Drohende Arbeitslosigkeit und die Sorge vor dem Verlust der eigenen Wohnungen bescheren der Arag viele neue Rechtsschutz-Fälle.
Düsseldorfer Arag„Soziale Inflation“ – Versicherungsbranche hat mehr Arbeit durch Krise
Die zunehmende wirtschaftliche Krise in Deutschland macht sich nun auch auf dem Markt für Rechtsschutzversicherungen bemerkbar. Die Arag mit Sitz in Düsseldorf ist der größte Rechtsschutzversicherer der Welt und die Nummer zwei auf dem deutschen Markt. „Deutlicher als in den Vorjahren werden wir im Berichtsjahr die Auswirkungen der sogenannten sozialen Inflation in den Kennzahlen sehen“, sagte Arag-Vorstandsvorsitzender Renko Dirksen vor Journalisten beim traditionellen Pressegespräch im Arag-Hochhaus in Düsseldorf.
Unter dem Begriff der „sozialen Inflation“ werde eine zunehmende Konfliktbereitschaft der Verbraucherinnen und Verbraucher verstanden. „Konkret verzeichnen wir eine Zunahme von Verkehrs-, Arbeits- und Mietrechtsfällen. In den letzten beiden Leistungsarten spiegeln sich ein wachsender Druck im Arbeitsmarkt und die deutlichen Inflationsfolgen für Mieterinnen und Mieter wider“, so Dirksen im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Konkret gebe es aktuell bei der Versicherung 13 Prozent mehr Schadenfälle im Arbeitsrechtsschutz als im vorausgegangenen Jahr. „Mit Blick auf die Zahlen des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) beobachten wir in der Rechtsschutzbranche insgesamt einen Anstieg der gemeldeten Schäden von über drei Prozent. Beim Arbeitsrechtsschutz liegt die Steigerung mit über acht Prozent mehr als doppelt so hoch. Insgesamt wird die Rechtsschutzbranche hochgerechnet rund 4,5 Millionen Mal Zugang zum Recht ermöglichen“, heißt es von der Arag.
Bei dem Düsseldorfer Versicherer steigen die Arbeits-Rechtsschutzfälle demnach ebenfalls doppelt so stark wie der Durchschnitt. „In diesem Jahr werden wir erstmalig 100.000 Arbeitsrechtsschutzfälle haben“, heißt es weiter. In Verbindung mit einem starken Neugeschäft erwartet der Vorstandsvorsitzende der größten deutschen Versicherung in Familienhand einen geringeren versicherungstechnischen Gewinn von 100 Millionen. Im Vorjahr waren es noch 138 Millionen Euro.
Im Gewinn berücksichtigt ist eine sogenannte Schwankungsrücklage von 30 Millionen Euro. Sie dient dem Ausgleich der Schwankungen im Schadenverlauf künftiger Jahre. Dirksen versucht aber zu beruhigen: „Es ist zu früh, den Anstieg des Schadenaufwandes als festen Trend zu beschreiben“.
Gewinn bleibt hinter Vorjahr zurück
Das Ergebnis aus Kapitalanlagen soll im Gegenzug für das laufende Jahr 2024 deutlich besser ausfallen als im Vorjahr. „Unter dem Strich werden alle Faktoren zu einem Ergebnis vor Steuern in Höhe von 110 Millionen Euro führen. An den Spitzenwert des Vorjahres von 136 Millionen Euro wird es aber nicht heranreichen“, sagte Dirksen.
Die Arag ist zwar eine europäische Aktiengesellschaft. Sie ist aber nicht an der Börse notiert, sondern in Familienbesitz. Der Düsseldorfer Paul-Otto Faßbender ist Mehrheitsaktionär (Haupteigentümer) des Konzerns. Er war 2000 bis Juli 2020 Vorstandsvorsitzender. Anfang Juli 2020 wurde Renko Dirksen Vorstandssprecher. Im September wurde Dirksen ebenfalls der Titel Vorstandsvorsitzender verliehen. Nach seinen Angaben war das geschehen, um mehr Transparenz im Ausland zu haben, wo der Vorstandssprecher, de facto der Chef des Gremiums, oft mit einem Sprecher im engeren Sinne verwechselt werde.
Im kommenden Geschäftsjahr will der Versicherer „organisch als auch anorganisch“, also durch Zukäufe, weiter wachsen. Die Arag SE hat zum Beginn des Jahres die Übernahme der britischen Rechtsschutzversicherung DAS UK von der Ergo Versicherung übernommen. Damit seien auch 600 britische Mitarbeiter übernommen worden. Das Unternehmen soll künftig unter dem Markendach am Standort Bristol geführt werden.
Der Personalstock ist im laufenden Jahr um knapp 19 Prozent gewachsen, die Zahl der Beschäftigten stieg um 960 auf insgesamt 6000. Im kommenden Jahr will das Unternehmen in Finnland Fuß fassen. Dazu nutzen wir unsere Konzerntochter Help Forsikring. „Sie ist als Rechtsschutzanbieter bereits in Norwegen, Schweden und Dänemark aktiv“, sagte Dirksen. Aktuell warte man noch auf die finale Genehmigung der norwegischen Behörden, in Norwegen hat Help ihren rechtlichen Sitz.
Die heutige Arag wurde 1935 als Deutsche Auto-Rechtsschutz-AG durch den Düsseldorfer Unternehmer und Anwalt Heinrich Faßbender, gegründet, dem Großvater des heutigen Mehrheitsgesellschafters. 1948 wurde das Geschäft auch auf andere Rechtsschutzbereiche ausgeweitet. 1965 stieg man in das Geschäft mit Lebensversicherungen ein, von dem man sich 2017 aber wieder trennte. Neben Rechtsschutz bietet die Arag auch private Krankenversicherungen an. Das Unternehmen ist aktuell in 19 Ländern aktiv.