Ab 18. Dezember reicht Eltern eine telefonische Bestätigung, dass das Kind krank ist, um von der Arbeit freigestellt zu werden.
Kinderkrankentage telefonisch möglichArbeitgeber befürchten Fehldiagnosen – Kinderarzt: „Eltern nehmen sie nicht zum Spaß“
Wenn sie bei der Arbeitsstelle fehlen, weil sie sich um ihr krankes Kind kümmern, müssen Eltern künftig nicht mehr persönlich in der Arztpraxis vorstellig werden, um die Krankheit bestätigt zu bekommen. Ab dem 18. Dezember reicht dafür ein Anruf, die ärztliche Bestätigung für den Arbeitgeber kann telefonisch eingeholt werden. Nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) von Donnerstag sollen die Bescheinigungen für den Bezug von Kinderkrankengeld für maximal fünf Tage ausgestellt werden. Voraussetzung ist, dass der Arzt oder die Ärztin das Kind kennt und die telefonische Ausstellung als vertretbar ansieht.
Am Mittwoch hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die Kassen und Versicherungen angehalten, eine entsprechende Vereinbarung zu treffen. Die Regelung sei „ein weiterer wichtiger Beitrag zur Vermeidung von Infektionen in Wartezimmern von Arztpraxen“, argumentierte der Bundestagsabgeordnete für Köln-Mülheim und Leverkusen in dem Schreiben, das dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt.
Für Ärztinnen und Ärzte dürfte es in den Praxen vor allem eine große Entlastung sein. Die aktuelle Situation beschreibt der Bonner Kinderarzt Axel Gerschlauer im Gespräch mit dieser Zeitung wie folgt: „Die Eltern müssen reinkommen, ihr Kind mitbringen, ich muss das Kind untersuchen, obwohl das medizinisch nicht notwendig ist. Das alles nur, um den Zettel mitnehmen zu können. Das ist absurd.“ Ein Kind mit Fieber gehöre aufs Sofa, stattdessen sitze es in der Arztpraxis und nehme vielleicht den nächsten Infekt mit. „Eltern sind schlau genug, um einzuschätzen: Braucht das Kind einen Arzt oder nur das Sofa“, sagt Gerschlauer. In den meisten Fällen gelte sowieso: „Ein krankes Kind braucht seine Eltern dringender als einen Arzt.“
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„Diese Regelung ist überfällig“, fügt Gerschlauer hinzu, der in NRW Sprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) ist. Seit 7. Dezember können sich Erwachsene in Hausarztpraxen telefonisch krankschreiben lassen. Während der Corona-Pandemie wurde das Modell erstmals temporär getestet, jetzt soll es dauerhaft genutzt werden – und bald auch bei den sogenannten Kinderkrankentagen.
Eltern haben einen gesetzlichen Anspruch, von der Arbeit freigestellt zu werden, um ihre kranken Kinder zu pflegen. Ist dies nicht vertraglich ausgeschlossen, wird ihr Lohn fortgezahlt. Gibt es hingegen eine entsprechende Klausel im Arbeitsvertrag, dürfen Eltern dennoch eine bestimmte Zahl von Tagen fehlen, um sich um kranke Kinder zu kümmern. In diesem Fall bekommen sie von der Krankenkasse 90 Prozent des Netto-Lohns. 2023 hatte jeder Elternteil Anspruch auf 30 Kinderkrankentage – bei mehreren Kindern sogar mehr. Ab 2024 beträgt der Anspruch 15 Tage pro Elternteil, für Alleinerziehende liegt er bei 30 Tagen.
Manches Unternehmen befürchtet bei der telefonischen Krankheitsbestätigung nun, dass Eltern Kinderkrankentage missbrauchen, um nicht arbeiten zu müssen – obwohl das Kind gar nicht erkrankt ist. „Telefonische Krankschreibungen sind aus unserer Sicht grundsätzlich schwierig“, sagt Dirk Wasmuth, Geschäftsführer des Arbeitgeberverbands Köln. „Wir haben in Deutschland die höchsten Krankentage weltweit. Je weniger Hürden für eine Krankschreibung bestehen, umso schneller wird die Möglichkeit in Anspruch genommen.“ Außerdem könne ein Arzt am Telefon gar nicht richtig diagnostizieren, glaubt Wasmuth.
Hubertus Engemann, Mitglied der Hauptgeschäftsführung von Unternehmer NRW, differenziert und zeigt auf Anfrage Verständnis, dass angesichts voller Praxen die Option geschaffen wird, Eltern zur Betreuung von Kindern telefonisch krankzuschreiben. „Allerdings halten wir die telefonische Feststellung einer Erkrankung generell für ungeeignet“, sagt Engemann. „Die Gefahr einer Fehleinschätzung durch den Arzt ist dabei deutlich höher, weil er sich allein auf fremde Angaben verlassen muss.“
Witich Roßmann, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) in Köln, begrüßt die neue Regelung. Sie werde arbeitende Mütter und Väter entlasten. „Der Gang mit einem kranken Kind in eine Arztpraxis ist mehr als ein lästiges Ärgernis, das man allen so ersparen könnte“, sagt Roßmann. Wenn Kinder krank seien, bleibe Arbeit meist ohnehin liegen. „Es ist nicht zu befürchten, dass diese Regelung ausgenutzt würde, die Zahl der Krankentage wird nicht steigen“, sagt der Gewerkschafter. „Für Arztpraxen und Eltern entstünde aber eine echte Entlastung.“
Tatsächlich ist die Zahl der in Anspruch genommenen Kinderkrankentage gegenüber den Vorjahren eher rückläufig, zeigen Daten, die die AOK Rheinland/Hamburg am Donnerstag dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ aufbereitet hat. Von 24.453 Kinderkrankheitstagen, die die Versicherten im November 2021 in Anspruch nahmen, stieg die Zahl um etwa 3600 Tage im November des Folgejahrs, sank aber im November 2023 wieder auf 16.298 Kinderkrankentage. Im November 2019 zählte die AOK 12.115 Kinderkrankentage. Vor der Corona-Pandemie betrug der gesetzliche Anspruch pro Elternteil aber auch nur zehn Tage.
Kinderarzt Axel Gerschlauer versteht die Diskussion um einen Betrug der Arbeitnehmer mit Kinderkrankentagen nicht. „Eltern nehmen die Kinderkrankentage nicht zum Spaß“, sagt der Fachmediziner. „Da gibt es auch keinen Betrug. Wenn Eltern diese kriminelle Energie haben, melden sie sich selbst krank. Das ist einfacher und es gibt mehr Geld.“