Die Kölner Messe hat einen höheren Finanzierungsbedarf, als bislang angenommen. Im Interview erzählt Geschäftsführer Gerald Böse, wann wieder Gewinne zu erwarten sind und ob Mitarbeiter um ihren Arbeitsplatz bangen müssen.
Chef der Kölner Messe im Interview„Wir werden 2023 und 2024 noch herausfordernde Jahre haben“
Herr Böse, der Finanzbedarf der Messe ist höher als bislang öffentlich bekannt. Der Rat der Stadt hat nun einer Erhöhung der Kreditlinie von 80 auf 130 Millionen Euro zugestimmt. Wie kam es dazu, wie hat der Rat entschieden und was sind die Gründe für die Erhöhung?
Gerald Böse: Wie hoch der Finanzbedarf wirklich sein wird, ist derzeit nicht zuverlässig absehbar. Als vorsichtige Kaufleute sorgen wir aber vor. Es gilt, Liquiditätsengpässen vorzubeugen, die z.B. aus den Nachwirkungen der Corona-Krise sowie aus den Folgen des Ukraine-Krieges durch Messeverschiebungen oder Ausfälle resultieren. Der mit der Stadt Köln vereinbarte Liquiditätsverbund bietet der Köln-Messe ein Instrument, ihren Finanzierungsbedarf zu marktüblichen Konditionen decken zu können. Wir haben den Rat gebeten, die Laufzeit und das Rahmenvolumen aufzustocken, um finanziell flexibel jederzeit reagieren zu können. Die Entscheidung der Politik versetzt dazu nun in die Lage. Das erleichtert unsere Arbeit sehr, die ja auch dem Standort zugutekommt.
Die Kreditlinie erhöht sich bis 2025 auf zwischenzeitlich bis zu 180 Millionen und sinkt dann wieder ab. Warum diese Schritte?
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Solange es keine neuen Hiobsbotschaften aus dem Weltgeschehen gibt, können wir kommende Jahre recht gut planen. Aus dieser Planung, die auch die unterschiedlichen Messerhythmen aufgreift, leiten sich die künftigen Rahmenbedingungen des Liquiditätsverbund ab. Ein Beispiel: Die imm cologne wurde auf Wunsch der Branche von Januar 2023 in den Juni verschoben und die Süßwarenmesse ISM von Februar auf den April. Das heißt, es fehlen uns im letzten Quartal 2022 die Anzahlungen der Kunden für diese Messen – und das wirkt sich natürlich auf die Liquidität aus. Und in 2025 planen wir wieder mit Gewinnen und der Rückführung der Kreditlinie.
Wie stellt sich die Lage denn aktuell dar?
Wir sehen uns im Aufwärtstrend. Der Kölner Messeherbst hat klar gezeigt, dass wir zu den Live-Veranstaltungen vor Ort zurückkehren. Auch wenn wir noch nicht wieder die Aussteller- und Besucherzahlen der Vor-Corona-Jahre registrieren: Immerhin schon wieder 60 bis 70 Prozent des früheren Niveaus sind erreicht.
Es bleiben viele Unwägbarkeiten: Wir haben bereits 50 Millionen Euro auf der Kostenseite eingespart. Wir haben aber sehr hohe Fixkosten für den Betrieb des Geländes und das Personal, rund 85 Prozent. Das heißt, es bleiben 15 Prozent, an denen wir kurz- und mittelfristig etwas verändern können. Und auch unsere hohe Internationalität erschwert die Prognosen. Mehr als 60 Prozent unserer Aussteller und bis zu 80 Prozent der Besucher kommen nicht aus Deutschland. Reiserestriktionen im Ausland – siehe China – treffen uns besonders hart. Veranstalter, die rein nationale Messen machen, sind dagegen teilweise schon wieder auf dem Vor-Corona-Niveau.
Bis wann müssen die Kredite zurückgeführt werden und wie soll das in der schwierigen Wirtschaftslage gelingen?
Wir führen die Kredite nach Möglichkeit sofort zurück, wenn die Liquiditätsengpässe überwunden sind. Das wird uns mit zunehmend wieder besserem Geschäft, an das wir fest glauben, auch immer besser gelingen. Aber es dauert seine Zeit, zu alten Erfolgen zurückzukehren.
Wann gehen Sie davon aus, dass der Turnaround geschafft ist?
Trotz der noch vielen unsicheren Szenarien gehe ich nach jetzigem Stand davon aus, dass wir im Jahr 2025 wieder das Niveau von 2019 erreicht haben werden. Wir werden 2023 und 2024 noch herausfordernde Jahre haben, in denen die finanzielle Stabilität des Unternehmens im Mittelpunkt stehen wird.
Werden Sie Mitarbeiter entlassen müssen?
Wir haben bis jetzt keine betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen - auch mit Rückendeckung des Aufsichtsrats und der Gesellschafter. Ich bin davon überzeugt, dass das existenziell wichtig war. Der Veranstaltungsbranche haben viele Beschäftigte den Rücken gekehrt. Und wenn man die Leute erst einmal verloren hat, ist es schwer Ersatz zu finden. Deshalb setzten wir auf das bestehende Team, verstärken uns auch, wo es nötig ist, aber wir bauen kein weiteres Personal auf.
Die Messe modernisiert das gesamte Gelände. Wie geht es weiter bei dieser schwierigen Kassenlage?
Wir haben schon beim Start unseres Investitionsprogramms Koelnmesse 3.0 gesagt: Wir bauen nur das, was wir uns aus eigener Kraft leisten können. Und wenn wir durch Corona nicht regelrecht vor die Wand gefahren wären, hätten wir das auch geschafft - und zwar im vorgegebenen Rahmen bis 2030 für knapp 700 Millionen. Bislang haben wir knapp 400 Millionen verbaut. Aber wir haben jetzt natürlich repriorisiert.
Welche Baumaßnahmen stellen Sie zurück?
Die Modernisierung der Halle 3 und einer Ebene der Halle 2. Außerdem wird die Fassadensanierung an der Deutz-Mülheimer-Straße zurückgestellt. Und das Ost-West-Terminal, eine der größten Baumaßnahmen, haben wir zunächst auf Eis gelegt. Das können folgende Generationen wieder aufleben lassen. Aber es gibt Teile, die unumstößlich zu Ende gebracht werden müssen. Das ist zum einen die Sanierung des Congress Centrums Ost, zum anderen natürlich das Confex.
Dafür hat die Messe 120 Millionen von den Anteilseignern Stadt und Land bekommen. Wird es dabei bleiben oder ist eine weitere Kapitalspritze nötig?
Eine solches Kongresszentrum fehlt in Köln bislang und es wird etwa mit großen Mediziner-Kongressen viel Geschäft für die Stadt generieren. Deshalb haben die Anteilseigner auch zugestimmt. Und wir liegen komplett im Zeit- und Kostenrahmen. Weiterer Bedarf ist nicht absehbar. Wir fahren derzeit auf Sicht, deshalb sind alle Prognosen schwierig.
Wann werden alle Bauvorhaben abgeschlossen sein und was wird es am Ende kosten?
Die letzten Arbeiten am Confex werden 2024 im Zeit und Budgetrahmen beendet sein. Dadurch, dass wir eine Vielzahl anderer Maßnahmen verschieben müssen und natürlich die Baukosten gestiegen sind, wird sich das gesamte Programm auch verteuern. Ich rechne mit zusätzlichen 140 Millionen Euro bis 2040. Aber das ist es wert.
Die Kosten für Energie sind in Folge des Ukraine-Krieges explodiert. Wie sehr trifft das die Messe?
Wir rechnen damit, dass im kommenden Jahr rund elf Millionen Euro an zusätzlichen Energiekosten anfallen. Das ist eine Herausforderung. Wir versuchen das über Energiekosten-Pauschalen an die Kunden weiterzugeben. Aber aufgrund bereits geschlossener Verträge werden wir einen Teil dieser Kostenerhöhung sicherlich selbst tragen müssen.
Wie versucht die Messe Energie einzusparen?
Wir drehen an allen Stellschrauben und haben auch bei uns im Verwaltungsgebäude alles Machbare umgesetzt. Die Hallen können wir allerdings auch bei Leerstand nicht völlig unbeheizt lassen, denn das hat Folgen für das technische Equipment. Wir sind froh, dass wir schon vorher mit unserem Blockheizkraftwerk dafür gesorgt haben, dass wir jetzt im Regelbetrieb 30 Prozent weniger verbrauchen als noch davor.
Wie langfristig kauft die Messe Energie ein?
Für das Jahr 2024 haben wir die Preise festgeschrieben. Und sie liegen erstaunlicherweise 40 Prozent unter dem, was jetzt verlangt wird, weil der Energiemarkt offensichtlich davon ausgeht, dass sich die Situation abkühlt. Das ist ja schon mal eine gute Botschaft.
Die Messe Düsseldorf hat in großem Stil Öl eingekauft für eine alte Anlage zusätzlich zum Gas. Ist das in Köln auch möglich?
Nein, das ist bei uns nicht mehr möglich. Es wäre ein enormer Aufwand, auch in Teilen wieder auf Öl umzustellen.
Viele Unternehmen haben neben den Energiepreisen noch mit Lieferschwierigkeiten etc. zu kämpfen und müssen mehr denn je auf die Kosten achten. Wie wahrscheinlich ist es, dass die Beteiligung an Messen wieder so wird wie vor Corona?
Diese Zurückhaltung spüren wir schon jetzt. Wer vorher ein festes Messebudget hatte, überlegt sich nun bei einer Verteuerung von etwa 30 Prozent, ob er das on top bezahlt oder für sein Budget eine kleinere Fläche und einen schlichteren Stand baut. Das bietet uns aber auch Chancen, weil wir immer mehr Ausstellern Komplettlösungen anbieten. Vor allem viele Mittelständler haben derzeit Schwierigkeiten, einen Standbauer zu bekommen. Wir haben sie und können aufgrund unseres Volumens deutlich günstiger einkaufen.
Durch Corona ist der vorher stabile internationale Messekalender komplett durchgerüttelt worden. Wie scharf ist der Wettbewerb unter den Messegesellschaften um Erhalt oder Rückgewinnung von Veranstaltungen?
Es gab vor allem zu Beginn eine Art Darwinismus unter den Messeplätzen. Jeder hat geschaut, wo man noch etwas unterbringen kann. Das größte Problem besteht bei Messen, die zwei oder drei Jahre ausgefallen sind. Insgesamt habe ich aber den Eindruck, dass sich das langsam wieder einpendelt, auch wenn es sicherlich noch die eine oder andere Verwerfung geben wird.
Inwiefern?
Die große Unbekannte ist China. Wir haben dort erlebt, dass Messen zwei Tage vor ihrer Eröffnung abgesagt wurden oder Veranstaltungen morgens eröffneten und nachmittags wieder schließen mussten. Wir haben in China schon zum dritten Mal unsere Foodmesse verschieben müssen, sogar an einen anderen Standort. Die jeweilige Genehmigungslage unterscheidet sich komplett von Region zu Region. Unter diesen Rahmenbedingungen lässt sich schwer planen.
Blicken wir auf Köln. Die Stadt plant, in direkter Nachbarschaft der Messe die Gummersbacher Straße zurückzubauen. Die Lanxess-Arena schlägt Alarm. Wie bewerten Sie den Plan und inwieweit ist die Messe betroffen?
Wir sind davon in Sachen Schwerlastverkehr nicht so direkt betroffen wie die Arena. Aber natürlich unsere Kunden, die uns mit dem Auto erreichen. Die Arena ist die größte Indoor Halle Europas. Sie muss genauso wie das sechstgrößte Messegelände der Welt erreichbar bleiben. Und zwar nicht nur für die Kölner Bevölkerung mit dem Rad, sondern für alle anderen, die von außerhalb kommen.