Köln – In drei Wochen jährt sich die Flutkatastrophe in Folge von Tief „Bernd“. Allein in Deutschland starben 190 Menschen, 134 davon im Ahrtal. Nach Schätzungen belaufen sich die gesamtwirtschaftlichen Schäden in den betroffenen Gebieten in ganz Europa auf 40 bis 50 Milliarden Euro.
Welche Schlüsse lassen sich aus dem Ereignis ziehen? Hätte es so weit kommen müssen? Und welche Handlungsempfehlungen ergeben sich daraus für die Zukunft? Auch ein Extremwetterereignis dieses Ausmaßes könne grundsätzlich rechtzeitig erkannt und den Folgen besser begegnet werden. Das ist das Ergebnis einer umfassenden Analyse der Kölner Zurich-Versicherung.
Grundlage waren tausende von E-Mails sowie Gespräche mit Betroffenen und Einsatzkräften. Die Studie zeigt dabei deutliche Mängel bei der Vorbereitung sowie bei der Bewältigung der Krise und nun beim Aufbauprozess auf.
„Bernd“ war nicht historisch
„Die Flutkatastrophe wurde von vielen der Betroffenen als ,beispiellos’ beschrieben. Dies ist nachweislich falsch“, sagt Michael Szönyi, Leiter des Flood Resilience Program bei Zurich. So belegten Aufzeichnungen, dass es im Ahrtal bereits 1804 eine Überschwemmung ähnlicher Größenordnung gegeben habe. Auch 1910 habe es ein Hochwasser gegeben, das vorliegende Pegelaufzeichnungen deutlich überschreite.
„Offenbar geraten Extremwetterereignisse zu schnell in Vergessenheit. Das führt möglicherweise dazu, dass beispielsweise weitreichende Hochwasserschutzpläne aus den 1920er Jahren nie umgesetzt wurden. Auch als 2016 das Ahrtal erneut überflutet wurde, wurde von einem Jahrhundertereignis gesprochen, was es in Anbetracht der Historie bei weitem nicht war“, erläutert Szönyi.
Die Nachfrage nach Elementarschutzversicherungen sei bereits auf Vor-Katastrophen-Niveau. „Das Wissen, dass ein Hochwasser passieren kann und welche Ausmaße es annehmen könnte, muss daher stärker und dauerhaft bei den Menschen verankert werden“, so Szönyi.
Schlechte Warnsysteme
Die Frühwarnsysteme wie MoWaS mit Diensten wie KATWARN oder die NINA-Warn-App haben entweder keine, zu wenige oder widersprüchliche Informationen geliefert, heißt es in der Analyse. Push- statt Pull-Nachrichten würden eine bessere Kommunikationskette von den Behörden über die lokalen Einsatzkräfte bis hin zur Bevölkerung sicherstellen.
Ungenaue Vorhersagen
Während das Extremwetterereignis grundsätzlich gut vorhergesagt wurde, gab es in Bezug auf das zu erwartende Hochwasser nur für die größeren Flüsse wie Rhein und Mosel konkrete Aussagen. Die Situation an den kleineren Flüssen konnte auch nicht annähernd exakt vorhergesagt werden, schreiben die Studienautoren.
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So funktionierte zum einen die Zusammenarbeit zwischen meteorologischen und hydrologischen Vorhersagediensten sowie lokalem Katastrophenschutz nicht gut. Hinzu kommt zum anderen eine zu geringe Anzahl an Pegelstationen. Zudem sei die Genauigkeit von Hochwassermodellen bei weitem nicht ausreichend. Die aktuellen Hochwassermodelle müssten grundlegend überarbeitet werden, lautet eine der Forderungen.
Fehler beim Wiederaufbau
„Hochwasserkarten und die Ausweisung von Überschwemmungsgebieten dürfen sich nicht nur auf 'Durchschnittsereignisse' beziehen, sondern sollten auch ein maximal mögliches Hochwasser-Szenario enthalten“, mahnt Horst Nussbaumer, Vorstand der Zurich Gruppe Deutschland. Kommunen sollten die Erkenntnisse in Zukunft auch stärker bei der Erstellung von Flächennutzungs- und Bebauungsplänen berücksichtigen, so Nussbaumer.
Katastrophenrecht reformieren
In vielen Fällen hat das Katastrophenrecht die Reaktion auf das Hochwasser erheblich behindert, so die Analyse. Da sie sich nur auf kleinere Katastrophenereignisse wie etwa Busunfälle oder Chemievorfälle in Industrieanlagen vorbereitet hatten, seien die Einsatzkräfte schlecht gerüstet gewesen. Darüber fehlte es an entsprechender Ausrüstung. Unterkünfte und medizinische Hilfseinheiten waren während der Flutnacht weder für die Anzahl der Menschen ausgestattet noch darauf ausgelegt, ohne kritische Infrastrukturen zu funktionieren. Die Funkkommunikation etwa sei nicht zuverlässig gewesen. An diesen Punkten gelte es anzusetzen.