Starker Regen bei der Tour de FranceEin Auftakt mit schlimmen Stürzen
- Das Wetter hatte bei der Tour de France am Samstag großen Einfluss auf das Geschehen: Heftiger Regen sorgte dafür, dass es zahlreiche Stürze gab.
- Die Auswirkungen waren teils enorm. So gab es Wunden, Prellungen und Brüche.
- Auch einen deutschen Fahrer hat es erwischt: John Degenkolb verpasste aufgrund seines Sturzes das Zeitlimit.
Köln/Nizza – Am Tag danach war die Sonne wieder da und die zuvor so nassen Straßen der Tour de France zeigten sich so trocken wie sie es in den vergangenen Monaten gewesen waren. Was für ein Kontrast zum Samstag, als die Fahrer bei besten Wetterbedingungen des frühen Nachmittags auf ihre Reise durch Frankreich geschickt wurde.
Es ging rund um Nizza an der Côte d’Azur, doch plötzlich gab es einen dramatischen Wechsel der Bedingungen. Ein mächtiges Gewitter entlud sich über der Strecke, es regnete heftig in den Bergen und an der Küste, erstmals seit langer Zeit. Die Strecke verwandelte sich sofort in eine Rutschbahn, Radfahren auf diesem seifigen Wasser-Öl-Blütenstaub-Untergrund wurde zu einem unkalkulierbaren Risiko. Sichtbar wurde das sofort: Es gab derart viele Stürze an nur einem Tag wie sie ansonsten locker in eine dreiwöchige Frankreich-Rundfahrt passen.
„Bamm. Bamm. Bamm“
Maximilian Schachmann fasste das Geschehen sehr passend zusammen: „Bamm. Bamm. Bamm. Es gab immer neue Stürze“, sagte der ehemalige deutsche Meister aus dem Team Bora-hansgrohe. Für ihn persönlich stellte das Rutsch-Szenario eine ganz besondere Herausforderung dar, denn Schachmann fährt mit einem Schlüsselbeinbruch, den er sich vor zwei Wochen bei einem Zusammenprall mit einem Auto kurz vor dem Finale der Lombardei-Rundfahrt zuzog.
Letztlich blieb er sturzfrei, aber auch nur, „weil ich wie eine Omi die Abfahrten runtergefahren bin, mit 120-prozentiger Sicherheit. Ich war einer der langsamsten, am Ende, aber einer der Glücklichsten.“ Denn er kam sturzfrei ins Ziel, wo er von Kollegen erfahren hat, dass fast jeder gestürzt sei.
Dramatische Abfahrten
Die Situation wurde bei den serpentinenreichen Abfahrten von der Côte de Rimiez dramatisch, einem Berg der dritten Kategorie. Als es erstmals hinunter ging, häuften sich die Stürze, sekündlich gab es neue Meldungen über Radio Tour, verbunden mit zum Teil heftigen Schmerzen bei den Gestürzten. Das Szenario wiederholte sich, als das Peloton bei diesem Rundkurs erstmals über die Promenade des Anglais in Nizza fuhr: Bamm. Bamm. Bamm.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt stellte sich die Sinnfrage. Denn das Fahrerfeld wurde im Anschluss wieder über die Rampen des Rimiez gelotst, wobei es durchaus auch eine Überlegung gewesen wäre, dass die Renn-Kommissäre eingegriffen hätten, um das Rennen zu neutralisieren. Doch das taten sie nicht, zu groß war die Brisanz: Es handelte sich mit der Tour ja um das größte und wichtigste Radrennen der Welt und dort um die Auftaktetappe, noch dazu in einer neu gestarteten Saison in Corona-Zeiten.
Fahrer übernehmen die Initiative
Schließlich übernahmen die Fahrer selbst die Initiative, angeleitet von Tony Martin, dem deutschen Tour-Veteranen, 35 Jahre alt. Martin, erlernter Beruf Polizeimeister, setzte sich vor der zweiten Abfahrt des Rimiez an die Spitze des Feldes und gestikulierte, freihändig fahrend, mit beiden Armen, die er schnell auf und ab bewegte, dass ab sofort langsam gefahren werden soll: „Im Prinzip hatten wir keine Chance, ein relativ sicheres und verantwortungsvolles Rennen zu fahren. Ich bin froh, dass das Feld so zusammengehalten hat“, sagt er.
Martins Maßnahme wurde von einem Großteil des Pelotons goutiert und unterstützt, es gab viel Lob für den erfahrenen Profi von allen Teams. Allerdings hatte die kasachische Astana-Delegation zunächst kein Interesse an einer Verlangsamung des Rennens. Drei ihrer Fahrer setzten sich gleich nach dem Rimiez an die Spitze des Feldes, bis schließlich deren Kapitän Miguel Angel Lopez vor ein Straßenschild raste. Danach hatte auch Astana genug. „Die haben die Rechnung bezahlt“, sagte Martin.
Stürze auf der Zielpassage
Doch mit den Stürzen hatte es dennoch kein Ende, denn auch die Zielpassage auf der Promenade des Anglais in Nizza war seifenglatt. Drei Kilometer vor dem Ziel hatten sich die Sprinter längst entfernt, der Norweger Alexander Kristoff gewann schließlich die Etappe und eroberte das erste Gelbe Trikot der Tour.
Der Großteil des Feldes hielt sich zurück, geriet hinten aber in eine Falle: Massensturz, betroffen waren Dutzende Fahrer, einige blieben sichtbar mitgenommen liegen. John Degenkolb aus Oberursel, der schon vorher stürzte, litt unter starken Knieschmerzen und verpasste wegen seiner verlangsamten Fahrt das Zeitlimit – Ausschluss.
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Das ärztliche Bulletin nach der Etappe enthielt heftige Meldungen. Rafael Valls aus Spanien: Oberschenkelbruch. Philippe Gilbert aus Belgien: Fraktur der linken Kniescheibe. André Greipel aus Hürth: musste mit drei Stichen am Knie genäht werden.
Thibaut Pinot, einer der Tour-Mitfavoriten, aus Frankreich: zog sich heftige Prellungen an der rechten Schulter und am rechten Knie zu. „Das hier war einer der schlimmsten Tage meiner Karriere“, sagte Pinot. Aber immerhin: Keine Brüche, er konnte weiterfahren.