Die Fußball-Bundesliga beginnt am 18. September, der DFB-Pokal schon eine Woche vorher – trotz Corona-Pandemie.
Zum Saisonstart des deutschen Fußballs wird es keine einheitliche Regelung in der Zuschauerfrage geben.
Wie ist der aktuelle Stand der Fan-Debatte? Und warum begrüßen manche Vereine den Flickenteppich der Regelungen?
Köln – Als der deutsche Fußball im Mai mit großer Vorsicht aus dem Corona-Lockdown kam, war alles ganz einfach. Keine Zuschauer, nirgendwo. Es war ein Wunder, dass überhaupt wieder gespielt werden konnte. Die Welt beäugte das deutsche Experiment mit einer Mischung aus Neugier und Misstrauen. Sollte dieses erste Hygiene-Konzept für sportliche Großevents wirklich funktionieren? Würde es keine unkontrollierbaren Ansteckungsketten geben? Die Antwort auf diese Fragen ist bekannt. Das Konzept der Deutschen Fußball-Liga hat funktioniert und diente als Blaupause für alle großen Fußball-Ligen in Europa.
Vier Monate später wissen wir mehr über Corona. Das Land hat in einen Alltag mit zerbrechlicher Selbstverständlichkeit gefunden. Die Zuschauer-Frage ist für den Fußball dadurch viel komplizierter geworden. Wenn die Saison am Wochenende mit der ersten Runde des DFB-Pokals beginnt, werden 31 Spiele in deutschen Stadien ausgetragen, die Partie zwischen 1. FC Düren und Bayern München wurde wegen der Terminnöte des Triple-Siegers in den Oktober verschoben. Und in jedem zweiten Stadion wird es andere Bedingungen für das Zustandekommen eines Publikums geben.
Eine Woche später, wenn die Bundesligen starten, wird das ähnlich sein. In Leipzig, wo das Infektionsgeschehen vergleichsweise gering ist, haben die Behörden in Abstimmung mit dem Klub RB für das Spiel gegen Mainz 8500 Zuschauer zugelassen. Union Berlin öffnet für den Bundesliga-Saisonauftakt gegen Augsburg die Tore für 5000 Fans. In NRW mit höheren Zahlen sind maximal 300 erlaubt. Bayern mit dem stärksten Infektionsgeschehen unter allen Flächen-Bundesländern lässt gar kein Publikum zu.
Verschiedene Länder-Vorgaben bringen Regel-Flickenteppich
Kritiker sprechen von „Flickenteppich“ und mangelnder Chancengleichheit. Im DFB-Pokal wird das besonders deutlich. Der Drittligist 1. FC Magdeburg darf sein Pokalspiel gegen den Zweitligisten Darmstadt 98 am Sonntag vor 5000 Fans bestreiten. 7500 Zuschauer sind im Rostocker Ostseestadion erlaubt, wenn Hansa am selben Tag Bundesliga-Aufsteiger VfB Stuttgart empfängt. NRW-Klubs wie der 1. FC Köln (spielt gegen Altglienicke) und Bayer 04 Leverkusen (gegen Norderstedt) tragen ihre Erstrundenspiele vor der NRW-Höchstgrenze von 300 Zuschauern aus.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) findet das nicht gut. „Ich denke, für Akzeptanz insgesamt wäre ein einheitliches Vorgehen besser“, sagte er. Auch DFB-Vizepräsident Rainer Koch plädierte für einheitliche Regeln. „Im Moment kommt es mir doch sehr so vor, dass man in jedem Bundesland immer weiter sein will als der andere“, erklärte er bei „Bayern 2“: „Das versteht kein Fan.“
Diese Sicht wäre noch im Mai auch der Konsens innerhalb der 36 Klubs der Deutschen Fußball Liga gewesen. Mittlerweile hat ein Paradigmenwechsel in der DFL stattgefunden, die in einigen Punkten eine andere Auffassung hat als der Deutsche Fußball-Bund. Da die Hoffnung auf ein bundesweites Verschwinden des Coronavirus nach den Erfolgen des Lockdowns und der vorsichtigen Öffnung nicht in Erfüllung gegangen ist, haben sich die Vereine auf eine Strategie der Unterschiedlichkeit geeinigt. Das Ziel ist, so viele Zuschauer wie möglich ins Stadion zu bekommen. Wenn es nicht das eigene Stadion ist, dann eben ein anderes.
Rudi Völler will deutschlandweit Möglichkeiten ausnutzen
Leverkusens Geschäftsführer Rudi Völler sagte am Dienstag im Gespräch mit dieser Zeitung: „Ich finde die Diskussion über Wettbewerbsverzerrung falsch. Dafür sind die Zeiten zu schwierig. Wenn es Gebiete gibt in Deutschland, in denen die Infektionsrate niedriger ist als in anderen, dann muss man die sich bietenden Möglichkeiten ausnutzen. Es ist eben so, dass die Dinge in NRW oder Bayern wegen anderer Infektionszahlen strenger gehandhabt werden.“
Er könne gut damit leben, wenn Vereine wie RB Leipzig oder Union Berlin vor vergleichsweise großem Publikum spielen. „Wir versuchen es auf unsere Art – so wie es uns in NRW derzeit eben möglich ist – mit 300 Zuschauern im Pokalspiel gegen Norderstedt. Auch da werden wir wenigstens ein ganz klein bisschen das Gefühl haben, dass wieder Zuschauer da sind. Und natürlich haben wir die Hoffnung, dass es im Lauf der Vorrunde etwas mehr werden“, sagt Völler.
Auch auf europäischer Ebene versucht der Fußball, trotz fortschreitenden Infektionsgeschehens Menschen ins Stadion zurückzubringen. Beim europäischen Supercup zwischen dem FC Bayern München und dem Europa-League-Gewinner FC Sevilla stehen beiden Teams jeweils 3000 Tickets zu. Die Partie findet am 24. September vor 10 800 Zuschauern in der 38 000 Menschen fassenden Puskás Arena in Budapest statt. Uefa-Präsident Aleksander Ceferin spricht von einem „wichtigen Pilottest“. Die Pointe der Geschichte: Ungarns Grenzen sind aktuell für Ausländer geschlossen. Ticketinhaber dürfen aber nach einer medizinischen Untersuchung mit einem negativen Coronatest in englischer und ungarischer Sprache einreisen.
Die Lage und Regelung für Fußballfans in NRW
Die Profi-Fußballvereine in Nordrhein-Westfalen haben zu Saisonbeginn keine Chance auf ein größeres Publikum. Zunächst bleibt es bei der Vorgabe durch die am 1. September in Kraft getretene Corona-Schutzverordnung in NRW, die eine Kulisse von maximal 300 Zuschauern erlaubt. „Sportveranstaltungen mit über 300 Zuschauern sind aktuell nicht zulässig“, bestätigte ein Sprecher des Ministeriums für Arbeit. In NRW müssen Veranstalter „geeignete Vorkehrungen zur Hygiene, zum Infektionsschutz, zur Steuerung des Zutritts und zur Gewährleistung eines Mindestabstands von 1,5 Metern sowie die Rückverfolgbarkeit“ treffen. Das ist in Paragraf 9 der Corona-Schutzverordnung NRW geregelt, die bis 15. September gilt.
Ministerpräsident Armin Laschet ist ein Kritiker der regional unterschiedlichen Regelungen. Er wünscht sich eine gesamtdeutsche Lösung und kritisiert ein Vorgehen wie in Sachsen als unfairen Sonderweg. „Natürlich braucht man in Deutschland vergleichbare Regeln“, sagte Laschet. Die Realität zum Saisonbeginn sieht aber anders aus. Während in NRW Fußball-Spiele vor Mini-Publikum stattfinden, werden ostdeutsche Klubs wie RB Leipzig vor tausenden Zuschauern spielen können. (mit dpa)