Köln – 70 Jahre – Jubiläum oder doch nur runder Geburtstag? Beim SC Fortuna Köln werden am heutigen Jahrestag der Vereinsgründung am 21. Februar 1948 allenfalls leise die Sektgläser klingen. Gefeiert wird erst Anfang März, doch auch das wird keine rauschende Gala. Die Vereinshistorie des Südstadtklubs ist geprägt vom Aufstieg aus den Niederungen des lokalen Amateurfußballs bis in die Bundesliga, aber eben auch durch den Absturz bis fast nach ganz unten zurück. Momentan zeigt die Kurve wieder nach oben.
Im Gründungsjahr 1948 prägten noch Trümmerwüsten das Stadtbild an vielen Stellen. Es gab Lebensmittelrationen und einen Schwarzmarkt, der im Sommer desselben Jahres mit der Währungsreform zum Erliegen kam. Eine Zeit, in der den Menschen nichts anderes übrig blieb, als enger zusammenzurücken. Wenn man so will, handelten die Gründer des SC Fortuna Köln eher der Not gehorchend.
In der Kantine der Berlin-Anhaltinischen Maschinenbau AG – kurz: Bamag – an der Alteburger Straße hoben einige Dutzend Herren den neuen Fußballverein aus der Taufe. Der in der Südstadt nahe dem Volksgarten beheimatete SV Victoria, der Bayenthaler SV und der ebenfalls in Bayenthal verwurzelte Sparkassen SV vereinigten sich zum SC Fortuna Köln. Die Farben waren schwarz-gelb. Noch in der Nacht nach der Vereinsgründung nähten Spielerfrauen ein „F“ auf die Spielerhemden. Niemand kann heute mehr genau sagen, warum sich die Gründer für „Fortuna“ als Patronin entschieden.
Die Fortunen kickten auf dem von Bombenkratern befreiten Platz an der Schönhauser Straße nahe dem Rheinufer, wo vorher die Bayenthaler und der Sparkassen SV ihre Spiele ausgetragen hatten. Die Zuschauer – das waren auch schon mal um die 10.000 – standen auf Schuttwällen, die man um das Spielfeld herum aufgeschichtet hatte. Ab Mitte der 1960 Jahre war das Stadion Radrennbahn in Müngersdorf Heimat der Fortuna. Von 1978 an nutzt der Verein das Südstadion und die zugehörige Bezirkssportanlage.
Der Aufstieg der Fortuna bis in den deutschen Profifußball ist eng mit der Person Jean Löring verknüpft. Entscheidend prägte er den Klub, nachdem er zunächst 1958 das Training der bis in die Landesliga abgesackten ersten Herrenmannschaft übernahm und wenig später die Geschäfte des ganzen Vereins. 1973 schließlich hatte Jean Löring mit seinem „Vereinche“, das inzwischen die Kölner Stadtfarben Rot-Weiß angenommen hatte, das selbst gesteckte Ziel erreicht: Bundesliga. Der Aufstieg wurde in der Südstadt mit Karneval im Sommer gefeiert. Die Kicker wurden im offenen Oldtimer-Omnibus über die Severinstraße kutschiert. Schon 1974 folgte der bittere Abstieg.
Neun Jahre vergingen bis zum nächsten großen Achtungserfolg: Pokalfinale 1983. Es ging verloren, 0:1, ausgerechnet gegen den 1. FC Köln. Wiederum drei Jahre später, im Sommer 1986 klopfte Kölns scheinbar ewige Nummer Zwei erneut ans Tor zur ersten Liga. Nach einem 2:0-Sieg im Hinspiel der Relegation gegen Borussia Dortmund bedeutete die erst Sekunden vor dem Spielende besiegelte 1:3-Niederlage im Westfalenstadion ein drittes, entscheidendes Spiel – das mit 0:8 verloren ging. Bitter aus Kölner Sicht: Auswärtstore, wie im Europapokal zählten erst vom darauffolgenden Jahr an auch in Relegationsspielen doppelt.
Jean Löring feuert Toni Schumacher in der Halbzeit
Nicht von ungefähr empfanden es viele Fortunafreunde als späten Ausgleich für die Tragik von 1986, dass ausgerechnet ein einziges auswärts erzieltes Tor – noch dazu Sekunden vor dem Schlusspfiff – bei der Aufstiegsrelegation gegen die Bayern-Amateure am 1. Juni 2014 die Rückkehr in die dritte Liga und damit den Profifußball sicherte.
Vor diesem Erfolg in München hatten Verantwortliche und Anhänger des Vereins eine fast 15 Jahre währende Leidenszeit durchleben müssen. Am Ende der Saison 1999/2000 war der SC Fortuna Köln nach 26 Jahren aus der Zweiten Fußballbundesliga abgestiegen. Denkwürdigstes Ereignis dieser Spielzeit: Der fristlose Rauswurf des damaligen Trainers Harald Schumacher. Präsident Jean Löring setzte dem Coach in der Halbzeitpause eines Spiels den Stuhl vor die Tür.
Löring, damals schon schwer erkrankt, erlebte auch mit seinem Unternehmen bald darauf einen wirtschaftlichen Niedergang. Fast folgerichtig ging es auch mit Fortuna bergab. Drei Insolvenzen zwischen 2002 und 2005 wurden mit Hängen und Würgen überstanden. Tragischer Tiefpunkt in dieser Phase: Jean Lörings Tod am 6. März 2005. Sportlich ging es bis hinunter in die Verbandsliga Mittelrhein.
Oft belächelt wurde in dieser Zeit die Treue von wenigen hundert hartgesottenen Fans, die immer noch zu Heim- und Auswärtsspielen pilgerten. Darunter die Fortuna Eagles, Deutschlands älteste Ultra-Gruppierung, aber auch die „Schäng Gäng“, deren Name nicht ganz zufällig wie das englische „Chain-Gang“ – aneinandergekettete Strafgefangene klingt. Der Fanclub „SC Mülltonn“ blieb in allen Phasen seinem Motto treu: „Der Sportclub bleibt entspannt“
Allmählich aufwärts ging es erst vom Jahr 2008 an. Ein ungewöhnliches Fanprojekt namens „Dein Fußballclub“, bei dem die Mitgliedschaft gleichrangig mit einem Manager- und Co-Trainerposten sein sollte, brachte dem Klub wieder mehr Aufmerksamkeit. Ob die Aufstiege 2008 in die NRW-Liga und 2012 in die Regionalliga mit dem inzwischen eingestellten Projekt sonderlich viel zu tun hatten, darf angezweifelt werden. Gleichwohl: Die Verpflichtung des seit 2011 amtierenden Cheftrainers Uwe Koschinat war nicht ohne Fan-Zustimmung möglich. Und: Michael W. Schwetje, der heutige Investor und Geschäftsführer der in eine Spielbetriebs-Gesellschaft ausgegliederten Profi-Abteilung, kam erst durch das Fanprojekt mit dem Verein in Berührung.
Viele verbinden Fortunas Rückkehr ins Rampenlicht des Fußballs eher mit dem Namen Klaus Ulonska. Der ehemalige ASV-Sprinter war von 2006 bis zu seinem plötzlichen Tod am 14. März 2015 an der Spitze des Vereins. Er setzte alles daran, den Verein so weit wie möglich innerhalb der Stadt zu vernetzen, um so die wirtschaftliche Basis möglichst breit aufzustellen. Vielleicht der entscheidende Unterschied zwischen dem heutigen Verein und dem der Löring-Ära. Nachfolger von Klaus Ulonska als Präsident wurde Hanns-Jörg Westendorf.
Nach wie vor hat der Südstadt-Klub eine der größten Jugendabteilungen im deutschen Fußball. Mehr als 500 Kinder und Jugendliche kicken in 27 Mannschaften. Zudem gibt es im Verein eine Frauenfußballabteilung sowie eine Handballabteilung.