Verstörende InhalteLandesmedienanstalt will besseren Jugendschutz auf Porno-Portalen
Köln – „Jedes Kind kann online vom Kikaninchen zu Pornhub wechseln.“ Mit diesem drastischen Beispiel machte Tobias Schmid von der Landesmedienanstalt NRW vor einigen Tagen auf den mangelnden Jugendschutz im Internet aufmerksam. Er will die reichweitenstärksten Porno-Portale endlich zu einer wirksamen Altersbeschränkung zwingen, weil besonders der Konsum von harter Pornografie als jugendgefährdend einstuft wird.
„Wenn bei Kindern der Eindruck entsteht, Gangbang ist eine normale Sexualpraktik, in der die Frau benutzt und gedemütigt wird, dann ist das sicherlich ein extremes Problem“, sagt der Direktor der Landesmedienanstalt, die Internetangebote mit Sitz in Nordrhein-Westfalen in Hinblick auf Jugendschutz, Werbung und Persönlichkeitsrechte beaufsichtigt. Oft können Nutzer ihre vermeintliche Volljährigkeit bei den reichweitenstarken Portalen mit einem Klick bestätigen. Schmid will einen Zugang mit der Eingabe der Personalausweisnummer erzwingen.
Pornos müssen nicht zwingend entwicklungsschädigend sein
Dass bei der Volljährigkeit viele schwindeln, beweist eine gemeinsame Studie der Universitäten Hohenheim und Münster: Ein Drittel der etwa 1000 befragten Jugendlichen im Alter von 14 und 15 Jahren gibt an, schon einmal „Hardcore-Pornografie“ mit entblößten Geschlechtsteilen gesehen zu haben. Der Erstkontakt erfolge dabei durchschnittlich mit zwölf Jahren, oft im Beisein von Freunden, zu 70 Prozent über Computer oder Smartphone. Nur bei der Hälfte der Jugendlichen war dieser erste Kontakt zu Pornografie gewollt.
Anruf beim Kinderpsychiater, der sagt: Ein Porno kann zwar verstören, muss aber nicht zwangsläufig schädlich für die Entwicklung sein. „Ab der Pubertät gehört diese Neugier zur Sexualitätsentwicklung dazu“, erläutert Stephan Bender, Direktor der Kölner Kinder- und Jugendpsychiatrie. Er widerspricht auch der Annahme, dass Jugendliche die Darstellung im Film nicht von der Realität unterscheiden können.
Das Gesehene muss eingeordnet werden
Problematisch wird es, wenn dem Jugendlichen ein soziales Umfeld fehlt. „In Pornos geht es um explizite Praktiken, dort werden weder Liebe noch Beziehungen dargestellt.“ Wenn ein Kind wenig Kontakt zu Gleichaltrigen hat und auch mit den Eltern oder anderen Bezugspersonen nicht über Sexualität sprechen kann, gibt es keinen Gegenentwurf zu den Bildern aus dem Internet. Das Gesehene kann nicht eingeordnet werden, gewaltverherrlichende oder frauenfeindliche Darstellungen werden verharmlost.
Generell sei es schwer, eine für alle gültige Stundenangabe zu machen, ab wann Pornokonsum schädlich ist. „Die Frage ist im Einzelfall eher: Wie viel Realität kriege ich im Verhältnis zum Pornokonsum sonst mit?“ Der Kinderpsychiater empfiehlt Eltern, bei hohem Konsum die Mediennutzung zu begrenzen und ein offenes Gespräch zuführen. Eine Sucht nach pornografischen Inhalten beobachte er im Klinikalltag selten.
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Schmids Chancen für eine wirksamere Altersüberprüfung sind indes gering. Viele Anbieter der reichweitenstarken Portale haben längst .de-Internetadressen mit einer solchen Verifikation. Doch die Masse der Zugriffe kommen über zugangsfreie Adressen mit der Endung .com – die Plattformen wollen so verhindern, dass eine Alterüberprüfung auch erwachsene Nutzer abschreckt, die anonym bleiben wollen. (mit dpa)