- Die NRW-Flughäfen stecken in einer tiefen Krise. Aus einem Papier für die nächste Aufsichtsratssitzung geht hervor, dass der Flughafen Köln/Bonn die Hilfe seiner Eigentümer in Anspruch nehmen möchte. Es geht um 75 Millionen Euro.
- Die bei den NRW-Kommunalwahlen erstarkte Partei wärmt eine alte Idee auf und knüpft die finanzielle Hilfe für den Airport an eine zentrale Bedingung.
- Vertreter der NRW-Wirtschaft sind eigentlich gegen Subventionen für unwirtschaftliche Staatsbetriebe. Warum das in diesem Fall anders ist, erläutert einer von ihnen.
Köln – Die nordrhein-westfälischen Flughäfen stecken wegen der Corona-Pandemie in einer tiefen Krise. Aus einem Papier für die nächste Aufsichtsratssitzung geht hervor, dass der Flughafen Köln/Bonn die Hilfe seiner Eigentümer in Anspruch nehmen möchte. Doch wie können Hilfen aussehen, und wer ist dafür, wer dagegen, wie geht es den anderen Airports des Landes? Ein Überblick:
Welche Hilfen will Köln/Bonn beantragen?
Die Eigentümer, allesamt aus dem Lager der Öffentlichen Hand, sollen dem Airport mit großen Summen zur Seite stehen. Wie aus einer Vorlage für den Aufsichtsrat hervorgeht, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt, bittet der Flughafen seine Eigentümer um Mittel in Höhe von 75 Millionen Euro.
In dem Papier heißt es, dass die Gesellschafter zusammen eine Eigenkapitalaufstockung von 75 Millionen Euro beschließen sollen. Darüber muss aber der Aufsichtsrat erst in seiner nächsten Sitzung entscheiden. Die Mittel sollen im ersten Quartal des kommenden Jahres fließen. Eigentümer des Flughafens sind zu je etwa 31 Prozent die Stadt Köln, die Bundesrepublik Deutschland und das Land Nordrhein-Westfalen, darüber hinaus noch die Stadt Bonn mit sechs Prozent sowie der Rhein-Sieg-Kreis und der Rheinisch-Bergische Kreis mit Anteilen unter einem Prozent.
Darüber hinaus soll der Vorlage zufolge ein 100-Millionen-Euro-Kredit aufgenommen werden. Wörtlich ist von einem „NRW-Infrastruktur-Corona-Darlehen“ die Rede. Dieses soll von privaten Banken „administriert“ und durch eine 80-prozentige Landesbürgschaft abgesichert sein. Anders als die Eigenmittelhilfen sollen diese Kredite noch im laufenden Geschäftsjahr fließen.
Welche Szenarien gibt es für den Flughafen Köln/Bonn?
Der Flughafen plant mit zwei möglichen Szenarien. Das eine wird „Base Case“ genannt und geht davon aus, dass im Jahr 2026 wieder die Zahl von 11,5 Millionen Passagieren erreicht wird. Das wären etwa sieben Prozent weniger als im Vorkrisenjahr 2019. In diesem Szenario würde der Airport im Jahr 2023 wieder schwarze Zahlen schreiben. Das andere Szenario wird „Worst Case“ genannt und geht davon aus, dass die Passagierzahlen dauerhaft niedrig bleiben. Laut der Vorlage sind aber Darlehen und Eigenkapitalerhöhung für beide Szenarien erforderlich. Das Worst-Case-Szenario sieht aber laut dem Papier einen Arbeitsplatzabbau und explizit „betriebsbedingte Kündigungen“ vor.
Wie ist die wirtschaftliche Lage des Flughafens?
Im ersten Halbjahr 2020 hat der Flughafen 54 Millionen Euro oder 34 Prozent weniger Umsatz gemacht als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Die Zahl der Passagiere sank zwischenzeitlich um 95 Prozent. Dass der Einbruch nicht noch stärker ausfällt, liegt an dem sehr stabilen Frachtgeschäft, Köln/Bonn ist einer der bedeutendsten Frachtflughäfen Deutschlands. Im August lag das Frachtgeschäft sogar gegenüber 2019 um 14 Prozent im Plus.
Wie hoch ist das Eigenkapital?
Das Eigenkapital beträgt laut Geschäftsbericht knapp 260 Millionen Euro. Im vergangenen Jahr ist es um rund 19 Millionen geschrumpft, weil der Flughafen unter anderem nach dem Abzug der Eurowings-Langstrecke Verluste machte. Ende des Jahres lag die Eigenkapitalquote bei rund 33 Prozent. Das klingt erstmal auskömmlich. Zum Vergleich: In Düsseldorf lag sie Ende 2019 nur bei 13,4 Prozent. Allerdings schüttet Düsseldorf auch seine Gewinne an die Gesellschafter aus.
Warum greift der Kölner Flughafen dann nicht zuerst auf das Eigenkapital zurück?
Der Grund sind Forderungen der Banken. Nur mit einer starken Eigenkapitalquote bekommt der Airport ein Top-Rating für seine Bonität und damit auch sehr gute Konditionen bei der Vergabe von Krediten.
Wie sehen die Eigentümer das Hilfeersuchen?
Dem Vernehmen nach gilt die Zustimmung des Landes als sicher. Auch der Bund will die Hilfen gewähren, allerdings gibt es hier offenbar noch ein paar Schwierigkeiten, wie das Geld buchhalterisch fließen soll. Auch aus den Städten Köln und Bonn sowie den Kreisen besteht grundsätzlich Einigkeit, die Hilfen zu gewähren. Aus dem Kreis der Anteilseigner heißt es allerdings, dass die Grünen, gestärkt durch ihr gutes Wahlergebnis ein Unsicherheitsfaktor sind.
Was sagen die Grünen im Land?
Die Grünen erneuern eine alte Idee. „Wir sind für die finanzielle Unterstützung des Köln/Bonner Flughafens. Der ist eine wichtige Infrastruktureinrichtung neben dem Airport Düsseldorf für unsere Region“, sagt Grünen-Fraktionsvorsitzender Arndt Klocke. „Allerdings fordern wir, die Hilfen an ein Passagier-Nachtflugverbot zu knüpfen“, so Klocke.
Ähnlich klingt es bei den Kölner Grünen. „Natürlich kann man überlegen, die Hilfen an Bedingungen zu knüpfen“, sagte die Fraktionsvorsitzende Brigitta von Bülow. Schließlich entspreche ein weitgehendes Verbot des Nachtflugs der grundsätzlichen Haltung. Allerdings sei es derzeit noch zu früh: „Man muss das Ganze genau prüfen, auch perspektivisch. Bislang liegen uns noch keine Zahlen vor.“
Wie bewerten die Fluglärmgegner die Lage?
Führende Vertreter der Lärmschutzgemeinschaft Köln/Bonn sind erwartungsgemäß gegen staatliche Hilfen für den Airport. „Man soll nichts mit Steuergeldern finanzieren, was allein nicht wirtschaftlich lebensfähig ist“, sagt Wolfgang Hoffmann von der Lärmschutzgemeinschaft. Auch ohne Corona habe der Flughafen wirtschaftlich an der Kante gearbeitet.
„Die öffentlichen Eigentümer des Flughafens hätten schon vorher darauf achten müssen, dass die Gebühren, die die Airlines für Starts und Landungen bezahlen, dessen Betrieb auch decken können“, sagt Hoffmann. Stattdessen habe der Airport Fluggesellschaften mit Zuschüssen dafür belohnt, dass sie Köln/Bonn überhaupt anflögen. So habe man die klimaschädlichen Billigflüge überhaupt erst möglich gemacht.
offmann stellt die Sinnhaftigkeit des Kölner Flughafens in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Großairports Frankfurt und Düsseldorf in Frage. Die Pläne, bis 2026 wieder elf Millionen Passagiere in Köln/Bonn abzufertigen hält er generell für abwegig.
Wie steht die NRW-Wirtschaft zu den Zuschüssen?
„Wir sind grundsätzlich auch gegen Subventionen für unwirtschaftliche Staatsbetriebe, doch im Fall des Flughafens ist die Lage ganz anders“, sagt David Zülow, Vorsitzender des Verbands der Familienunternehmer in NRW. „Der Flughafen Köln/Bonn ist besonders mit seinem Frachtgeschäft für unsere Wirtschaft das Tor zur Welt“, sagt Zülow.
Mit dem Airport verhalte es sich wie mit einer Rheinbrücke oder einer Autobahn. Dieser sollte nicht zwingend an seiner direkten, sondern seiner indirekten Rolle für die Arbeitsplätze in der Region betrachtet werden. Desweiteren seien die 75 Millionen Euro ja kein verpuffender Einmal-Zuschuss, sondern eine Stärkung des Eigenkapitals mit langfristiger Funktion.
Wie geht es am Flughafen in Düsseldorf weiter?
Auch der Flughafen Düsseldorf leidet unter dem Wegbrechen der Passagierzahlen. Für den größten Airport des Landes gibt es jetzt eine gute Nachricht. Nach dem angekündigten Rückzug von Ryanair vom Flughafen Düsseldorf will die Lufthansa-Tochter Eurowings das dortige Programm der irischen Billigairline fast vollständig übernehmen. Ab dem 24. Oktober werde Eurowings rund 95 Prozent des bisherigen Ryanair-Angebots ersetzen, teilte das Unternehmen am Dienstag mit.
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Geplant seien mehr als 80 Direktflüge. Für bestimmte Ziele sollten die Frequenzen sogar aufgestockt werden, erklärte Eurowings. Konkret werde das Flugangebot ab Düsseldorf nach Mallorca, Ibiza, Fuerteventura, Gran Canaria, Teneriffa, Malaga, Alicante und Faro kurzfristig aufgestockt. Auch die griechischen Ziele Heraklion, Rhodos, Korfu und Kos würden verstärkt angeflogen. Ryanair hatte im Juli seinen Rückzug von den Flughäfen Hahn im Hunsrück und Weeze bei Düsseldorf angekündigt.