Am 15. Juli öffnet sich das Transferfenster. Die Wechselperiode ist aufgrund der Corona-Krise diesmal ungewöhnlich lang.
Viele Vereine sind noch sehr zurückhaltend, nur die absoluten Top-Klubs wickeln Transfers ab. Die ließen allerdings aufhorchen.
Im Interview spricht der langjährige Bundesliga-Manager Christian Heidel darüber, welche Auswirkungen die Krise auf den Profifußball hat und warum ihn das Cas-Urteil zu Manchester City doch verwundert.
Herr Heidel, Sie waren 28 Jahre als Manager tätig und haben etliche Transfers getätigt. Am Mittwoch beginnt die reguläre Wechselperiode. Sie steht unter dem Einfluss der Pandemie und sie dauert bis zum 5. Oktober an. Wird Corona den Transfermarkt verändern?
Kurzfristig ist das doch schon der Fall, mittel- oder langfristig könnte es wieder ganz anders aussehen. Fakt ist, dass bisher fast nichts passiert ist. Ich kann mich nicht erinnern, dass es zu diesem Zeitpunkt schon mal so wenige Wechsel gab. Das hängt natürlich mit den wirtschaftlichen Unwägbarkeiten in dieser Krise zusammen. Viele Vereine sind aufgrund der geringeren Einnahmen wesentlich zurückhaltender als in den letzten Jahren, warten ab und benötigen erst einmal Transfererlöse, um Defizite auszugleichen. Die Budgets sind kleiner, das wirkt sich auch auf die Gehälter aus.
Bei ein paar Top-Klubs ging allerdings das Transfergebaren am Ausnahmetag am 1. Juli schon munter weiter.
Das betrifft die Vereine, die nicht unbedingt von den Einnahmen aus dem Fußball abhängig sind. Chelsea oder Manchester City müssen nicht erst das Geld verdienen, um es ausgeben zu können. In der Bundesliga nimmt der FC Bayern eine Sonderrolle ein – auch wenn Bayerns Transfer von Leroy Sané die Hälfte des Volumens hat, von dem man einst ausgegangen ist. Von Investoren und Geldgebern geführte Klubs sind jetzt klar im Vorteil. Auch Hertha BSC verfügt über frisches Geld und wird in dieser Transferperiode sicherlich noch von sich reden machen.
Wann könnte sich auch bei den meisten anderen Klubs etwas bewegen?
Erst nach dem Saisonende vieler Ligen und durch die ersten Wechsel. Dann kommt wieder Geld in den Kreislauf, und das Transfer-Karussell fängt wieder an zu drehen. Die Bundesliga beginnt aber erst in zwei Monaten wieder. Und wenn die ersten Spiele gespielt sind, dann wird sich noch einmal was tun – das war ja auch in den Vorjahren immer so.
Wird die Krise einen langfristigen Effekt auf Ablösen und Gehälter haben?
Da bin ich doch eher skeptisch. Wir sind zwar in einer großen Abwartesituation, keiner weiß, wie sich die Pandemie entwickelt und wann wieder und vor wie vielen Zuschauern gespielt werden kann. Doch sollten die Einnahmen wieder fließen, läuft der Markt auch an und dann wird sich bei den Ablösen und Gehältern nicht so viel verändern wie viele jetzt glauben – auch wenn ich mir selbst das wünschen würde. Ich bin aber ein Gegner der großen Kritiker des Profifußballs, die überhaupt kein Verständnis dafür haben, dass einige Klubs in wirtschaftliche Zwänge oder Not geraten sind. Wer so agiert, der ist ahnungslos. Soll denn der Profifußball eine Ausnahme in der gesamten Wirtschaft sein? Durch Corona sind die Einnahmen von heute auf morgen weggebrochen, damit konnte keiner rechnen geschweige denn planen. Um vielleicht in Zukunft auf ähnliche Ereignisse vorbereitet zu sein, könnte man höchstens überlegen, einen Teil der TV-Gelder einzubehalten.
Über eine Verteilung der TV-Gelder wird im Zuge des Wettbewerbsgedankens in Deutschland oft diskutiert. Müssen sie gerechter verteilt werden?
Ich weiß, viele würden sich mal wieder einen anderen Meister als Bayern wünschen. Doch es ist schwer vorstellbar, dass die erfolgreichen Bayern eine Umverteilung akzeptieren würden. Das ginge auf die Kosten ihrer internationalen Ambitionen, sie würden in Europa Federn lassen. Aus meiner Sicht ist die nationale Verteilung der TV-Gelder schon in Ordnung. Erfolg muss auch honoriert werden. Und allen kann man es nie zu 100 Prozent recht machen.
Die Fußballwelt schüttelt derzeit über das Urteil des internationalen Sportgerichtshofs Cas, der die Aufhebung der Transfersperre gegen Manchester City beschloss, ungläubig den Kopf. Sie auch?
Es hat mich aus einem Grund überrascht. Die Cas-Richter stellten ja fest, dass viele der mutmaßlichen Verstöße von City verjährt seien. Es gab also Verstöße, aber offenbar unzureichende Beweise und Verjährungen. Es ist mir schleierhaft, warum die Uefa das zuvor nicht selbst bemerkt hat. Am Ende zeigt dies, wie machtlos die Uefa bei solchen Fällen ist. Manchester City lacht sich jetzt über die Zehn-Millionen-Strafe sicher tot.
Sind damit die Finanzregeln für einen gerechteren europäischen Fußball zur Farce geworden?
Das Financial Fair Play ist vom Ansatz her richtig, nur die Uefa kontrolliert es offenbar unzureichend. Die Uefa hat da wirklich ein schwaches Bild abgegeben.
Herr Heidel, im Frühjahr 2019 sind Sie als Sportvorstand beim FC Schalke 04 zurückgetreten. Reizt Sie eine neue Aufgabe?
Nach 28 Jahren in dem Business war diese Pause auch mal notwendig. Das habe ich schon gemerkt. Zum Glück habe ich keinen wirtschaftlichen Druck und lasse das in Ruhe auf mich zukommen. Ich hatte viele Optionen in den letzten Monaten, über die ich aber nicht öffentlich reden muss. Ich bin nicht aktiv auf Jobsuche. Wenn es passt, kehre ich in den Fußball zurück. Aber sollte es nicht passen, dann habe ich auch viele andere Ideen. Mir wird nicht langweilig.
ZUR PERSON
Christian Heidel, geboren am 2. Juni 1963 in Mainz, gehörte von 1992 bis 2016 dem Vorstand des 1 FSV Mainz 05 als Manager an. 2001 beförderte der frühere Leiter eines Autohauses Jürgen Klopp vom Spieler zum Trainer, mit dem die Mainzer 2004 erstmals in die Bundesliga aufstiegen. 2009 stellte Heidel Thomas Tuchel als Chefcoach ein. Zur Saison 2016/17 wechselte der Rheinhesse als Sportvorstand zum FC Schalke 04. Unter Trainer Domenico Tedesco wurde Schalke 2018 Vizemeister und zog in das Pokal-Halbfinale ein. Nach Misserfolgen in der Saison 2018/19 kündigte Heidel seinen Rücktritt an, am 14. März 2019 löste ihn Jochen Schneider ab. (LW)