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Ottmar Hitzfeld im Interview„Beim 1. FC Köln brennt es oft im Umfeld des Vereins“

Lesezeit 6 Minuten
Ottmar Hitzfeld 170920

Ottmar Hitzfeld

  1. Ottmar Hitzfeld war von 1998 bis 2004 Trainer des FC Bayern München. Mit dem Verein wurde er sechsmal deutscher Meister.
  2. Hitzfeld freut sich, dass trotz der Corona-Pandemie überhaupt wieder Fußball gespielt werden kann.
  3. Der 71-Jährige spricht über seine Karriere, Gehaltsforderungen aktueller Bayern-Spieler – und den 1. FC Köln.

Herr Hitzfeld, wie erleben Sie den Fußball in Corona-Zeiten?

Ottmar Hitzfeld: Ich bin froh, dass überhaupt wieder gespielt werden kann. Ich bin und bleibe leidenschaftlicher Fan. Deshalb hatte ich mich Mitte Mai bereits über die Wiederaufnahme der Bundesliga sehr gefreut, die für die Verantwortlichen sicherlich eine Herkulesaufgabe war, die sie aber mit Bravour bewerkstelligt haben. Ich bin allerdings auch froh, jetzt nicht mehr Trainer zu sein, erst recht nicht in Corona-Zeiten. Das war ein Lebensabschnitt, der fantastisch war und mir ungemein viel gegeben hat, den ich aber hinter mir gelassen habe. Zusammen mit meiner Familie genieße ich das Leben.

Nimmt sich der Profi-Fußball in diesen Zeiten manchmal zu wichtig?

Das sehe ich nicht ganz so. Der Fußball hat einen hohen Unterhaltungswert, der die Menschen in dieser schweren Zeit auch ablenkt und Freude gibt. Er ist wichtig für die Gesellschaft und nimmt dieser auch nichts weg. Für viele Vereine ist es zudem finanziell überlebenswichtig, dass weitergespielt wird und die Zuschauer langsam zurückkehren. Das ist ein erster Schritt in eine neue Normalität. Die Corona-Krise hat sie bereits jetzt schon hart getroffen.

Bayern München hat das Triple geholt. Befindet sich Ihr langjähriger Verein auf dem Weg, Europas Fußball über Jahre zu dominieren?

Bayern hat mit dem Triple ein Zeichen gesetzt. Der Titel in der Champions-League war hochverdient und nicht nur für die Bayern eine Bestätigung ihrer Arbeit, sondern er ist auch ein Glücksfall für das Ansehen der Bundesliga. Bayerns Erfolg wird weltweit wahrgenommen. In Europa gibt es immer hochkarätige Konkurrenz wie Liverpool, Manchester City, Paris. Bei Barcelona oder Real weiß man nicht, ob sie direkt wiederkommen und den Umbruch schaffen, da sie derzeit finanziell nicht mehr aus dem Vollen schöpfen können. Und in einem Halbfinale oder Finale hängt sowieso vieles oft von kleinen Dingen oder der Tagesform ab. Dennoch glaube ich: Die Bayern werden in Europa eine Ära prägen. Denn sie haben aus meiner Sicht die Mannschaft mit der meisten Substanz. Sie ist noch relativ jung und wird sich noch weiter entwickeln. Aber sie hat auch gereifte Weltklasse-Spieler, die sie führen.

Welchen Anteil hat Trainer Hansi Flick am Erfolg des Rekordmeisters?

Den kann man nicht hoch genug bewerten. Er ist der Architekt des Erfolgs. Hansi hat nicht nur sportliche, sondern auch menschliche Führungskompetenz. Und wirkt dabei bodenständig. Er hat die Mannschaft hinter sich gebracht und sie so vereint. Das passt einfach.

Drei der vier Trainer im Halbfinale der Champions League kamen aus Deutschland, im Vorjahr gewann Jürgen Klopp mit Liverpool den Titel. Was besagt das?

Die Trainer-Ausbildung in Deutschland war schon vorher top, doch der ganz große Erfolg hängt auch von den Persönlichkeiten ab. Und diese haben wir jetzt. Jürgen Klopp, Hansi Flick und Thomas Tuchel sind diese Persönlichkeiten, auch Julian Nagelsmann hat bereits im jungen Alter eine großartige Ausstrahlung und Kompetenz.

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In der Bundesliga sind die Münchener zum achten Mal in Folge Meister geworden. Droht der Liga die permanente Langeweile?

Auch einem Verein wie dem FC Bayern wird nichts geschenkt, auch er muss sich alles erarbeiten. Doch er ist in so vielen Bereichen so gut aufgestellt und hat so viel Erfahrung, das lässt sich erst einmal nicht einholen. Bayern ist der Konkurrenz enteilt. Darum wird es bei der Dominanz bleiben. Für den Titelkampf kann das vielleicht etwas langweilig sein, doch dahinter gibt es weiterhin unheimlich viel Spannung in dieser ausgeglichen Liga.

Kann Borussia Dortmund, ein weiterer Ex-Klub von Ihnen, diese Lücke überhaupt noch schließen?

Dortmund hat in den vergangenen Jahren viele überragende Transfers getätigt und wurde Bayern auch schon gefährlich. Die wenigen Schwächephasen der Bayern konnten sie dann aber nicht ausnutzen. Der Erfolg hat auch immer seine Schattenseiten, denn der BVB hat es viel schwerer als die Bayern, die Stars zu halten. Irgendwann kommt der Lockruf aus dem Ausland – oder vom FC Bayern. In einer Saison kann es immer mal vorkommen, dass der BVB vor Bayern steht, doch auf Distanz haben die Münchener einfach mehr Potenzial.

Ein Luxusproblem des Rekordmeisters ist sicherlich die angedachte Vertragsverlängerung von David Alaba, die für reichlich Wirbel an der Säbener Straße sorgt. Finden Sie es richtig, dass der Klub nicht alle Gehaltsforderungen erfüllen will, die vor allem in Corona-Zeiten irrwitzig erscheinen?

Ja, man muss auch mal deutliche Zeichen setzen und Grenzen ziehen. Wenn Gehaltszahlen in die Öffentlichkeit gelangen, ist das ohnehin für das Mannschaftsgefüge schädlich.

Mit Kai Havertz haben Leverkusen und die Bundesliga ein großes Talent an den FC Chelsea abgegeben. Hätte er lieber in Deutschland bleiben sollen?

Bei Bayern hätte ich keinen Platz für Havertz gesehen, zu Dortmund hätte er sicherlich gepasst. Aber mit dem Angebot von Chelsea hätte der BVB nicht mithalten können. Chelsea ist ein sehr guter Verein für Havertz, mit Frank Lampard hat er einen jungen Trainer, der ihn weiterbringen wird. Havertz hat alle Anlagen, aber die Konkurrenz bei Chelsea ist groß, er muss sich dort erst einmal durchsetzen.

Wie sehen Sie seinen langjährigen Klub Leverkusen aufgestellt, wie den 1. FC Köln?

Leverkusen wird wieder oben mitspielen. Ich finde es gut, dass Peter Bosz einen solch offensiven, attraktiven Fußball spielen lässt. Ich glaube schon, dass Bayer die Abgänge ersetzen kann. Für ganz vorne wird es aber erneut kaum reichen. Für Köln kann nur der Klassenerhalt das Ziel sein. Mit Horst Heldt, Alexander Wehrle und Markus Gisdol sind beim FC die richtigen Personen am Ruder, sie sind besonnen und erfahren. Sie würden sicherlich gerne mal in Ruhe arbeiten, aber beim FC brennt es oft im Umfeld des Vereins. Die Erwartungen bei Traditionsklubs können nicht mit der Realität Schritt halten. In Köln herrscht oft Explosionsgefahr – wie auch beim HSV. Da lässt sich kaum etwas in Ruhe aufbauen.

Die Nationalmannschaft spielt weiterhin wenig überzeugend. Kann Bundestrainer Joachim Löw sie überhaupt wieder zur alten Klasse führen?

Davon bin überzeugt. Jogi Löw brennt weiter für den Job und hat die Power. Er will das unbedingt schaffen. Die Mannschaft hat ihre Entwicklung noch nicht abgeschlossen, aber sie hat großes Potenzial. Deutschland wird auch bei den nächsten Turnieren wieder zum Favoritenkreis zählen, da bin ich mir ganz sicher.