Sami Khedira sieht große Defizite bei der deutschen Nationalmannschaft. Trotzdem ist eine gute Heim-EM aus seiner Sicht möglich.
Nationalmannschaft in der KriseKhedira um DFB-Auswahl besorgt: „EM als Charaktertest“
Ex-Weltmeister Sami Khedira macht sich zehn Monate vor der Heim-EM große Sorgen um die deutsche Fußball-Nationalmannschaft, hat aber noch Hoffnung auf ein erfolgreiches Turnier. „Die EM ist ein Charaktertest“, sagte der 36 Jahre alte ehemalige Profi in einem Interview des „Kicker“.
In den nächsten vier Spielen gegen Japan, Frankreich, die USA und Mexiko gehe es darum, eine Mannschaft zu finden, die Charakter und Persönlichkeit habe, betonte der Weltmeister von 2014. „Und die das Bewusstsein entwickelt, für Deutschland spielen zu wollen und dafür alles auf dem Platz zu lassen. Gelingt das, bin ich davon überzeugt, dass wir im eigenen Land auch wieder eine Euphorie entfachen können.“
Khedira warnte jedoch: „Wenn wir aber glauben, dass wir die individuell besten Spieler des Landes auf den Platz bringen müssen, kann es schwer werden und böse enden.“ Von Bundestrainer Hansi Flick forderte der frühere Mittelfeldspieler, unabhängig vom Alter die Besten zu nominieren.
Sami Khedira: „Nationalmannschaft ist kein Experimentierfeld“
„Wir haben vor vier, fünf Jahren mit der Philosophie angefangen, den jungen Spielern teilweise zu einfach die Möglichkeit zu geben, A-Nationalspieler zu werden“, kritisierte Khedira. „Da wurden ältere Spieler auf einem Top-Niveau – wie Jérôme Boateng, Mats Hummels oder Thomas Müller – entsorgt, weil junge Spieler angeblich Platz zur Entfaltung benötigten. So etwas ist für mich ein fatales Zeichen.“ Eingeladen werden müssten die Besten. „Die Nationalmannschaft ist kein Experimentierfeld, um junge Spieler zu testen. Dafür haben wir eine U21“, stellte der 77-malige Nationalspieler fest.
Bestimmte Komponenten würden der Nationalmannschaft fehlen, dies sei in zehn Monaten bis zur EM auch nicht mehr hinzubekommen. „Es wird mehrere Jahre dauern, bis wir wieder eine entsprechende Nummer 9 bekommen. Und wenn ich auf unsere Außenverteidiger blicke und sie mit Philipp Lahm vergleiche, dann ist das einfach nicht das Niveau, das wir in Deutschland hatten und auch brauchen, um Spiele gegen andere Nationen zu dominieren“, erläuterte Khedira.
Sami Khedira über DFB-Engagement: Vorher sind grundsätzliche Dinge zu klären
Die Ausbildung sei überprofessionalisiert. „Es ist alles homogen strukturiert, dadurch bringt man nur die gleichen Spielertypen hervor“, bemängelte er. Den Spielern müsse transportiert werden: „Wir wollen jedes Spiel gewinnen, jede Flanke muss sitzen, jeder Kopfball, jeder Torabschluss. Das ist Leistungssport, und je früher ich das verinnerliche, desto schneller wird es zur Gewohnheit.“
Mit dem DFB hat Khedira laut eigener Aussage noch nicht konkret über ein mögliches Engagement als Sportlicher Leiter gesprochen. Anfang Juni war berichtet worden, Khedira und Trainer Hannes Wolf sollten bei DFB künftig als eine Art Doppelspitze die Sportliche Leitung bilden.
Grundsätzlich sei eine Aufgabe beim DFB für ihn jedoch attraktiv, vor allem, weil er „dem DFB viel zu verdanken und mit ihm sehr große Erfolge gefeiert habe“. Khedira ist als Spieler in der Bundesliga mit dem VfB Stuttgart Meister geworden, zuletzt arbeitete er für den Verein als Berater.
Bevor es zu einer Zusammenarbeit mit dem DFB kommt, beabsichtigt Khedira grundsätzliche Dinge zu klären: „Das Wichtigste ist, mit welchem Team und in welcher Struktur ich arbeiten kann. Und welche Kompetenzen ich habe, um den Erfolg zu garantieren“. Dies seien die beiden Kernpunkte, die für ihn ausschlaggebend seien. Denn: „Erfolg ist ein Stück weit planbar, Misserfolg ebenso“, so der ehemalige Mittelfeldspieler. (dpa)