Pilzling-Gründer Christian Vetter ging im August fast das Geld aus, nun hat er am Hansaring seine Pilzfarm eröffnet.
Baugenehmigung dauerte ein JahrKölner Start-up Pilzling kämpft ums Überleben
Wer ein Unternehmen gründet, braucht ein dickes Fell und Kapital. Ersteres hat Christian Vetter – zumindest noch. Letzteres sammelt er gerade – mal wieder. Sein Start-up Pilzling, das er 2022 gegründet hat, will mithilfe städtischer Abfallprodukte Gourmet-Pilze in einer urbanen Pilzfarm züchten. Die Räume dafür hat Pilzling in der Plankgasse am Hansaring gefunden, vor wenigen Tagen feierte das Start-up die Eröffnung seiner Zucht.
Am Hansaring wachsen 350 Kilogramm Pilze pro Monat
Jeden Monat sollen hier 350 Kilogramm Pilze wachsen, die dann von Gastronomien wie Tigermilch im Belgischen Viertel, Johann Schäfer in der Südstadt oder dem Neobiota auf der Ehrenstraße gekauft werden. „Spezielle Pilzsorten wie Lions Mane oder Igelstachelbart gibt es zum Beispiel im Großhandel nicht. Die gehobene Gastronomie schätzt zudem die regionale Nähe, weil wir die Pilze direkt nach der Ernte ins Restaurant bringen. So sind sie frischer als im Großhandel mit langen Transportwegen“, sagt Vetter.
Damit die Pilze wachsen, brauchen sie Abfallprodukte wie Kaffeesatz oder Holzspäne, ein kühles Raumklima und Dunkelheit. Die Räume, in denen die Pilze wachsen, sind mit Sensoren ausgestattet, die die Temperatur prüfen und stabil halten. „Pilze können Abfallstoffe wie Kaffeesatz zersetzen. Wir sehen großes Potenzial darin, dass sie das städtische Leben mitgestalten, indem sie aus Abfall Lebensmittel herstellen“, erklärt Vetter die Idee hinter dem Unternehmen.
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Baugenehmigung der Stadt Köln dauerte fast ein Jahr
Dass der Eröffnungstag noch einmal kommen würde, war im Sommer noch fraglich. Im August stand Pilzling kurz vor der Insolvenz, Vetter ging das Geld aus. Die bisherigen Investoren – der Risikokapitalgeber Capacura und die landeseigene NRW-Bank – stockten laut Vetter ihre Anteile noch einmal auf und sicherten Pilzling so das Überleben. Grund für die Schieflage war eine fehlende Genehmigung vom Bauaufsichtsamt: Vetter hatte die Räumlichkeiten am Hansaring zwar angemietet, doch für seine Pilzzucht brauchte er keine vergleichsweise einfache Nutzungsänderung, sondern musste eine Baugenehmigung bei der Stadt beantragen. Knapp eineinhalb Jahre dauerte der komplette Prozess, knapp ein Jahr allein die Baugenehmigung. Kurz vor dem Aus gab das Bauamt dann grünes Licht und Vetter konnte seine Pilzproduktion starten.
Die Start-up-Politik der Stadt Köln bewertet er kritisch: „Ich glaube schon, dass die Stadt attraktiv für Start-ups sein will. Aber in der Verwaltung existieren Prozesse, die sehr bürokratisch sind und es braucht lange, bis sich etwas tut.“ Digital-Start-ups, die häufig nur eine Bürofläche bräuchten, hätten es in Köln gut, meint Vetter. „Produzierendes Gewerbe ist per se anspruchsvoller, allein aufgrund vieler Richtlinien, und somit abhängiger von Genehmigungen.“
Die Statistik zeigt, dass in den ersten drei Jahren nach Gründung 80 bis 90 Prozent der Start-ups scheitern. Doch Pilzling-Geschäftsführer Vetter arbeitet daran, nicht Teil dieser Statistik zu sein. Während seine Produktion unfreiwillig stillstand, kaufte er das Start-up Pilzwald, das Pilz-Zuchtsets für zu Hause herstellt, um zumindest eine Umsatzquelle zu haben. Was aus der Not geboren war, hat sich rückblickend als strategisch gute Entscheidung erwiesen: „Wir können so günstiger produzieren und kontrollieren unsere Lieferkette“, sagt Vetter. Pilzwald stellt das Substrat her, aus dem die Edel-Pilze gezogen werden. Die Zuchtsets laufen bei den Endkunden gut, sie stehen für 80 Prozent des Umsatzes – doch die Kosten decken sie längst nicht.
Produktion am Hansaring läuft hoch
Im kommenden Jahr sollen die Zuchtsets nur noch das sein, wofür sie ursprünglich gedacht waren: eine alternative Einnahmequelle. Dann will Vetter mit seinen frischen Pilzen den Großteil des Umsatzes reinholen. Aktuell erlöst er 200.000 bis 250.000 Euro, im kommenden Jahr soll es drei- bis viermal so viel sein. Aus der Überproduktion macht Pilzling Saucen und Gewürze, die sie ebenfalls an Endkunden verkaufen.
Bis zum Jahresende reicht das Geld noch, dann muss Pilzling in der aktuellen Kapitalrunde rund 180.000 Euro eingesammelt haben, die Hälfte hat Vetter schon zusammen. Den nächsten Schritt hat er schon genau vor Augen: Die Pilzfarm am Hansaring soll nur ein Zwischenschritt sein. Er will außerhalb der Stadt eine eigene Produktion aufbauen, in der er selbst Substrat herstellt. Die Zuchtsets für zu Hause sollen dann kaum noch eine Rolle spielen, dann nimmt er nämlich die Industrie in den Fokus: Für eine Tonne Pilze brauche man drei Tonnen Substrat, der industrielle Markt sei groß.
„Ich habe oft darüber nachgedacht, aufzugeben“, sagt Vetter. „Doch ich glaube noch daran, dass die Idee funktioniert.“ Wenn die Firma im kommenden Jahr wieder in einen finanziellen Engpass kommen sollte, dann mischt er die Karten noch einmal neu. „Das zehrt einfach sehr an den Kräften.“