Axa-Chef Schumacher„Der Wettbewerb ist noch deutlich härter geworden“
Herr Schumacher, Sie sind seit Ende des vergangenen Jahres neuer Axa-Chef. Was waren Ihre ersten Amtshandlungen und welche Schwerpunkte wollen Sie in Ihrer Arbeit setzen?Thilo Schumacher: Ich übernehme ein Unternehmen, das in einem sehr guten Zustand ist. Als Vorstandsteam haben wir schon vor einiger Zeit eine klare Strategie festgelegt. Also brauchte es keinen 100-Tage-Plan und einen Chef, der alles anders macht. Wir setzen das um, was wir uns vorgenommen haben.
Bald jährt sich die Flutkatastrophe. Wie viel hat Tief Bernd die Axa gekostet?
Diese schrecklichen Bilder und dieses unvorstellbare Leid der Menschen – das hätte ich mir in Deutschland nicht vorstellen können. Wir selbst hatten über 2000 betroffene Mitarbeitende. Sicher, es hat uns Geld gekostet, aber dafür sind wir ein Schaden-Unfallversicherer. Eine genaue Summe kann ich noch nicht nennen, auch, weil noch nicht alle Schäden reguliert sind. Gerade im Ahrtal kann man viele Häuser nicht mehr sanieren, sondern sie müssen abgerissen und vor allem wieder aufgebaut werden und das kostet Zeit. Insgesamt sind wir sehr gut rückversichert und Teil einer starken Axa-Gruppe. So haben wir trotz des hohen Schadens im vergangenen Jahr gute Zahlen geschrieben.
Wie viel Prozent der Schäden sind denn mittlerweile reguliert?
Ein Großteil von rund 60 Prozent sind bereits vollständig reguliert - insbesondere Schäden an Hausrat oder Fahrzeugen sind weitestgehend abgeschlossen. Offen sind hauptsächlich Schäden, die zum Beispiel aufgrund ihrer Komplexität mehr Zeit in Anspruch nehmen.
Verzeichnen Sie einen deutlichen Anstieg der Nachfrage nach Elementarschadenversicherungen?
Kurz nach der Katastrophe gab es einen deutlichen Anstieg. Dann hat die Nachfrage aber wieder deutlich nachgelassen. Der Mensch verdrängt eben gerne. Eine solche Police kostet im Jahr ab 100 Euro. Ich kenne Kunden, die sich bewusst dagegen entschieden haben, obwohl ihr Haus eine halbe Million Euro wert ist. Ein Haus ist das materiell Wichtigste, was wir besitzen und deshalb kann ich nur an die Menschen appellieren, es gegen Elementarschäden zu versichern.
Sind Sie für eine Pflichtversicherung?
Nein, das bin ich nicht. Der Kunde muss die Wahl haben. Wir als Axa sind für ein Opting-Out-Modell, das heißt, der Kunde ist erst einmal gegen Elementarereignisse versichert, kann sich aber aktiv dagegen entscheiden und beim Abschluss der Wohngebäudeversicherung abwählen.
Bieten Sie in den stark betroffenen Lagen jetzt noch Versicherungsschutz an?
Es gibt heute schon Lagen, wo wir keinen Schutz anbieten. Aber das sind bundesweit deutlich weniger als ein Prozent aller Häuser. Und ich bin überzeugt, wenn es zu einem Opting-Out-Modell kommt, wird die Branche eine Lösung bereitstellen. Aber auch die Politik ist gefordert, etwa bei Neubaugebieten darauf zu achten, wo sie entstehen, denn am Schluss werden die Kosten auf die Gesellschaft umgelegt.
Zur Person
Thilo Schumacher wurde 1975 in Frankfurt am Main geboren. Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule für Unternehmensführung (WHU) in Vallendar und anschließender Promotion begann er seine berufliche Laufbahn bei McKinsey.
Seit 2008 arbeitet er für die Axa in verschiedenen Führungspositionen. Seit 2012 ist er Vorstandsmitglied des Kölner Versicherers und hat seitdem verschiedene Vorstandsressorts verantwortet. Seit 2018 leitet er die Personenversicherung mit den Sparten Kranken- und Lebensversicherung und war bis Dezember 2021, bevor er den Vorstandsvorsitz übernommen hat, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Konzerns.
Schauen wir auf den Angriffskrieg in der Ukraine. Spüren Sie als Unternehmen Auswirkungen?
Wir als Axa Deutschland haben kein Geschäft in Russland oder der Ukraine. Wir haben kurz nach dem Beginn des Krieges einen Brief an die Mitarbeitenden geschrieben, dass der Angriff auch ein Angriff auf unsere Werte ist. Wir als Axa-Konzern haben direkt eine Geldspende an Care Deutschland überwiesen und in der Belegschaft gab es ebenfalls eine enorme Hilfs- und Spendenbereitschaft. Wir haben Hilfsgüter an die Grenze gebracht und wir bauen gerade einen Co-Working-Space bei uns auf dem Campus auf, in dem ukrainische Geflüchtete arbeiten können, während ihre Kinder in einer kleinen Spielecke betreut werden. Wir wollen damit auch ein Zeichen setzen, „Ihr seid willkommen und ihr seid nicht allein!“.
Viele Unternehmen fürchten mögliche Gas-Engpässe und in Folge Produktionsausfälle im kommenden Winter. Was bedeutet das für Sie als Industrieversicherer?
Wenn es zu Produktionsausfällen kommt, sinken die Umsätze und damit auch die an den Umsatz gekoppelten Prämien. Für uns sind allerdings die Null-Covid-Strategie Chinas und die damit verbundenen Lieferkettenunterbrechungen das deutlich größere Thema.
Inwiefern?
Wenn in China Fracht nicht gelöscht wird und es zu Lieferproblemen kommt, wie etwa in der Autoindustrie, die keine Fahrzeuge mehr bauen kann, dann steigen beispielsweise die Preise für Mietwagen deutlich an, weil die Mietwagengesellschaften nicht mehr im Umfang wie früher Autos bekommen. Die Kosten für Mietwagen müssen wir beispielsweise übernehmen, wenn ein Kunde sein Auto in der Werkstatt hat. Das macht sich schon bemerkbar. Was tun wir dagegen – etwa langfristige Verträge mit Partnern abschließen, im Rahmen dessen wir uns die Preise sichern.
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Nach der jahrelangen Niedrigzinsphase hat die EZB nun Zinserhöhungen eingeleitet. Könnte das Modell der klassischen Lebensversicherung mit Garantieverzinsung eine Renaissance erleben?
Nein, das glaube ich nicht. Die Inflation, die wir derzeit erleben, ist vor allem ausgelöst durch die hohen Energiepreise und die Lieferschwierigkeiten, die zu deutlichen Preiserhöhungen führen. An den fundamentalen Daten hat sich allerdings nichts geändert. Deshalb gehen wir davon aus, dass es eine Momentaufnahme ist, auch wenn dies ein paar Jahre andauern kann. Und zwischen Verzinsung und Inflation ist die Lücke, die zu einem realen Kaufkraftverlust führt, enorm groß. Deshalb muss man anders investieren, wie etwa in Fondslösungen.
Die Zurich-Versicherung hat jüngst angekündigt, ihre Lebensversicherungsbestände an eine externe Plattform zu verkaufen. Gibt es bei der AXA ähnliche Pläne?
Jeder in der Branche beschäftigt sich immer mal wieder mit dem Thema. Aber aktuell gibt es dazu nichts zu sagen.
Gibt es geplante Veränderungen am Standort Köln?
Wir haben schon vor einiger Zeit den gesamten Campus auf modernes Arbeiten umgestellt. Unser Standort ist in den vergangenen Jahren zudem immer weiter gewachsen und wir stellen weiter ein. Auch als attraktiver Arbeitgeber stehen wir aber im Wettbewerb um gute Fachkräfte. Wir finden noch sehr viele gute Leute, aber man merkt, dass der Wettbewerb noch deutlich härter geworden ist. Von der Politik würde ich mir eine bessere Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr wünschen. Viele Mitarbeitende kommen immer noch mit dem Auto, vor allem früh morgens. Das ist eigentlich nicht mehr zeitgemäß, aber wegen der schlechten Anbindung sind sie auf das Auto angewiesen.