Köln/Salt Lake City – Herr Löffelsend, zu Jahresbeginn wurden Sie als einziger Deutscher im MLS-Draft von einer Mannschaft ausgewählt, Real Salt Lake City. Kurzzeitig wurden Sie ins Farmteam gesteckt, kamen dann aber zurück. Ein halbes Jahr später sind Sie Stammspieler beim aktuell zweitbesten Team der Liga. Was ist in den vergangenen Monaten passiert?
Ich musste für meinen Platz kämpfen. Ich habe eine überzeugende Vorbereitung gespielt und wurde nach einigen Tagen aufgrund der Verletzung eines Teamkollegen dann noch in die erste Mannschaft geholt. Von da an habe ich das Vertrauen vom Trainerteam bekommen. In jedem Spiel, in dem ich verfügbar war, habe ich auch auf dem Feld gestanden. Zuerst waren es nur zwei Minuten, um am Schluss Zeit von der Uhr zu nehmen. Es wurde dann immer mehr. In den letzten sechs Spielen durfte ich von Beginn an ran, ich bin jetzt im Mittelfeld gesetzt. Viermal haben wir gewonnen, zweimal zu Null. Es hat sich also sukzessive aufgebaut. Es läuft sehr gut.
Für einen Rookie, der zuvor in Deutschland bei Wegberg-Beeck und in Hennef gespielt hat, war eine solche Entwicklung nicht zu erwarten.
Nein, auf gar keinen Fall. Ich war erst einmal überglücklich, als ich es doch noch ins erste Team geschafft hatte. Ich wollte dann einfach nur so lange es geht Teil des Kaders sein – egal auf welcher Position. Ich habe als Außenverteidiger, rechts im Mittelfeld, links und zuletzt im Zentrum gespielt. Mehr oder weniger alle Rollen also. Ich wollte zeigen: Man kann mir vertrauen, ich werde alles auf dem Platz lassen, wenn man mir die Chance gibt. Ein bisschen Glück war natürlich auch dabei. Unser Sechser war gelbgesperrt für das Spiel gegen Austin. Die Trainer haben mir gesagt: Wir vertrauen dir jetzt, du spielst im Zentrum. Dann haben wir 2:1 gegen einen direkten Konkurrenten um die Playoff-Plätze gewonnen. Seitdem habe ich mich dort festgespielt…
Zur Person
Jasper Löffelsend (24), geboren in Köln, kommt aus der Jugend des TV Herkenrath und spielte in der Mittelrheinliga und Regionalliga West für Herkenrath, Straelen, Bonn und Hennef. 2020 wechselte der Rechtsverteidiger von Wegberg-Beeck an die Universität Pittsburgh. Beim College-Team, den Panthers, fiel Löffelsend durch gute Leistungen auf, wurde Kapitän und zweimal zum „Defensivspieler des Jahres“ und zweimal in ein Allstar-Team gewählt. Beim MLS-Draft 2022 wurde er als einziger von sechs angemeldeten Deutschen ausgewählt, als 80. von 89 Spielern. Bei Real Salt Lake City ist Löffelsend inzwischen Stammspieler. (ckr)
… auch noch positionsfremd. Sie sind eigentlich Rechtsverteidiger.
Ja, das war ich in den letzten fünf, sechs Jahren. In der Jugend war ich ein Achter oder Zehner. Also ist mir die Rolle nicht fremd. Aber ich musste mich erstmal wieder reinfinden. Mittlerweile fühle ich mich von Spiel zu Spiel wohler.
Wie reagieren die Fans auf einen jungen Deutschen, der aus dem Nichts zur Stammkraft wurde und dessen Nachnamen sie kaum aussprechen können? Salt Lake City spielt immerhin vor 20.000 Zuschauern und mehr.
„Loffelsend“, das „ö“ bekommen sie nicht hin. Sonst geht es (lacht). Aber im Ernst: Die Fanbase ist extrem cool, mittlerweile bin ich dort gut vertreten. Das Geschrei beim Rauslaufen auf dem Platz und bei der Durchsage meines Namens wird immer lauter. Mehr Leute wollen Fotos oder Autogramme haben. Ich denke, dass sie merken, dass ich meinen Job gut mache und verlässlich bin. Natürlich bin ich kein Starspieler, der Partien allein entscheidet. Aber sie wissen: Wir bekommen immer 100 Prozent von ihm.
Was sagen die Mitspieler?
Sie haben mir extrem geholfen! Anfangs war ich etwas skeptisch, ob mir nicht gerade unsere Veteranen eine harte Zeit machen würden, wenn etwas auf dem Platz nicht läuft. Doch vor meinem ersten Spiel ist unser Linksaußen Justin Meram, der seit über zehn Jahren in der MLS spielt und mit dem Irak an großen Turnieren teilgenommen hat, einer unserer besten Spieler, zu mir gekommen. Er hat gesagt: „Es ist mir scheißegal, ob du in den ersten drei, vier oder fünf Situationen Fehler machst. Wir alle wissen, dass irgendwann etwas Überragendes von dir kommen wird. Wir können uns auf dich verlassen! Du bist ein super Spieler und hast dir diese Chance verdient.“ Das hat mich noch einmal extrem gepusht – vor allem, weil ich viel mit mir selbst beschäftigt war und Angst hatte, es beim Debüt zu verkacken.
Wie ist das Leben in Salt Lake City? Rund um die Stadt gibt es bis auf den Großen Salzsee nicht viel.
Nein, der Naturaspekt steht im Vordergrund. Wir waren schon häufiger mal in den Canyons wandern oder haben von außerhalb den Sonnenuntergang über der Stadt beobachtet, das ist schon überragend schön. In der Stadt hat man alles, was man braucht. Es ist natürlich keine Metropole – aber es gibt Restaurants und Bars, wo es sich gut aushalten lässt. In Städten wie Los Angeles oder Miami würde ich es aber auch kaum aushalten, da gibt es eine Reizüberflutung: Alles groß, alles laut.
Sie fühlen sich als wohl in Utah.
Absolut. Wir wohnen hier eine halbe Stunde vom Stadtzentrum entfernt, in einem sehr ruhigen Vorort. Vergleichbar mit Bergisch Gladbach und Köln. Mein Zimmer-Partner ist ein Spieler aus dem Farmteam, bei uns im Wohnkomplex sind viele junge Spieler untergebracht. Ich unternehme viel mit ihnen. Im Alltag werde ich zum Glück nicht oft erkannt, erst ein paar Mal im Restaurant. Aber es ist auch sehr angenehm. Natürlich ist die Aufmerksamkeit für Fußball hier auch nicht mit Deutschland vergleichbar, wie wenn ein FC-Profi in Köln über die Ehrenstraße läuft oder so.
Wurden Sie positiv oder negativ vom fußballerischen Niveau der MLS überrascht?
Es ist besser als ich gedacht habe. Anfangs dachte ich, dass man viele Teams auf ihre Starspieler reduzieren kann. Gerade die Leute, die aus Europa oder Südamerika gekommen sind, dass sie den Unterschied machen. Aber es gibt auch viele gute amerikanische Profis. Es ist zwar noch kein Vergleich zu den Top-Ligen Europas – aber die MLS hat noch einmal einen großen Sprung gemacht.
Viele Teams haben auch in Europa sehr bekannte Profis.
In Héctor Herrera kommt ein Stammspieler von Atlético Madrid nach Houston. Toronto hat Lorenzo Insigne aus Neapel verpflichtet. Giorgio Chiellini hat letztes Jahr noch den EM-Titel geholt und spielt künftig in Los Angeles, genau wie Gareth Bale. Klar ist die MLS für diese Spieler die letzte Karriere-Station – aber sie spielen ja nach wie vor auf einem extrem hohen Level und könnten noch auch auf europäischem Top-Niveau mithalten. Es macht die MLS populärer und spielerisch attraktiver. Ich glaube auch, dass der Sprung aus der MLS zurück nach Europa nicht mehr so groß ist, wie viele denken. Man wird vermutlich kein Starspieler beim FC Bayern. Aber mit der richtigen Einstellung könnte man sich auch bei einem europäischen Team festspielen. Ich denke da gerade an die Niederlande oder Österreich. Und als gestandener Spieler auch die Bundesliga.
Ihnen winkt in der Rückrunde ein Duell mit Los Angeles FC und Europameister Chiellini und Ex-Real-Star Bale.
Bis dahin gucke ich aber noch nicht, es kann noch so viel passieren. Natürlich ist es ein schöner Bonus. Zuletzt haben wir gegen LA Galaxy mit Chicharito gespielt. Als jahrelanger Fan von Bayer 04 Leverkusen war das natürlich etwas Besonders für mich. Als Jugendlicher hab ich ihn in der Bay-Arena gesehen, als er da seine Buden gemacht hat. Auf einmal spielt man gegen ihn und spricht nach Abpfiff mit ihm darüber, dass du Fan von ihm gewesen bist. Er ist ein sehr netter und höflicher, junger – naja, nicht mehr ganz so junger – Fußballer, super respektvoll. Leute schätzen es wert, was man für einen Weg hingelegt hat, es macht Spaß.
Was ist in dieser Saison für Salt Lake City drin?
Zunächst haben wir den besten Saisonstart der Team-Historie hingelegt. Den wollen wir weiter ausbauen. Klares Ziel sind die Playoffs. Dann heißt es: Gib alles oder fahr nach Hause. Vielleicht können wir am Ende sogar unsere Conference gewinnen.