Ex-Bayer-StarsHavertz und Brandt suchen ihre Rolle im DFB-Team
- Zusammen waren Kai Havertz und Julian Brandt bei Bayer 04 Leverkusen ein geniales Duo.
- Im vergangenen Jahr verließ Brandt den Werksklub, doch in Dortmund ist er im Moment außen vor – in der Nationalmannschaft hat er ohnehin einen schweren Stand.
- Havertz wechselte zum FC Chelsea. Das 100 Millionen Euro teure Supertalent hat dennoch keinen Platz in Joachim Löws A-Elf.
Köln – Knapp 60 Sekunden auf dem Rasen, ein Ballkontakt, ein Sprint. So lautet der Arbeitsnachweis von Kai Havertz beim wackeligen 2:1-Sieg der deutschen Nationalmannschaft am vergangenen Samstag in Kiew gegen die Ukraine. Der 100 Millionen-Euro-Rekordtransfer des FC Chelsea wurde erst in der 93. Minute von Bundestrainer Joachim Löw für Serge Gnabry eingewechselt. Wohl, um gegen im Grunde harmlose Ukrainer Zeit von der Uhr zu nehmen. Nur zwei seiner neun Länderspiel-Einsätze absolvierte Havertz über die volle Distanz. Der teuerste deutsche Fußballer sucht weiter seinen Platz im DFB-Team. Die Konkurrenz ist groß. Für seinen besten Kumpel Julian Brandt ist die Situation sogar noch deutlich komplizierter – in Verein und Nationalmannschaft.
Aktuell steht Havertz in der Hierarchie von Löw nicht nur hinter dem Bayern-Block um Gnabry, Leroy Sané und Leon Goretzka sowie Chelsea-Kollege Timo Werner. Auch der von DFB-Direktor Oliver Bierhoff als „Mitläufer“ bezeichnete Julian Draxler bekam zuletzt den Vorzug. Havertz sei „ein Ausnahmetalent“ und es mache „Spaß, ihm zuzuschauen“, lobte der Bundestrainer. Doch eine tragende Rolle scheint Löw dem 21-Jährigen noch nicht zuzutrauen. Deshalb muss Havertz oft selbst zuschauen.
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Für die taktische Ausrichtung in der Ukraine mit Dreierkette und fünf gelernten Verteidigern in der Startelf erntete Löw Kritik von vielen Seiten. Zu defensiv, zu wenige Anspielstationen im Mittelfeld. „Wir wissen schon, was wir machen“, entgegnete der Bundestrainer, er stehe „über den Dingen“. Was einem Fußballlehrer als Arroganz ausgelegt werden kann, ist für einen Fußballspieler eine wichtige und seltene Eigenschaft. Kai Havertz hat diese Gabe. Wenn er den Ball in einer Bewegung annimmt, verarbeitet und bereits weiß, wohin er ihn weiterspielen wird. Diese elegante Qualität vermittelt im Spiel manchmal den Eindruck, als würde für Havertz die Zeit irgendwie langsamer vergehen. Er steht über den Dingen, wie bei seinen zwei Torvorlagen gegen die Türkei (3:3) angedeutet. Für einen Platz in einer dann offensiver ausgerichteten Startelf im Spiel gegen die Ukraine reichte es dennoch nicht, was Löw noch mehr Kritik einbrachte.
46 Tore in 150 Spielen für Leverkusen
Bei Bayer 04 prägte Havertz so schon als Teenager im zentral-offensiven Mittelfeld das Spiel der Werkself. Doch Havertz fühlt sich auch auf den Flügeln und im Sturmzentrum wohl. Dorthin hatte Leverkusens Trainer Peter Bosz ihn in der vergangenen Saison mit Erfolg beordert, ehe der gebürtige Aachener im Sommer nach 150 Pflichtspielen und 46 Toren Leverkusen für 100 Millionen Euro in Richtung Premier League und London verließ.
Noch hat sich Havertz nicht richtig beim FC Chelsea akklimatisiert, was angesichts der großen Umstellungen nicht weiter verwundert. Nach zehn behüteten Jahren in Leverkusen ist Havertz plötzlich nicht mehr das gewaltige Übertalent. Er ist ein Star unter vielen. Die Familie ist nicht mehr nur einige Autobahn-Kilometer entfernt und der Fußball ist ein anderer. „Es war ein sehr großer Schritt für mich, meine Familie und das vertraute Umfeld hinter mir zu lassen“, sagte Havertz, der bislang vor allem mit einem Dreierpack im Ligapokal gegen den Zweitligisten Barnsley sein Können andeutete. „Zuletzt ist es für mich gut gelaufen, aber ich denke nach oben ist noch viel Potenzial.“
Bundestrainer Löw sieht im Wechsel nach England eine große Chance: „Das ist eine Persönlichkeitsschulung, das habe ich schon bei einigen Spielern erlebt. Da machen sie den nächsten Karrieresprung, das hilft uns auch“, sagte der 60-Jährige. „Mit seiner Klasse und seinem klaren Kopf, ich denke, dass er sich da mit Sicherheit durchsetzen wird.“ Dann womöglich auch im DFB-Team?
Auch bei Julian Brandt wagte Löw diese Prognose: „Er hat eine unglaubliche Begabung.“ Doch versteckte Brandt diese zuletzt bei Borussia Dortmund. Nach einer durchschnittlichen Debüt-Saison für den BVB hat der 24-Jährige seinen Stammplatz zu Beginn der neuen Spielzeit abgeben müssen. Es hatte sich angedeutet, denn Brandt konnte seine herausragenden Leistungen in Leverkusen beim BVB kaum mehr bestätigen. Zeitweise ist Leichtsinn im Spielaufbau zu erkennen. Brandts letzter Entwicklungsschritt gelang unter Trainer Bosz in Leverkusen, als ihn der Niederländer von einem Außenstürmer zu einem zentralen Mittelfeldspieler umschulte. „Gute Spieler müssen immer den Ball haben. Und Julian ist ein Super-Spieler“, lautete Boszs simple wie überzeugende Begründung. In Lucien Favre hat Brandt keinen vergleichbaren Förderer. Beim BVB ist er nur zweite Wahl – Bayer 04 soll sich sogar über die Möglichkeiten einer Rückhol-Aktion im Sommer informiert haben.
Daraus wurde bekanntlich nichts. Doch Brandt sollte Argumente liefern, um sich eine Chance auf einen Kaderplatz für die EM 2021 zu wahren. Kai Havertz muss sich in dieser Hinsicht keine Gedanken machen. Auch wenn Bundestrainer Löw für Deutschlands größtes Talent aktuell keinen Platz in der Startelf hat.