U21-Nationalspieler machten nach dem Israel-Remis rassistische Beleidigungen öffentlich. Der DFB hat strafrechtliche Schritte angekündigt.
„Das ist ekelhaft“U21-Talente und DFB wehren sich gegen rassistische Hassnachrichten
Als der Mannschaftsbus der deutschen U21-Fußballer tief in der Nacht das Teamquartier am Schwarzen Meer erreichte, waren Schock und Entsetzen immer noch groß. Nach den rassistischen Beleidigungen gegen die U21-Nationalspieler Youssoufa Moukoko und Jessic Ngankam mochte im Lager des Deutschen Fußball-Bunds niemand einfach zur Tagesordnung übergehen. „Ganz bestimmt muss ich jetzt mit den Jungs sprechen und mit der ganzen Mannschaft sprechen“, kündigte Trainer Antonio Di Salvo noch in der Nacht an.
DFB kündigt strafrechtliche Schritte an
Etwa eine Stunde nach ihrem U21-EM-Auftakt gegen Israel machte Moukoko mit emotionalen Worten die Hass-Botschaften gegen sich und Teamkollege Ngankam öffentlich. „Da sind Menschen, die gar nichts zu tun haben, die beleidigen dich. Wenn wir gewinnen, sind wir Deutsche und wenn wir verlieren, sind wir Schwarze“, klagte der Stürmer von Borussia Dortmund.
„Das ist ekelhaft, das hat sehr weh getan“, sagte Moukoko, der ein „Zeichen“ forderte. Der 18-Jährige hatte bereits nach drei Minuten einen Elfmeter vergeben, Herthas Ngankam scheiterte in der Schlussphase ebenfalls vom Punkt (80. Minute).
Am Freitagmittag kündigte der Deutsche Fußball-Bund rechtliche Schritte an. Der DFB habe entschieden, „dass wir strafrechtlich gegen diese Personen vorgehen werden“, sagte Joti Chatzialexiou, Sportlicher Leiter Nationalmannschaften im Verband, am Freitag in Batumi. Man werde versuchen, „alles Mögliche zu tun, um diese Täter und Menschen zur Rechenschaft zu ziehen.“ Man müsse sich einfach gegen diese Menschen stellen. In einem Statement richtete der DFB deutliche Worte an die Menschen, die beleidigende Kommentare geschrieben haben: „Ihr widert uns an. Ihr seid keine Fans, euch brauchen wir nicht, euch wollen wir nicht“, twitterte der Verband am Freitag.
Rassimus-Fall erinnert an ähnliche Situationen
Die Mannschaft und Di Salvo reagierten schockiert. „Ich verstehe nicht, wieso man heutzutage immer noch rassistisch ist“, sagte Torhüter Noah Atubolu, der von ähnlichen Erfahrungen berichtete. „Die Jungs können nichts dafür, woher sie kommen. Sie haben sich entschieden, für Deutschland zu spielen, und geben das Beste für ihr Land.“ Auch der DFB und die Vereine von Ngankam und Moukoko verurteilte die Vorfälle. „Jede Art von Rassismus und Diskriminierung ist unterste Schublade, das geht überhaupt nicht“, sagte Di Salvo.
In den vergangenen Jahren haben sich immer mehr Fußballer dazu entschieden, den erlebten Rassismus öffentlich zu machen. Nach dem DFB-Pokalsieg im Mai wurde Leipzigs Verteidiger Benjamin Hinrichs von mehreren Personen rassistisch beleidigt und aufs Übelste beschimpft. Die Privatnachrichten veröffentlichte er. Auch die englischen Nationalspieler Jaden Sancho, Bukayo Saka und Marcus Rashford wehrten sich nach dem verlorenen EM-Finale 2021 gegen Italien gegen rassistische Hassbotschaften.
U21: Di Salvo muss Team vor wichtigem Spiel aufbauen
U21-Coach Di Salvo ist bei seinem ersten Turnier als Chefcoach nun extrem gefordert. Einerseits müssen er und sein Trainerteam das Geschehene mit der Mannschaft aufarbeiten, andererseits steht die U21 nach ihrem EM-Fehlstart auch sportlich unter enormem Druck. „Förderlich ist es nicht, das ist klar“, sagte der Coach auf die Frage nach dem Einfluss der Beleidigungen auf die Leistung seiner Elf. „Jetzt sind wir gefragt, die Jungs aufzubauen.“
Dafür bleibt nur wenig Zeit: Bereits am Sonntag (18.00 Uhr MESZ/Sat.1) steht in Batumi das zweite EM-Spiel gegen Tschechien an. Nach dem 1:1 zum Start braucht der Titelverteidiger dringend einen Sieg. Sonst droht das Team schon vor dem Gruppenfinale gegen England am Mittwoch die Ziele wie den Einzug in die K.o.-Phase und die Qualifikation für die Olympischen Spiele aus den Augen zu verlieren.
U21-Nationalmannschaft ließ viele Chancen liegen
„Wir haben noch viel Arbeit vor uns“, sagte Di Salvo. Das Tor von Kapitän Yann-Aurel Bisseck (26.) reichte gegen Israel trotz einer Halbzeit in Überzahl nicht zum Sieg – auch weil die deutsche Mannschaft neben den beiden vergebenen Elfmetern zahlreiche weitere Chancen ungenutzt ließ. „Das war schon auf jeden Fall relativ wenig“, gab Di Salvo ernüchtert zu.
Vor allem Moukoko, der bei der EM vorangehen sollte, erwischte einen unglücklichen Abend, vergab zahlreiche Großchancen und verhinderte ein Tor durch eine Abseitsposition. „Youssoufa weiß, dass er mehr kann“, sagte der Trainer. Das Ausnahme-Talent und Teamkollege Ngankam aufzufangen und gleichzeitig den Fokus auf die sportlich wichtige Aufgabe zu lenken – das wird nun die Herausforderung für den ehemaligen Bundesliga-Profi.
Nach der Erfolgs-Ära von Trainer Stefan Kuntz mit drei Final-Teilnahmen in Serie und den Titel-Gewinnen 2017 und 2021 wäre alles andere als der erneute Einzug in die K.o.-Phase eine brutale Enttäuschung für die U21. (dpa)