leichtsinnige Fehler und fehlende Aggressivität. „Wir waren zu soft“, betonte Alonso, der auch Fehler einräumte: „Ich weiß auch, was ich falsch gemacht habe, das werde ich aber nicht verraten.“ Womöglich wird der Erfolgscoach seine Umstellungen vor Spielbeginn reflektieren und zum Schluss kommen, dass es am Ende ein bisschen viel des vermeintlich Guten war. Auf fünf Positionen hatte Alonso seine Mannschaft im Vergleich zum 4:0-Sieg bei Feyenoord Rotterdam in der Champions League drei Tage zuvor personell verändert. Rotation gehört zu Alonsos Philosophie. „Wir brauchen alle“, sagt er immer wieder.
Allerdings kamen am Sonntagnachmittag zwei Aspekte zur personellen Umstellung hinzu. In Nordi Mukiele und Jeanuel Belocian feierten zwei Zugänge ihr Startelfdebüt in der Abwehr. Und in dieser Gemengelage veränderte der Spanier auch die Grundordnung – vom gewohnten 3-4-2-1 zu einem System mit Viererkette. Das alles schien etwas zu viel für eine Mannschaft, die bereits zuvor mit der defensiven Stabilität zu kämpfen hatte. Zur Wahrheit gehört aber auch: Der 19-jährige Belocian erwischte keinen guten Tag und der 26-jährige Mukiele, der als Leihgabe von Paris Saint-Germain bei Bayer unter Vertrag steht, wirkte völlig verunsichert. Ihm gelang nahezu nichts. Die beiden Franzosen wurden zur Halbzeit ausgewechselt.
Für Xhaka geht es nicht darum, mit dem Finger zu zeigen, er will vielmehr dafür sensibilisieren, dass jeder auf sich schaut. „Ich bin jemand, der sehr ehrlich zu sich ist. Ich hoffe, dass das auch die anderen sind“, sagte der Schweizer. „Es geht darum, sich an die eigene Nase zu fassen. So wie heute – mit den drei Gegentoren wie schon gegen Leipzig – reicht es nicht.“ Alonso rechnete vor: „Neun Gegentore in vier Spielen ist zu viel. Es ist das klare Ziel, dass unsere defensive Stabilität besser sein muss.“
Und auch der Abwehrchef ist gar nicht amüsiert über die derzeitigen Probleme beim Verteidigen des eigenen Tores. „Das stört mich extrem. Natürlich ist das nicht unser Anspruch. Wir müssen verstehen, dass mehr von uns kommen muss“, sagte Jonathan Tah: „Wir müssen in jedem Moment wach sein und dürfen nicht schlafen.“ Der kommende Gegner aus München istnicht nur drei Punkte voraus, sondern hat ein bereits um neun Treffer besseres Torverhältnis, musste den Ball bisher nur drei Mal aus eigenen Netz holen.
Bayern-Duell wird kleingeredet
Generell sind sie in Leverkusen darauf bedacht, das Duell mit dem Rekordmeister in den Köpfen nicht zu groß werden zu lassen. „Das ist nichts Besonderes“, sagte Sport-Geschäftsführer Simon Rolfes auf das Topspiel angesprochen. „Das interessiert uns nicht. Das ist ein normales Spiel“, sagte Xhaka. „Wir wissen, wie Bayern drauf ist und dass sie sehr viele Tore machen. Wir kennen ihre Stärken und Schwächen.“
Die größte Kampfansage kam ausgerechnet von Innenverteidiger Tah, der im Sommer um ein Haar von Bayer zu Bayern gewechselt wäre: „Wir wissen, zu was wir fähig sind. Und wir wollen natürlich mit einem Sieg nach Hause fahren.“ Allen in Leverkusen ist aber bewusst, dass diees Ziel nur mit einer kompakteren Defensive zu erreichen sein wird. Es wird sich zeigen, ob der „Riesen-Weckruf“ angekommen ist.