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Kölner Experte über Wirtschaftspolitik„Grüne verwechseln das Ziel mit der Strategie“

Lesezeit 4 Minuten
Barbarossaplatz Luftaufnahme

„Wir leben in disruptiven Zeiten, die ein völliges neues Denken erfordern“, sagt der Wirtschaftshistoriker Klemens Skibicki.

  1. Klemens Skibicki ist promovierter Wirtschaftshistoriker und war Mitglied des Beirates „Junge Digitale Wirtschaft“ des Bundeswirtschaftsministeriums.
  2. Im Interview spricht der Kölner darüber, warum er vom Wahlkampf enttäuscht ist, was er nun von den Grünen in Köln erwartet und wie Wirtschaftspolitik zum Erfolg beitragen kann.
  3. Dabei ärgert er sich auch darüber, wie städtische Initiativen in Köln bislang verpufft sind, weil die falschen Schwerpunkte bei den Gesellschaftern gesetzt wurden.

Herr Skibicki, wie haben Sie den Wahlkampf beim Thema Digitale Transformation in NRW wahrgenommen?Vor sieben Jahren hat Bundeskanzlerin Angela Merkel vom Internet als Neuland gesprochen. Und noch immer fehlen den Parteien ganzheitliche Konzepte, bei denen sich erkennen lässt, dass sie den digitalen Wandel verstanden haben. Es müssen Rahmenbedingungen für das vernetzte Zeitalter, in dem viele Menschen gar nicht mehr zwischen online und offline unterscheiden, geschaffen werden. Das gilt für Wohnen, Bildung und auch Wirtschaft. In den Kommunen braucht es dazu passende städteplanerische Konzepte, die mögliche Lösungen für Herausforderungen des Einzelhandels und des Wohnungsbaus aufzeigen. Das habe ich im Wahlkampf nicht gesehen.

Die Grünen sind in Köln stärkste Kraft, in NRW haben sie zugelegt. Wie bewerten Sie deren Ideen für den Wandel?

Es haben ja vor allem junge Leute die Partei gewählt. Man darf also von ihr erwarten, dass sie die Jungen, für die eine digitale Gegenwart selbstverständlich ist, auch in deren Realität abholt. Es geht dabei nicht nur um ökologische Nachhaltigkeit, sondern auch um wirtschaftliche. Die Grünen verwechseln dabei gerne das Ziel mit der Strategie. Zum Beispiel haben die Grünen-Bundestagsabgeordneten gerade erst angekündigt, den Online-Handel stärker regulieren zu wollen, um das Aussterben der Innenstädte zu verhindern.

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Zur Person

Klemens Skibicki, Jahrgang 1972, ist promovierter Wirtschaftshistoriker. Der ehemalige Professor der Cologne Business School war bis 2018 Mitglied des Beirats Junge digitale Wirtschaft im Bundeswirtschaftsministerium.

Das ist, als würde man Autos verbieten, damit Kutschen wieder eine Chance haben. Etwas am Markt Erfolgreiches zu verhindern, ist Quatsch. In Köln müssen die Grünen als stärkste Kraft stattdessen zeigen, wie man Bedingungen schafft, die die strukturellen Vorteile einer Millionenstadt nutzt, um selber digital stark zu werden.

Wie kann Wirtschaftspolitik zum Erfolg beitragen?

Die Unternehmen sind am Steuer, aber die Politik setzt den Rahmen, in dem sie Erfolg gestalten können. Einfach irgendeine Steuer einzuführen, bringt nichts. Es braucht ein langfristiges, ganzheitliches Konzept, damit man nicht von anderen Faktoren getrieben wird. Genau das passiert aber bislang: In Köln gab es in den Einkaufsstraßen bis vor ein paar Jahren die festen Öffnungszeiten von 9 bis 18.30 Uhr. Der Online-Handel hat dafür gesorgt, dass diese Begrenzungen gefallen sind und man mit der Konkurrenz gehen muss. Nun sorgt Corona dafür, dass Büros verwaist sind. Und immer mehr Menschen merken, dass sie den Handel in der Innenstadt nicht mehr in gewohntem Maß brauchen. Also stehen in bester Lage massenhaft Flächen leer, für die es keinen Plan gibt. Die Politik in Köln muss dafür sorgen, dass Unternehmen keine Getriebenen mehr sind, sondern ihnen Möglichkeiten zur Entfaltung bieten.

Was sollten die Verantwortlichen denn tun?

Sie müssen denjenigen, die gestalten wollen und Ideen haben, die Freiheit geben, das auch zu tun. Ihnen Raum für Visionen geben. Wir leben in disruptiven Zeiten, die ein völliges neues Denken erfordern. Mit alter Denke neue Welten zu erfassen, ist unfassbar schwer. Wenn gemeinsame Strukturen geschaffen und Initiativen gestartet werden, darf auch nicht mehr danach geschaut werden, dass auch bloß jede Behörde vertreten ist, damit alle zufrieden sind. Man hat in der Vergangenheit bereits gesehen, dass IHK, Stadt und Uni nicht unbedingt als digitale Vorreiter geeignet sind.

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Immer gibt es Ankündigungen und PR-Maßnahmen, aber die Ergebnisse bleiben zurück. Bei der Stadt sehe ich nicht das Verständnis, die digitale Vernetzung zwischen den Akteuren herzustellen, die es braucht. Wir brauchen Menschen an der Spitze, die bereit sind, von Erfolgsgeschichten wie Airbnb und Amazon zu lernen, statt Verbotskonzepte zu entwickeln. Klar ist schließlich: Vor hundert Jahren sahen Städte anders aus als heute, und in hundert Jahren sehen sie auch anders aus.

Ist damit zu rechnen, dass die Politik der schwarz-gelben Landesregierung durch den gestiegenen Konkurrenzdruck nun grüner wird?

Ökologische Nachhaltigkeit ist schon lange kein alleiniges Grünen-Thema mehr. Aber klar findet Bewegung statt, niemand zweifelt mehr an der Notwendigkeit ökologischer Lösungen. Nur um die Mittel und Wege wird gestritten.