Rote Partymeile auf dem HeumarktSo haben belgische Fans in Köln den Sieg gegen Rumänien erlebt

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Belgische Fas ärgern sich über eine verfehlte Chance.

Arnaud (links, hat die Hand auf dem Kopf) mit seinen Freunden aus Charleroi.

Von überschwänglicher Freude ist bei den belgischen Fans am Heumarkt am Ende nichts zu sehen. Gefeiert wurde aber trotzdem.

Nach dem Schlusspfiff weicht die Anspannung aus den meisten Gesichtern der Fußballbegeisterten am Kölner Heumarkt. Für die Anhänger einer Mannschaft ist jetzt Party angesagt. Vor dem „Gilden im Zims“ setzt ein wildes Trompeten-Orchester ein. Dirigiert wird es von Fußballfans in Rot. Nach einem miserablen Start in die EM-Gruppenphase sind die Belgier einem frühen Ausscheiden aus dem Turnier am Samstagabend entkommen.

Köln: Belgische Fans zum Public Viewing am Heumarkt

Mereille, Vincent, Julien und Fred sind extra aus Lüttich angereist, um das Spiel ihrer Belgier gegen Rumänien in Köln zu sehen. Tickets für das Rhein-Energie-Stadion haben sie keine mehr bekommen. Dafür sitzen sie jetzt gemütlich mit Pizza und Bier in der L’Osteria unweit des Gürzenich. Trotzdem ist die Stimmung in der Gruppe im Vorfeld angespannt. Zu sehr enttäuscht haben die standesgemäß hoch eingeschätzten Belgier im Auftaktspiel gegen die Slowakei. Aber die vierköpfige Gruppe ist sich vor Anpfiff einig: „Belgien gewinnt mit 2:0!“.

Belgische Fans sitzn an einem Tisch zusammen und schauen das Spiel auf der Leinwand.

Mereille, Vincent, Julien und Fred sind extra aus Lüttich angereist.

Und es geht tatsächlich gut los für den deutschen Nachbarn. Ein Großteil der Gäste der L’Osteria hat sich kaum hingesetzt, da stehen sie auch schon wieder. Youri Tielemans hatte in der zweiten Spielminute trocken eingenetzt. Es folgen: Ausgelassene Jubelschreie und Freudentänze bei den Fans der „Roten Teufel“ in der Kölner Innenstadt.

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Heumarkt Köln: Belgische Fans sind bis zum Ende skeptisch

Ein paar hundert Meter weiter ist es noch lauter und enger. Die Fanzone am Heumarkt ist voll, keiner kommt mehr rein. Trotzdem tummeln sich vor den Absperrgittern im Eingangsbereich hunderte Fans, die ebenfalls einen Blick auf die großen Leinwände erhaschen wollen, auf denen De Bruyne, Lukaku und Co zu sehen sind. Die meisten von ihnen sind Belgier. Viele von ihnen sind auf die umliegenden Restaurants und Kneipen ausgewichen.

Dort steht auch Arnaud, der mit sechs Freunden aus Charleroi angereist ist. Trotz des frühen 1:0 wirken sie skeptisch. Vorsichtig nippen sie am Bier, während sie gebannt auf einen Fernseher vor dem „Gilden im Zims“ starren. „Wir haben keine großen Erwartungen. Das letzte Spiel war schwer und dieses wird genauso schwer werden. Wir hoffen einfach auf ein besseres Ergebnis als letztes Mal“, sagt Arnaud. Von Euphorie keine Spur, die Sachlichkeit regiert. In der 29. Minute vergibt Kevin de Bruyne einen Freistoß. Nicht mal ein Achselzucken ist auszumachen: „Der funktioniert im Verein halt einfach besser als im Nationalteam“, erklärt Arnaud.

Belgische Fans stehen an einem Stehtisch und schauen das EM-Spiel.

Arnaud mit seinen Freunden aus Charleroi.

Als die erste Hälfte vorbei ist, scheint die Geduld einiger vor der Fanzone am Ende zu sein. Nach einer kleinen Auseinandersetzung mit anschließender Aussprache geben sich Ordner und Fußballbegeisterte die Hand und lachen. Doch nur wenige Minuten später hat die Polizei vor den Toren der Fanzone einen mutmaßlichen Krawallmacher umstellt, der jetzt auf dem Boden kauert. Die Präsenz der Einsatzkräfte hat sich zu Beginn der zweiten Halbzeit spürbar erhöht. Mit Erfolg: Ab jetzt bleibt die Fußballparty friedlich.

Umso schleppender verläuft der Start in die zweite Halbzeit. Viel Ballgeschiebe zwischen Belgien und Rumänien. In der 55. Minute befreit sich eine Gruppe von belgischen Fans aus dem Stimmungstief mithilfe einer Trompete. Dazu wird fröhlich im Kreis gehüpft. Die Bemühungen scheinen sich in der 64. Spielminute auszuzahlen. Romelu Lukaku schiebt zum vermeintlichen 2:0 ein. Jetzt kennt der Jubel keine Grenzen mehr – solange, bis der Videoschiedsrichter das Tor wenige Sekunden später wieder aberkennt. Abseits.

Belgische Fans im Stimmungstief

Eine skurrile Szene gibt es im Anschluss daran, als ein belgischer Fan mit einem übergroßen weißen Blasinstrument aus dem „Gilden im Zims“ rennt und die Stimmung wieder ankurbelt. Derweil versucht eine vierköpfige Gruppe an einem Stehtisch einen Song mit dem Titel „Wir sind alle belgische Jungs“ berühmt zu machen. Nachdem keiner mit einsteigt, geben die jungen Männer auf. „Dann sind wir jetzt halt für Rumänien.“

Nun sind jegliche Gesänge für quälend lange zehn Minuten verstummt. Die Party scheint vorbei zu sein – bis in der 80. Minute plötzlich Jubelschreie aus der Ferne zu vernehmen sind. Der Verzögerung der TV-Bilder sei Dank wissen auch schon am Heumarkt die meisten, worauf sie sich gleich einstellen können. Niemand ist hier mehr überrascht, als Kevin De Bruyne kurze Zeit später zum 2:0 trifft.

Diesmal zählt das Tor. Da die Rumänen dem nichts mehr entgegenzusetzen haben, verwandelt sich der Heumarkt endgültig in eine rote Partymeile. Die belgische Gruppe aus Charleroi ist erleichtert. „Den Sieg werden wir hier jetzt erst einmal kräftig feiern.“ Doch zu überschwänglich freuen sie sich nicht, denn: „Bald steht auch schon das nächste Spiel an.“

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