GMX-Chef Oetjen fordert Sanktionen„Facebook und Google sitzen auf Nutzerdaten“
- Über die Sammlung und Nutzung von Daten herrscht viel Unsicherheit. Ein neues Gesetz soll das wohl noch in diesem Jahr ändern.
- Deutsche Unternehmen hoffen auch, dass sie dadurch an die großen US-Konzerne anknüpfen können. Auch GMX-Geschäftsführer Jan Oetjen sieht eine Chance.
- Oetjen erläutert, warum die Politik nun die Möglichkeit hat, „die Uhren wieder auf Null zu stellen“.
Köln – Welche Unternehmen dürfen auf ihren Webseiten welche Cookies nutzen? Wie muss die Einstimmung der Nutzer erfolgen? Welche Daten dürfen gesammelt werden? Wer darf sie in welchem Land verarbeiten? Auf Fragen wie diese geben aktuell mehrere Gesetze nebeneinander Antworten: Das undurchsichtige Dickicht aus Datenschutzgrundverordnung, Telekommunikationsgesetz und Telemediengesetz sorgt vor allem für Rechtsunsicherheiten – sowohl bei Verbrauchern als auch Anbietern von Diensten. Das soll sich ändern.
Voraussichtlich Ende Dezember tritt ein neues Gesetz mit dem sperrigen Namen Telekommunikations-Telemedien-Datenschutz-Gesetz, kurz: TTDSG, in Kraft. „Wir brauchen endlich Klarheit über die Regelungen“, sagt Jan Oetjen. Im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ warnt der Geschäftsführer der E-Mail-Anbieter GMX und Web.de: „Auch europarechtlich müssen die richtigen Weichen gestellt werden, damit Europa nicht zwischen China und den USA zerrieben wird.“
Oetjen befürchtet, dass europäische Unternehmen immer weiter ins Hintertreffen geraten, wenn der Gesetzgeber keine klaren Regeln für eine Nach-Cookie-Ära schafft. Erst kürzlich hatte der Bundesgerichtshof geurteilt, dass Nutzer Cookies aktiv zustimmen müssen. Diese speichern beim Surfen im Internet Daten auf der Festplatte des Nutzers. Bei einem späteren Besuch der Webseite werden mit ihrer Hilfe die Nutzer und ihre Einstellungen wiedererkannt. Cookies werden auch dazu verwendet, Verbrauchern individuelle Werbung zu präsentieren.
Immer mehr Browser löschen Cookies
Nun löschen immer mehr Internetbrowser automatisch die gesetzten Cookies, was zur Folge hat, dass Nutzer beim wiederholten Besuchen einer Webseite immer wieder gefragt werden, ihre Einstellungen anzupassen. Für Nutzer ist das lästig, Unternehmen misslingt es auf der anderen Seite, Informationen zu sammeln, um ihre Angebote zu entwickeln, weil die Anbieter keine Nutzerprofile mehr erstellen können. „Man braucht Daten, um Produkte zu verbessern“, sagt Oetjen: „Wenn ich nicht weiß, wie jemand mein Angebot nutzt, kann ich auch nicht die Benutzerfreundlichkeit optimieren“.
Facebook und Google sind wie niemand sonst in der Lage, dennoch Daten über Nutzer zu sammeln: Sie bieten ihre Dienste zum schnellen Log-in auf Webseiten an oder erzwingen gar die Nutzung der eigenen Dienste, wenn man bestimmte Apps herunterladen und gebrauchen möchte. So sammeln die US-Konzerne auch ohne Cookies wertvolles Wissen über das Nutzungsverhalten und können daraus wieder neue Dienste und Angebote entwickeln.
Das TTDSG will die Unternehmen, die wie Facebook oder Google persönliche Informationen wie Log-ins verwalten, nun deutlich regulieren. Künftig sollen diese Datentreuhandsysteme in Form von „Personal Information Management Systems“ (Pims) nur eingesetzt werden dürfen, wenn der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit sie als rechtskonform anerkannt.
„Mit spürbaren Strafen drohen“
Wichtig sei, so Oetjen, dass der Gesetzgeber festlegt, dass man künftig zwar nicht mehr an der Nutzung solcher Daten verdienen dürfe, wohl aber ein Entgelt für deren Verwaltung zu nehmen erlaubt bleibe. So empfiehlt es auch die Datenethikkommission der Bundesregierung. Dass sich GMX/Web.de-Manager Oetjen dafür stark macht, liegt auch daran, dass er im Stiftungsrat von Net-ID sitzt – einem Treuhandsystem, das schon nach diesem Grundsatz arbeitet. Net-ID wurde 2018 von der RTL-Mediengruppe, Prosieben-Sat.1 und United Internet gegründet.
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Denjenigen, die sich nicht an die neuen Regeln halten, soll „mit spürbaren Strafen“ gedroht werden, fordert Oetjen. Vom Gesetzgeber möchte er, dass dieser klare Schranken setzt und alle Anbieter zu Neutralitätsversprechen verpflichtet. „Schon jetzt sitzen Facebook und Google auf den Datenströmen der Nutzer“, sagt Oetjen: „Wirtschaft und Politik haben nun die Chance, die Uhren wieder auf Null zu stellen.“