Griechenland und das Inland beliebtWie die Deutschen im Corona-Jahr verreisen
- Die Reisebranche hat durch die Corona-Pandemie Milliarden verloren. Es drohen etliche Insolvenzen.
- Aktuell buchen wieder mehr Menschen Urlaub – allerdings hat sich ihr Reiseverhalten verändert.
- Ein Überblick über die aktuelle Lage in der Branche und Tipps von Verbraucherschützern.
Köln/Brüssel – Die Deutschen verreisen aktuell nach wie vor weniger als vor Beginn der Pandemie. Wie die Reiseveranstalter Alltours und DER Touristik bestätigen, liegen die Buchungszahlen aktuell weiter deutlich unter denen des Vorjahres.
Zwischen den verschiedenen Zielgebieten zeigen sich allerdings deutliche Unterschiede. Besonders gefragt sind Reisen nach Griechenland, das bislang vergleichsweise gut durch die Pandemie kommt und von Reisewarnungen für Länder wie Ägypten und Teile der Türkei profitiert. Auch Inlandsreisen sowie Urlaube in umliegenden Staaten wie Österreich, Polen oder der Schweiz sind gefragt. Bei Alltours ist die Nachfrage nach Individualreisen in diese Länder zurzeit doppelt so hoch wie im vergangenen Jahr. Auch DER Touristik – Tochter der Kölner Rewe Group – verzeichnet für diese Staaten besonders viele Buchungen. Auffällig ist auch, dass viele Kunden ihren Urlaub derzeit sehr spontan angehen. „Sobald ein Land positiv bewertet wird, ziehen die Buchungen an“, sagte eine DER-Sprecherin am Mittwoch. Außerdem buchten viele Kunden Reisen auf das kommende Jahr um.
Reisebranche in Not
Unter dem Strich bedeutet die Corona-Krise für die Reisewirtschaft dennoch extreme finanzielle Einbußen. Bis Ende August entgingen ihr laut Branchenverband DRV fast 20 Milliarden Euro. In einer Umfrage unter DRV-Mitgliedsunternehmen gaben mehr als 60 Prozent der Reisebüros an, unmittelbar von der Insolvenz bedroht zu sein. Knapp die Hälfte habe bereits Mitarbeiter entlassen müssen, ähnlich sehe es bei Reiseveranstaltern aus. Insgesamt haben die Unternehmen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum nur ein Drittel des sonst üblichen Umsatzes gemacht. Die verlängerte Reisewarnung für mehr als 160 Länder außerhalb der EU könnte außerdem das Wintergeschäft hart treffen: Hier lebt die Reisewirtschaft vor allem von Fernreisen und Zielen wie Tunesien und Ägypten. Der DRV kritisierte die verlängerte Reisewarnung als „falsches Signal“ und forderte erneut differenzierte Reisehinweise für einzelne Staaten.
Der Umgang mit Reisewarnungen unterscheidet sich dabei von Anbieter zu Anbieter. Während DER Touristik keinerlei Pauschalreisen in betroffene Länder durchführt, organisiert Alltours weiter Reisen nach Mallorca. „Wir lassen den Touristen die Wahl“, sagt Sprecher Thomas Daubenbüchel. Alle übrigen Reisen nach Spanien, aktuell noch mit Ausnahme der Kanaren, die erst am Mittwochabend zum Risikogebiet erklärt wurden, seien mit der Reisewarnung des Auswärtigen Amts aber abgesagt worden. Wird ein Staat zum Risikogebiet, haben sich Anbieter von Pauschalreisen verpflichtet, ihre Kunden auf Wunsch vorzeitig nach Hause zu bringen.
Tipps der Verbraucherzentrale
Die Verbraucherzentrale NRW betont, dass eine Reisewarnung nicht bedeute, dass man nicht reisen könne. Auf ihrer Internetseite stellt sie Verbrauchern gebündelt Informationen rund um das Thema Reisen und Corona zusammen. Sie weist zum Beispiel darauf hin, dass Reisende im Falle einer Reisewarnung im EU-Ausland möglicherweise nicht krankenversichert sind – auch wenn sie eine Auslandskrankenversicherung abgeschlossen haben. Manche Versicherer würden die Leistung ausschließen, wenn eine Reisewarnung vorliege. Behandlungskosten im Ausland könnten sich schnell auf „sechsstellige Beträge belaufen, die Sie dann im Zweifel selbst tragen müssten“.
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In anderen EU-Ländern trage die gesetzliche Krankenversicherung „weitgehend“ die Kosten der Behandlung im Ausland, sofern mit dem bereisten Staat ein entsprechendes Sozialversicherungsabkommen bestehe. Das könne vor der Reise bei der Krankenkasse erfragt werden.
Die Verbraucherschützer weisen außerdem darauf hin, dass es immer vom Einzelfall abhänge, ob eine Reise bei Einschränkungen am Urlaubsort storniert werden könne. Damit das der Fall ist, müssen „außergewöhnliche, unvermeidbare Umstände“ vorliegen oder die Reise „erheblich beeinträchtigt“ sei. Leichte Einschränkungen und Unannehmlichkeiten seien dabei hinzunehmen. Bei stärkeren Einschränkungen könne der Reisepreis gemindert werden.
EU-Regelung geplant
Auf EU-Ebene könnte es derweil bald Änderungen im Umgang mit Corona-bedingten Reisebeschränkungen geben. Aktuell gehen die Mitgliedsstaaten bei der Verhängung der Beschränkungen eigene, ganz unterschiedliche Wege. Im EU-Parlament mehren sich nun aber die Stimmen, die ein einheitlicheres Vorgehen fordern.
„Reisewarnungen und ähnliches basieren nicht auf einheitlichen europäischen Kriterien“, sagte Peter Liese (CDU), Gesundheitspolitischer Sprecher der Konservativen, am Mittwoch. Es sei zwar richtig, dass bei unterschiedlich großem Infektionsrisiko unterschiedlich gehandelt werden müsse, weder in Deutschland noch in der EU sei die Begründung jedoch an wissenschaftlichen Erkenntnissen festgemacht. „Das aber schafft Chaos und verringert die Akzeptanz.“ Zurzeit gelten je nach EU-Staat sehr unterschiedliche Bestimmungen. So gilt die belgische Hauptstadt Brüssel in Deutschland zum Beispiel als Risikogebiet, in Frankreich aber nicht.
Auch der Fraktionschef der Liberalen, Dacian Ciolos, warnte in einem Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel, es dürfe „keine Rückkehr zu dem Chaos wie im März geben“. Die EU-Kommission hatte am Dienstag bereits angekündigt, in diesen Tagen einen konkreten Vorschlag für die bessere Koordinierung von Einreisebeschränkungen – zum Beispiel die Einordnung als Risikostaat und Quarantänebestimmungen – zu erarbeiten. Außerdem kündigte sie an, gegen das von Ungarn verhängte Einreiseverbot für Deutsche und andere EU-Bürger vorzugehen.