- In den letzten Jahren nimmt das Interesse am Erwerb von Immobilien bei Zwangsversteigerungen immer mehr zu.
- Doch ersteigert man die Immobilien unbedingt unter dem Marktwert?
- Was dabei zu beachten ist, lesen Sie hier. Wir haben mit Manfred Beck, Rechtspfleger beim Kölner Amtsgericht, gesprochen.
Köln – Wer ein Haus oder eine Wohnung kaufen will, stöbert unzählige Tage und Stunden durch den Dschungel von Immobilienseiten oder sucht Hilfe bei einem Makler.
In den letzten Jahren habe allerdings auch das Interesse am Erwerb von Immobilien bei Zwangsversteigerungen immer mehr zugenommen, sagt Manfred Beck, Rechtspfleger beim Kölner Amtsgericht. „Auch Objekte, für die es früher problematisch gewesen wäre, Interessenten zu finden, sind derzeit beliebt.“
Rechtspfleger beraten Bieter nicht
Für Beck ist es wichtig, deutlich zu machen, dass er und seine Kollegen als Rechtspfleger arbeiten, nicht als Makler. „Bieter ersteigern meist die Katze im Sack, wir können und dürfen da nicht beraten.“ Ihre Aufgabe sei es, Gläubiger und Schuldner zufriedenzustellen – nicht die Bieter. „Wir begleiten den Prozess so, dass er möglichst gut ausgeht für beide Parteien, so dass im Idealfall die Schulden dadurch beglichen werden können“, sagt Beck. In letzter Zeit bleibe von der Summe sogar häufig noch etwas für den Schuldner übrig.
Nach der Prüfung eines Antrags zur Zwangsversteigerung erstellt ein Sachverständiger ein Wertgutachten. Das wird vom Amtsgericht und von den jeweiligen Parteien geprüft. Anschließend beschließt das Gericht den Verkehrswert der Immobilie. Interessenten finden im Internet alle Versteigerungstermine, oft sind Exposé und Gutachten hinterlegt. „Interessenten können sich im Vorfeld über das Gutachten ein Bild machen“, sagt Beck. Das war es aber auch schon. Im Normalfall kann die Immobilie vor der Versteigerung nicht besichtigt werden. Auch eine Gewährleistung ist vom Gesetz nicht gegeben.
Sicherheitsleistungen, um Spaßgebote zu verhindern
Biet-Interessenten müssen sich für eine Versteigerung nicht anmelden. „Um Spaßgebote zu verhindern, können allerdings Sicherheitsleistungen verlangt werden“, sagt Beck. In dem Fall müssen zehn Prozent des Verkehrswerts im Vorfeld als Sicherheit erbracht werden: Das kann als Überweisung auf das Zentrale Justizkonto erfolgen oder als auf eine Bank bezogener Scheck zur Versteigerung mitgebracht werden.
Die Überweisung im Vorfeld bringt für die Rechtspfleger wie Beck noch einen Vorteil mit sich: Der Raum der Versteigerung muss groß genug sein, damit alle Interessenten einen Platz finden. „Die Öffentlichkeit der Versteigerung muss gewahrt werden. An den Überweisungen sehen wir, wie viel Interesse es an einem Objekt gibt“, sagt Beck.
Immobilie wird oft nicht unter Marktwert ersteigert
Bei dem Versteigerungstermin werden Informationen zu möglichen Belastungen bekanntgegeben. „Doch heute hindern auch vorher bekannte Einschränkungen nicht mehr daran, dass Gebote abgegeben werden“, sagt Beck. In letzter Zeit werde fast alles im ersten Anlauf versteigert – „sehr oft auch über dem angesetzten Verkehrswert.“ Sind die ersteigerten Immobilien denn dann noch Schnäppchen? „Nein, man kann nicht sagen, dass man die Immobilien unbedingt unter dem Marktwert ersteigert“, sagt der Rechtspfleger.
Oft hätten Bieter auch Skrupel oder ein schlechtes Gefühl, zum Beispiel einer Familie ein Haus „wegzunehmen“. „Allerdings denken sie kurze Zeit später »wenn ich es nicht mache, macht es jemand anderes« – so sind die Menschen halt.“ Trotzdem müsse man bedenken, dass oft Schicksale dahinterstecken. „Das Zwangsversteigerungsgesetz ist ein gut gemachtes Gesetz, und es berücksichtigt viel“, sagt Beck.
Dennoch müsse man als Rechtspfleger die Menschlichkeit beachten und Verständnis zeigen – da sei es das Mindeste, den Menschen zuzuhören. Auf der anderen Seite: „Wenn wir diese Versteigerungen nicht machen würden, würde das Rechtssystem zusammenbrechen.“ Keiner würde mehr Geld leihen, wenn es dafür keine Sicherheit gibt.
Zu Zwangsversteigerungen kommt es oft als letztes Mittel einer Bank. Doch sie werden auch von Erbgemeinschaften und bei Scheidungen beantragt. Dabei wird ein nicht teilbares Objekt zu einem teilbaren Objekt umgewandelt – zu Geld.