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Zerbrochene Scheiben, beschmierte SitzeWas randalierende Fußballfans in Zügen die Bahn kosten

Lesezeit 4 Minuten
An einer elektronischen S-Bahn-Fahrtanzeige in Offenbach am Main wurde die Glasscheibe bewusst zerschmettert.

An einer elektronischen S-Bahn-Fahrtanzeige in Offenbach am Main wurde die Glasscheibe bewusst zerschmettert.

100.000 Fußballfans reisen am Wochenende per Zug ihren Mannschaften hinterher. Einige wenige verursachen hohe Schäden. Wer zahlt für die Randale?

Die Situation ist bedrohlich: Mit Böllern und Steinen attackieren mehr als 100 vermummte Hooligans Ende Oktober einen Zug in Brandenburg, der nach einer Notbremsung auf freier Strecke stehen bleibt. Im Zug sitzen Anhänger von Rot-Weiss Essen, die unterwegs zum Auswärtsspiel des Drittligisten gegen Hansa Rostock sind. Die meisten Menschen kommen mit dem Schrecken davon. Doch die Schäden am Zug sind so massiv, dass die Essen-Fans am nächsten Bahnhof in einen anderen Zug umsteigen müssen.

Vandalismus von solchem Ausmaß ist die Ausnahme. In den meisten Fällen läuft es friedlich und ohne Zwischenfälle ab, wenn Fans im Zug zu den Spielen ihrer Mannschaft reisen. Doch eben nicht immer. Als „Andenken“ bleiben dann Aufkleber mit dem Vereinslogo im Zug zurück oder Graffiti. Und manchmal gibt es nach viel Alkohol nicht nur Übergriffe auf andere Passagiere – wie jüngst auf die Berliner Sängerin Mine, die via Instagram die Belästigungen von Hertha-BSC-Fans anprangerte –, sondern auch handfeste Randale: zerbrochene Fensterscheiben, eingetretene Türen oder aufgeschlitzte Sitze. Das zu reparieren, ist teuer. Und die Kosten bleiben in der Regel bei den Bahnunternehmen hängen.

Eine kleine Minderheit verursacht große Schäden

„Fast alle Zugfahrten von Fußballfans verlaufen ohne Probleme“, betont ein Bahnsprecher – und doch: „Durch eine Minderheit von gewaltbereiten Störern entstehen der DB jedes Jahr etwa 2 Millionen Euro Kosten.“ Dabei geht es vor allem um Sachbeschädigungen, Schmierereien und kaputte Scheiben. „Aber auch der Einsatz von zusätzlichen Sicherheitskräften kostet Geld.“ Denn dieses Extrapersonal wird dazu geholt, wenn schon vorher abzusehen ist, dass es Ärger geben könnte.

Weitere Kosten entstehen durch Zugausfälle und Verspätungen, wenn Züge durch das Verhalten von Randalierern aufgehalten werden oder wenn beschädigte Fahrzeuge erst einmal repariert werden müssen und tagelang nicht einsatzfähig sind. „Die Leidtragenden sind die Pendler, für die nicht die nötige Zahl an Fahrzeugen zur Verfügung steht“, sagt der Bahnsprecher. Entstandene Schäden werden von der DB strafrechtlich verfolgt. Doch die Täter zu identifizieren und zu fassen, ist schwer.

Die meisten Fans reisen in regulären Zügen

Denn: An jedem Wochenende sind nach Angaben der Deutschen Bahn mehr als 100.000 Fußballfans in ganz Deutschland unterwegs, in Fern- und Nahverkehrszügen. Dabei nutzen die Fans zum großen Teil die regulär verkehrenden Züge – im Nahverkehr sind das sowohl Züge der DB als auch anderer, regionaler Verkehrsunternehmen.

Sind Spiele besonders nachgefragt, werden zusätzliche Entlastungszüge in den Regionen eingesetzt. Dazu hat die DB auf ihrer Homepage eigens eine „Fan-Ecke“ eingerichtet, wo reguläre Verbindungen und auch zusätzliche Züge zu finden sind – meist zwei Wochen vor dem Spielbeginn. In seltenen Fällen chartern Fanorganisationen oder Vereine für eine längere Anfahrt zu Auswärtsspielen sogar komplette Sonderzüge.

Viele Vereine suchen deshalb nach jeweils passenden Lösungen mit den Bahnunternehmen. „Die An- und Abreise zu Auswärtsspielen mit Sonder- oder Entlastungszügen ist eine sehr gute Lösung“, berichtet Denise Schäfer, Kommunikationschefin beim Bundesligisten FC Augsburg. Das gelte sowohl für Fans als auch für normale Bahnreisende, denn diese Variante verlaufe „unter Sicherheits- und Komfortaspekten“ deutlich reibungsloser als im regulären Bahnverkehr.

„Allerdings bieten nur sehr wenige Bahnunternehmen Reisen mit Sonder- oder Entlastungszügen an, zudem sind sie mit erheblichen Kosten verbunden.“ Ein- bis zweimal pro Saison organisiert die Augsburger Fanszene Sonderzüge zu Auswärtsspielen in Eigenverantwortung. „Unsere Erfahrungen damit sind durchweg gut“, sagt die FCA-Sprecherin. Die gegenteilige Erfahrung machte ihr Verein in diesem Frühjahr, als Fans einen regulär fahrenden Regiozug demolierten – und der Verein sich dann von den randalierenden Ultras distanzierte.

Immer wieder Probleme mit Ultras im Nordosten

Auch im Nordosten gibt es deutliche Unterschiede zwischen friedlichen Fußballfans und gewaltbereiten Gruppen. Vor allem letztere machen an den Bahnhöfen und in den Zügen selbst Probleme, betont die Verkehrsgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern. „In bestimmten Konstellationen von Fangruppen kommt es leider immer wieder zu schwierigen Situationen und Schäden an den Fahrzeugen“, sagt Sprecherin Katharina Henkel. Grundsätzlich begrüße man deshalb die Sonderzüge für Fußballspiele, da so die Regelzüge entlastet werden. 2024 wurden sie zweimal eingerichtet.

Doch der Fall des Essener Fanzugs zeigt, dass auch ein Sonderzug kein Garant für eine Reise ohne Zwischenfälle ist. Hansa Rostock distanzierte sich auf seiner Website umgehend von der Gewaltattacke auf den Fanzug. „Unser Verein verurteilt den Angriff auf das Schärfste“, heißt es dort. Gefasst wurde zunächst nur ein Verdächtiger.

Immerhin mit Schwarzfahrern gibt es kaum Probleme: Die meisten Eintrittskarten sind Kombitickets, in denen eine kostenfreie Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs enthalten ist.