Kritik an Teilhabepaket„Kinder sind keine kleinen Arbeitslosen“
Köln – Das Bildungs- und Teilhabepaket für benachteiligte Kinder und Jugendliche wird zehn Jahre alt – und ist laut vielen Armutsexperten gescheitert. „Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Bundesregierung nach zehn Jahren ernüchternder Praxiserfahrung noch an diesem sozialpolitischen Murks festhält“, sagt Werner Hesse, Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, der über 3000 soziale Organisationen vertritt. Was am Gesetz nicht funktioniert und wie es besser gehen könnte.
Was ist das Bildungs- und Teilhabepaket?
Eingeführt wurde es vor zehn Jahren von der damaligen Familienministerin Ursula von der Leyen, nachdem Sozialverbände einen Anspruch auf soziokulturelle Leistungen für Kinder und Jugendliche vor dem Bundesverfassungsgericht eingeklagt hatten. Ergänzt wurden die Maßnahmen 2019 durch das „Starke-Familien-Gesetz“.
Seitdem werden Schulausflüge, Mittagessen und Nachhilfestunden für Kinder aus armen Familien von der Kommune bezahlt. 150 Euro stehen für den jährlichen Schulbedarf zur Verfügung, zusätzlich werden die Kosten für Laptops im Homeschooling erstattet. Außerdem werden Mitgliedsbeiträge für Sport-, Musik- und Kulturvereine bezuschusst.
Wie viele Kinder profitieren von der Hilfe?
Statistiken zeigen, dass bundesweit nur 15 Prozent der etwa 1,5 Millionen Kinder und Jugendlichen aus Hartz-IV-Familien die Hilfe für die so genannten „soziokulturellen Leistungen“ in Anspruch nehmen. Der überwiegende Teil der Berechtigten wird nicht erreicht. Dabei gibt es große Unterschiede innerhalb der Städte, weiß Martin Debener, Referent für Armut und Grundsicherung beim Paritätischen Wohlfahrtsverband NRW.
„Manche Kommunen weisen die Eltern aktiv auf die Unterstützung hin, andere nicht“, sagt er und benennt eine weitere Schwachstelle des Gesetzes: Die Unterstützung für den Mitgliedsbeitrag im Fußballverein oder für die Schülerhilfe muss im Jobcenter beantragt werden. „Da gehören Kinder gar nicht hin. Sie sind keine kleinen Arbeitslosen“, sagt Debener. Deshalb fordert der Wohlfahrtsverband, dass die Hilfeleistung im Jugendamt angesiedelt wird. Nur dort könnten die Mitarbeiter die ganze Familie kennenlernen und beraten.
Wie hoch ist die Unterstützung für Sport, Kultur und Freizeit?
Mit monatlich 15 Euro für die Teilnahme in einem Verein viel zu niedrig, sagt Debener. Damit würde vielleicht der Mitgliedsbeitrag abgedeckt, aber zu jeder Sportart gehöre auch eine Ausrüstung und die passende Kleidung.
„Im Regelsatz sind monatlich 10,78 Euro für Schuhe festgelegt. Wie soll man dem Sohn oder der Tochter davon noch zusätzlich Fußballschuhe kaufen?“, fragt Debener. Der Wohlfahrtsverband spricht sich deshalb dafür aus, die Regelsätze zu erhöhen. Außerdem plädiert er für eine staatliche Bezuschussung der Vereine und eine kostenlose Teilnahme aller Kinder.
Wie könnte Kinderarmut besser bekämpft werden?
Fragt man den Armutsexperten Debener, ist der einzige Weg aus der Kinderarmut Bildungsgerechtigkeit. „Wir lassen einfach viel zu viele Schülerinnen und Schüler zurück.“ Lernförderung müsste in der Schule stattfinden, nicht in privaten oder gemeinnützigen Nachhilfeeinrichtungen.
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Außerdem hat er weitere Vorschläge: einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr für Minderjährige und kostenloses Mittagessen in der Schule, ohne komplizierte Abrechnungen. Der Paritätische Wohlfahrtsverband fordert außerdem einen Rechtsanspruch auf die Angebote der Jugendarbeit und eine Kindergrundsicherung.