DFB-Juwel Jule BrandChance für die Jüngste und Schnellste im Team
London – Auf dem offiziellen Mannschaftsfoto macht eigentlich jede Nationalspielerin ein freundliches Gesicht. Doch wer die beim Trainingslager in Herzogenaurach erstellte Aufnahme genauer betrachtet, stellt fest: Die junge Frau in der vorderen Reihe, Dritte von Links, grinst vielleicht noch ein bisschen breiter: Jule Brand, mit 19 Jahren die Jüngste im Team, hatte bereits die Nominierung für das Turnier in England als Geschenk begriffen. „Als Kind habe ich immer davon geträumt, bei so einem Turnier dabei zu sein. Dass es jetzt soweit ist, ist unbeschreiblich.“
Nun winkt ihr im sportlich bedeutungslosen letzten Gruppenspiel gegen Finnland (Samstag, 21 Uhr/ZDF) ein Startelfeinsatz, nachdem die hochbegabte Flügelspielerin gegen Dänemark (4:0) und Spanien (2:0) jeweils für Klara Bühl eingewechselt wurde. Einmal kam sie bislang kurz vor EM-Start in eine Medienrunde mit Ersatzkapitänin Svenja Huth: Noch immer wirkt die im beschaulichen Germersheim am Rhein geborene Fußballerin im Lichte der Öffentlichkeit dann ein bisschen verlegen, was nur verständlich ist. Manchmal muss sie sich ja selbst kneifen, wie schnell sie zu einer Hoffnungsträgerin aufgestiegen ist. Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg merkte zur 18-fachen Nationalspielerin mehrfach an: „Jule weiß manchmal noch gar nicht, wie gut sie ist.“ Mitunter wird sie aber auch noch von ihren Mitspielerinnen an ihr Alter erinnert. Beim Testspiel gegen die Schweiz (7:0), wo Brand als Einwechselspielerin ihr fünftes Länderspieltor glückte, wurde sie von Alexandra Popp und Almuth Schult auf der Ersatzbank aufgefordert, dass doch bitteschön die Jüngste auf die andere Spielfeldseite laufen müsse, um Svenja Huth eine Wasserflasche zu bringen. „Das habe ich natürlich gerne gemacht.“
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Zumal niemand so schnell ist wie die 1,77 Meter große Flügelspielerin, was vielleicht noch mal ein wichtiger Faktor für die K.o.-Runde werden könnte. Sie erzählt dazu, dass sie die langen, flinken Beine wohl von ihrer Mutter vererbt bekommen hat, die Leichtathletin war: „Das sind wohl die Gene.“ Zum Fußball hat sie ihr älterer Bruder Felix gebracht, der inzwischen beim FSV Zwickau spielt, aber vergangene Saison lange verletzt war. „Mit ihm habe ich immer im Garten gekickt. Als er mit dem Fußball im Verein angefangen hat, bin ich immer mitgegangen.“
Wechsel zum VfL Wolfsburg
Beim FV Dudenhofen begann der typische Werdegang vieler Nationalspielerinnen, die sich ihr technisches Rüstzeug, aber vor allem den wichtigen Behauptungswillen im Wettstreit mit den Jungs aneigneten. Über den FC Speyer 09 wechselte sie später schließlich in die Jugendabteilung der TSG Hoffenheim. Dort profitierte sie von einem ebenso behutsamen wie professionellen Leistungsaufbau. Doch letztlich landen die besten Talente aus dem Kraichgau meist schnell bei jenen beiden Klubs, die im deutschen Frauenfußball die mit Abstand höchsten Gehälter zahlen und die Titel einsammeln: FC Bayern und VfL Wolfsburg.
Brand spielt nun bald für den Doublesieger aus der Autostadt. „Ich habe lange überlegt, was ich nächste Saison mache. Das Gesamtpaket war sehr überzeugend“, sagt sie. Natürlich habe sie beeinflusst, dass mit Tabea Waßmuth und Lena Lattwein zwei weitere in Hoffenheim ausgebildete Nationalspielerinnen erst vergangenen Sommer denselben Weg einschlugen; beide habe rasante Fortschritte in Wolfsburg, gerade auch in internationalen Spiele gemacht.
Viertelfinale am Donnerstag
Brand erhofft sich nach der EM denselben Schub, ist aber vorerst froh, dass der Umzug nach Niedersachsen („Ich werde das erste Mal alleine wohnen, dann bin ich raus aus der Komfortzone“) bereits vor der EM erledigt worden ist. Die Schlüsselübergabe nahm ihr übrigens ihre eine alte und neue Vereinskollegin ab: „Das hat Tabea für mich gemacht.“
Gut möglich, dass Waßmuth und Brand gegen Finnland auch auf dem Platz gemeinsame Sache machen dürfen, wenn das deutsche Nationalteam mit einem Sieg in Milton Keynes eine Gruppenphase perfekt abschließen will, um sich dann voller Elan ins Viertelfinale am kommenden Donnerstag zu stürzen.