Die Richtlinie soll für mehr Menschenrechte und höhere Umweltstandards in Europa sorgen. Auch für deutsche Unternehmen gibt es Neuerungen.
FDP und CDU/CSU stimmten dagegenEU-Lieferkettengesetz beschlossen – Was bedeutet das für Deutschland?
Das EU-Parlament hat am Mittwoch die endgültige Fassung eines europäischen Lieferkettengesetzes beschlossen. Mit großer Mehrheit stimmten die Abgeordneten für den ausgehandelten Kompromiss, der Großkonzerne künftig dazu verpflichtet, Menschenrechte und Umweltnormen entlang der Lieferkette ihrer Produkte zu gewährleisten. Kinderarbeit, Sklaverei, Umweltverschmutzung oder der Verlust der biologischen Vielfalt sollen dadurch verhindert werden.
FDP und CDU/CSU stimmten gegen das Gesetz. Es sei fraglich, ob der Schutz der Menschenrechte und der Umwelt nun tatsächlich weltweit stärker durchgesetzt werde, meint CSU-Politikerin Angelika Niebler. „Unternehmen könnten sich aufgrund der Vorlagen auch aus Entwicklungsländern zurückziehen“, fürchtet sie. Wenn Firmen aus anderen Ländern, wie beispielsweise China, diese Lücken füllten, wäre am Ende niemandem geholfen.
Lieferkettenrichtlinie gilt erst für Unternehmen ab 1000 Angestellten
„Es ist fünf nach zwölf für ein Lieferkettengesetz“, sagt Europapolitikerin Özlem Demirel (Linke) dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Auch wenn der vom Rat beschlossene Kompromiss abgeschwächt wurde, sei das beschlossene EU-Lieferkettengesetz längst überfällig, damit große Konzerne und international agierende Unternehmen aus der EU endlich Verantwortung für Menschenrechte, Arbeitnehmerrechte und die Umwelt übernähmen. „Beinahe zynisch dürfte das für die Angehörigen der 1138 Textilarbeiter*innen wirken, die im Rana-Plaza-Gebäude in Bangladesch ihr Leben verloren haben, während sie für Unternehmen wie KiK schufteten“, so Demirel. Denn die EU habe auf den Tag genau elf Jahre gebraucht, um diese Richtlinie auf den Weg zu bringen.
Die abgeschwächte Lieferkettenrichtlinie soll erst für Unternehmen ab 1000 Angestellten und einem Umsatz von 450 Millionen Euro gelten. Es betrifft damit gerade einmal 5000 Unternehmen in der ganzen Union. Im EU-Ministerrat hatte Deutschland das Gesetz blockiert, da die FDP in der Berliner Ampelkoalition gegen strengeren Regeln für Unternehmen ist. Nach langen Verhandlungen wurde Deutschland schließlich überstimmt und die nötige Mehrheit ohne Berlin organisiert.
FDP, CDU und CSU geht das Gesetz zu weit. „Die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft ist bereits durch hohe Energiepreise, Fachkräftemangel und hohe Bürokratielast unter Druck“, warnt CSU-Politikerin Niebler. „Mit dem Lieferkettengesetz setzen wir jetzt noch eins drauf.“
Was bedeutet das EU-Lieferkettengesetz für Deutschland?
Deutschland hat bereits ein eigenes Lieferkettengesetz für Konzerne, das ebenfalls für Unternehmen ab 1000 Beschäftigten gilt. Weil beim EU-Gesetz aber zusätzlich noch ein Umsatz von 450 Millionen Euro erzielt werden muss, werden weniger deutsche Unternehmen als bisher betroffen sein. Neu ist für die großen Konzerne, dass sie zivilrechtlich haftbar bei Verstößen gegen die Sorgfaltspflicht gemacht werden können. Sowohl die Umsatzschwelle als auch die zivilrechtliche Haftung muss die Bundesregierung nun in das nationale Gesetz überführen.
EU-Verbraucherpolitikerin Anna Cavazzini (Grüne) lobte, dass das EU-Gesetz in einigen Bereichen über die deutsche Gesetzgebung hinausgeht. „So sind mehr Umweltrechte enthalten, Unternehmen müssen einen Klimaplan vorlegen und Opfer von Menschenrechtsverletzungen kommen leichter an Entschädigungszahlungen“, sagte sie dem RND. Neu ist auch, dass Unternehmen einen Übergangsplan zur Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad erstellen müssen, um ihr Geschäftsmodell mit dem Pariser Abkommen in Einklang zu bringen.
Die Einhaltung des deutschen Lieferkettengesetzes überwacht das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Es erhält in Zukunft mehr Befugnisse und kann ein Bußgeld von bis zu 5 Prozent des weltweiten Nettoumsatzes eines Unternehmens verhängen. Bisher belief sich das Bußgeld auf höchstens 50.000 Euro und war laut Beobachtern nicht abschreckend genug.
Für kleine und mittlere Unternehmen gilt das Lieferkettengesetz zwar nicht. Allerdings rechnen Wirtschaftsvertreter damit, dass die Großkonzerne Informationen und Vereinbarungen von kleinen Zuliefern verlangen. Allerdings dürfen die Konzerne ihre Sorgfaltspflicht nicht auf die kleinen Firmen abwälzen und beispielsweise von ihnen eine eigene Risikoanalyse verlangen. Ebenso sind pauschale Zusicherungen, dass es beim Zulieferer keine menschenrechtlichen Probleme gibt, nicht erlaubt. Eine Haftung für die kleine und mittlere Unternehmen gibt es ebenfalls nicht.