Geringe Prämien, fehlende finanzielle Absicherung: Die Kritik am Sportfördersystem ist groß. Ab 2025 soll sich einiges ändern, doch nicht alle sind begeistert.
Sporthilfe ändert FördersystemSo soll Deutschland wieder zur Top-Sportnation werden
Hierzulande Leistungssportlerin oder Leistungssportler zu sein, das machen die meisten nicht fürs Geld. Die finanzielle Anerkennung von Spitzenleistungen in Deutschland sei „traurig und bitter“, sagt Max Rendschmidt, vierfacher Kajak-Olympiasieger aus Niederkassel.
Er ist nicht der einzige, der sich über die deutschen Förderstrukturen beschwert. Noch während der Olympischen Spiele in Paris zog Schwimm-Weltmeisterin Angelina Köhler einen Vergleich zum Reality-TV: „Ich finde, es kann nicht sein, dass Leute beim ‚Sommerhaus der Stars‘ 50.000 Euro gewinnen und Athleten, die eine Goldmedaille bei Olympischen Spielen gewinnen, nur 20.000 Euro“, kritisierte sie.
Noch dazu, erzählt Rendschmidt, bleibe von der Gold-Prämie weniger als ein Drittel übrig – etwa 6000 Euro seien es seinen Berechnungen zufolge, unter anderem durch Abzug von Steuern.
„Luft nach oben“ – Athletenvertreterin Krüger kritisiert finanzielle Wertschätzung
Auch Léa Krüger, Kölner Fechterin und Präsidiumsmitglied der unabhängigen Athletenvertretung Athleten Deutschland, sieht Verbesserungspotenzial: „Da ist noch viel Luft nach oben. Wir haben alle erlebt, wie toll die Atmosphäre bei den Olympischen und Paralympischen Spielen war“ – auch in Deutschland, sagt sie. Bei den Athletinnen und Athleten komme diese Art der Wertschätzung aber kaum an, „schon gar nicht finanziell“.
Neben der Honorierung von olympischen und paralympischen Sportlerinnen und Sportlern sorgte auch die deutsche Erfolgsbilanz in Paris für Unzufriedenheit. „Platz zehn beziehungsweise elf im Medaillenspiegel wird nicht dem Anspruch gerecht, den wir als Sportnation haben sollten“, sagt etwa Karin Orgeldinger. Sie ist Vorstandsmitglied bei der Deutschen Sporthilfe – der Stiftung, die sich bundesweit für die unmittelbare Athletenförderung verantwortlich zeichnet.
Mit einem über drei Jahre erarbeiteten neuen Fördersystem will die Deutsche Sporthilfe nun ihren Teil dazu beitragen, den Negativ-Trend zu stoppen. In Kraft treten die Änderungen am 1. Januar 2025.
Das wird sich für deutsche Sportlerinnen und Sportler ab 2025 ändern
Neu sind dabei unter anderem ein stärkerer Leistungsbezug, einheitliche Strukturen für verschiedenste Sportarten, sowie eine verstärkte Förderung von Alumnis, also denjenigen, die ihre Karriere gerade beendet haben.
Eine erhebliche Veränderung ergibt sich zudem durch einen intensivierten Nachwuchsfokus. Diesen forderten zuvor auch die Sportlerinnen und Sportler selbst, das berichtet Léa Krüger, die gemeinsam mit anderen Externen in die Planungen involviert war. „Das Hauptargument war: Wir brauchen Nachwuchs, um konkurrenzfähig zu sein, zu bleiben und zu werden. Wenn von der Basis nichts nachkommt, können wir auch in der Spitze nicht weiterkommen.“
Das sagt auch Max Rendschmidt. Der Kajakfahrer ist schon lange Teil des Systems. Trotz seiner Erfolge sehe er die Baustellen des deutschen Sports. „Wenn der finanzielle Anreiz, Leistung zu erbringen, nicht da ist, kommen immer weniger junge Leute nach. Ich nehme mal an, dass es in Zukunft noch schwieriger sein wird, Medaillen zu gewinnen, einfach, weil der Nachwuchs fehlt.“
Umverteilung der Mittel: Polizei, Sportsoldatinnen und -soldaten machen Einbußen
An diesem Punkt setzt die Deutsche Sporthilfe nun an. Rund 2300 Nachwuchskaderathletinnen und -athleten aus dem Talent-Team erhalten ab dem kommenden Jahr tendenziell mehr Geld. Die Rede ist von einer Grundförderung in Höhe von 100 Euro monatlich. Bei entsprechenden Leistungen kann der Betrag um zusätzliche 200 Euro pro Monat angehoben werden.
Dafür muss aber an anderer Stelle gekürzt werden. Denn trotz Generalüberholung erhöht sich nicht etwa die Summe, die für die Unterstützung der insgesamt 4000 Athletinnen und Athleten zur Verfügung steht.
Das Förderbudget – 2024 wird es laut eigenen Angaben circa 23 Millionen Euro betragen – wird lediglich umverteilt. Die Grundförderung von rund 1200 Athletinnen und Athleten, die eine Sportförderstelle innehaben, wird in dem Zuge um jeweils 150 Euro monatlich auf 250 Euro beziehungsweise 150 Euro monatlich reduziert. Finanziell seien sie ansonsten über ihren Arbeitgeber abgesichert.
2024: Voraussichtlich rund 23 Millionen Euro für deutsche Kaderathletinnen und -athleten
Kaderathletinnen und -athleten ohne Förderstelle, die beispielsweise studieren, kommen ab 2025 wie zuvor auf einen monatlichen Grundbetrag von 700 beziehungsweise 800 Euro. Außerdem wird eine Altersvorsorge in Höhe von 250 Euro durch das BMI gezahlt. Bei entsprechenden Erfolgen kommen Eliteförderprogramme obendrauf – bis zu 1400 Euro. Bei Polizistinnen und Soldaten ist die Summe auf 650 Euro monatlich begrenzt.
Obwohl die meisten Betroffenen laut Sporthilfe „sehr solidarisch die Notwendigkeit sehen, dass der Nachwuchs früher finanziell gefördert werden muss“, schmerzen die Einbußen. „Für uns Topsportler ist es natürlich nicht so Bombe, dass uns Gelder gestrichen werden“, sagt Bundespolizist Rendschmidt. Gerade für diejenigen, die ohne private Sponsoren auskommen müssen, sei die Kürzung ein Rückschlag. Besser wäre es, wenn niemand Abstriche hinnehmen müsste.
11,3 Millionen Euro Steuergelder fließen in die direkte Athletenförderung
Die finanziellen Möglichkeiten bemängelt auch Léa Krüger. „Wir reden davon, dass die Sportlerinnen und Sportler Deutschland repräsentieren“, sagt die Athletenvertreterin. Da stelle sich die Frage, welchen Stellenwert der Sport in der Gesellschaft eigentlich einnehme.
Der Status quo sieht so aus: 11,3 Millionen Euro des Sporthilfe-Förderbudgets stammen aus öffentlichen Mitteln durch das BMI. „Diese fließen eins zu eins direkt an die geförderten Athletinnen und Athleten weiter“, so die Stiftung. Der Rest der rund 23 Millionen Euro werde größtenteils privatwirtschaftlich durch Fundraising erwirtschaftet.
Natürlich ist das nur ein kleiner Teil des gesamten Sportfördervolumens, das in Deutschland fließt. Wenn sich das Land aber wieder einen Namen als Sportnation machen soll, „müssen wir uns mit allen Akteuren – dem Bund, aber auch Sponsoren und der freien Wirtschaft – darüber Gedanken machen, wie viel wir bereit sind, in den Sport zu investieren“, so Krüger.
Nachwuchs gewinnen, Sporthallen und -plätze bauen, „das ist die unverzichtbare Basis, so kann etwas entstehen. Soziale und finanzielle Reize helfen, um international die Konkurrenzfähigkeit zu sichern“.