- Die DFL hat den 36 Bundesligisten einen Leitfaden zugeschickt, auf dessen Grundlagen Konzepte zur Rückkehr von Fußballfans in die Stadien erarbeitet werden sollen.
- Die Vereine stehen vor einer Herkulesaufgabe – denn es gibt vielfältige Problemfelder.
- Alle Tickets wären personalisiert, Alkohol verboten – und die Anreise mit Bus und Bahn unerwünscht.
Köln – Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) hat den 36 Bundesliga-Klubs einen Leitfaden zur Erarbeitung individueller Strategien für die Zulassung von Publikum in den Stadien zugeschickt. Heißt das, dass die Bundesliga im September wieder mit vollen Stadien beginnt?
Nein. Dafür gibt es noch keine Garantie. Es handelt sich bei dem Schreiben um eine Arbeitsgrundlage, auf deren Basis die Klubs mit den Gesundheitsämtern individuelle Lösungen finden müssen.
Was ist die wichtigste Voraussetzung für die Zulassung von Zuschauern?
Das Infektionsgeschehen. Die DFL hat definiert, wie sie sich das vorstellt. Bei mehr als 35 Neuinfektionen pro Woche und 100.000 Einwohnern sollen keine Zuschauer zugelassen werden. Im Bereich von 5 bis 35 Neuinfektionen sollen Zuschauer unter „zu definierenden Auflagen“ zugelassen werden. Bei weniger als 5 Neuinfektionen heißt es: „Sukzessive Rückkehr zum Normalbetrieb in lokaler Abstimmung zwischen Klub und den lokalen Gesundheitsämtern.“ Versehen wird das aber mit weiteren Einschränkungen. Neben der 7-Tage-Inzidenz müsse auch die Dynamik und die absolute Infektionszahl berücksichtigt werden. Und das nicht nur in der Stadt des Vereins selbst, sondern auch an allen angrenzenden Landkreisen in enger Zusammenarbeit mit den Gesundheitsämtern.
Was hieße das, wenn morgen ein Bundesliga-Wochenende wäre?
Überall wären theoretisch Spiele vor Publikum möglich, aber an fast allen Standorten mit deutlichen Einschränkungen. Köln liegt derzeit etwa bei 8 Neuinfektionen pro Woche und 100.000 Einwohnern, die meisten der angrenzenden Landkreise unter 5. Eine Ausnahme ist Leverkusen bei etwa 9. Zum Vergleich: Mönchengladbach und Dortmund weisen einen Wert von etwa 7 auf, München von etwa 6, Berlin knapp 5, Leipzig und angrenzende Landkreise unter 1. Die allermeisten Bundesliga-Klubs befinden sich also in dem Bereich, für den eine individuelle Lösung mit hartem Abstandsgebot gefunden werden muss. In der Nähe des kritischen Wertes 35 ist keiner.
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Kann man etwa sagen, welche Kapazität bei einem Spiel in Köln oder Leverkusen Stand jetzt möglich wäre?
Das kann niemand, denn der zweite nicht verhandelbare begrenzende Faktor ist die Einhaltung des Mindestabstandes von 1,5 Meter vor, während und nach dem Spiel.
Wie sollen diese Abstände garantiert werden?
Auf den Tribünen ist das mit speziellen Platzanordnungen noch am einfachsten. Die DFL hat den Klubs beispielhaft Sitzplatzmuster für eine Auslastung von 33,3 Prozent, 44,4 Prozent, 50 Prozent und ein Stehplatzmuster für eine Auslastung von 12,5 Prozent geschickt. Problematischer sind Einlass, Auslass und Anreise. Staus, Schlangen und Aufeinandertreffen von Menschenmengen sollen verhindert werden. Die Geschwindigkeit, mit der Zuschauer im Mindestabstand beim Einlass abgefertigt werden können, wird maßgeblich über die zugelassene Stadionkapazität entscheiden. Es wird eine individuelle Anreise mit Pkw, Fahrrad oder fußläufig angestrebt. Menschenmengen im ÖPNV sollen vermieden werden. Wie der Abstand in einem Stehplatzbereich eingehalten werden soll, zum Beispiel in emotionalen Momenten, ist aber ebenso ungeklärt wie die Frage von Familien und Kleingruppen, die ja im öffentlichen Raum schon wieder gemeinsam auftreten dürfen. Wie werden sie definiert? Wie dürfen sie sitzen? Das weiß noch niemand.
Müssen Zuschauer beim Ticketkauf ihre Personalien hinterlegen wie zum Beispiel Gäste bei einem Restaurantbesuch?
Da verweist die DFL auf die Gesetze des jeweiligen Bundeslandes. In NRW bedeutet das nach geltendem Recht: Personalisierter Ticketverkauf. Da Ultras und viele organisierte Fan-Gruppen das kategorisch ablehnen, wird das voraussichtlich ihr Fernbleiben zur Folge haben, denn die Nachvollziehbarkeit von Infektionsketten wird bei der Zulassung von Großveranstaltungen ein entscheidendes Kriterium sein.
Was geschieht, wenn wie zu erwarten die Ticketnachfrage das vermutliche Angebot übersteigt? Und was ist mit Dauerkarten?
Dafür hat die DFL den Klubs nur Vorschläge gemacht. Es ist nicht vorstellbar, dass es Lösungen geben wird, die alle zufriedenstellen. Die Vereine sind mit dieser Herkulesaufgabe ziemlich auf sich allein gestellt und werden mit der Unzufriedenheit der Fans umgehen müssen, auch wenn sie nur Vorgaben erfüllen, die ihnen die DFL und die Gesundheitsämter machen. Auch ist Stand heute ungeklärt, ob Auswärts-Fans zugelassen werden oder nicht.
Was erwartet, Stand jetzt, einen Stadionbesucher bei einem Spiel unter Corona-Bedingungen?
Mit Sicherheit kann man sagen: Es wird mit dem bekannten Stadionerlebnis wenig zu tun haben. Zunächst muss man das Glück haben, an eine der Eintrittskarten zu kommen. Nach einer vermutlich individuellen Anreise und einem noch strenger geregelten Einlass mit Maske wird man sich in einem maximal halbvollen Stadion ohne Alkohol wiederfinden, in dem jede Gruppenbildung nicht gewollt ist. Gemeinsame Gesänge und Choreos sind unerwünscht, bzw. unmöglich. Und selbst ein Ticket wird nicht verhindern können, dass ein regionaler Corona-Ausbruch den Stadionbesuch möglicherweise in letzter Minute verhindert, weil die Behörden ein Zuschauerverbot verhängen. Die vor Corona bekannte Normalität wird erst wieder mit einem wirksamen Impfstoff möglich sein.