Wir haben die Einkaufswagen im Kölner Markt an der Venloer Straße getestet. Was hinter dem Projekt „Catch“ steckt.
Europaweit einzigartigRewe testet Einkaufswagen mit Navi-Funktion in Kölner Supermarkt
Der Weg mit dem Einkaufswagen durch einen großen Supermarkt zum nächsten Punkt auf der Einkaufsliste ist durchaus mit der Fahrt im Auto durch eine Stadt zur Zieladresse vergleichbar. Zumindest in Köln-Bickendorf, dort testet Rewe derzeit neue Einkaufswagen mit Tablets. Wie ein Navi zeigt es den Einkaufenden den Weg durch den Laden an.
Und so funktioniert es: Am Eingang können Kundinnen und Kunden ihren selbstgeschriebenen Einkaufszettel vor die Tablet-Kamera halten, die Liste wird digital erfasst. Wer dann zum Beispiel auf das Wort „Apfelsaft“ tippt, bekommt die Saftauswahl des Marktes angezeigt, samt Produktbild, Marke, Preis und Standort. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich, auch keine App auf dem Handy. Die KI hinter dem System verarbeitet die Daten anonymisiert, aber auf das Verhalten der gesamten Kundschaft eines Marktes reagierend. Sind an einem Standort zum Beispiel Bio-Produkte beliebt, werden sie auf dem Tablet auch häufiger angezeigt.
Kölner Supermarkt ist erster in Europa mit Catch-Einkaufsbegleiter
Der Testlauf funktioniert weitestgehend. Im hellen Licht des Eingangsbereichs, wo die neuen Wagen parken, erfasst die Kamera die Handschrift einwandfrei. In dem großen Supermarkt auf der Venloer Straße 601-603 mit zwei Etagen hilft die digitale Produktsuche. Gleichzeitig ist das Tablet aber auch eine weitere Fläche, um personalisierte Werbung anzuzeigen. Bleibt man länger in einem Gang stehen, öffnen sich Werbespots zu Produkten im Regal daneben: Das Pendant zur Rubrik „Kunden kauften auch...“ auf Webseiten.
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Onlineshops machen zunehmend auch deutschen Supermärkten Druck. Der Umsatz mit Lebensmitteln im Online-Handel machte laut Bundesverband E-Commerce bedingt durch die Pandemie von 2019 bis 2021 einen Sprung von 1,6 auf 3,9 Milliarden Euro. Dann stagnierte er 2022, den jüngsten Zahlen, knapp unter den vier Milliarden Euro. „Wir wollen die guten Ideen aus der Online-Welt in das Offline-Geschäft bringen“, sagt Shlomi Dayan, CEO von Catch. Er ist aus Israel nach Köln gereist, um den Test seines Systems selbst zu sehen. „Wir halten den deutschen Markt für den perfekten Partner für uns, weil nirgendwo sonst die Standards zum Datenschutz so hoch sind“, sagt er. „Wenn das System in Deutschland funktioniert, funktioniert es überall.“
Die Kundinnen und Kunden reagieren noch skeptisch. Der digitale Wagen ist eine Umstellung für Eva Jordan, sagt die Kundin, während sie ihn durch die Gänge schiebt. „Ich bin nicht schneller damit.“ Sie probiere dennoch seit ein paar Einkäufen aus, ihren Einkaufszettel einzuscannen. Das Tablet ersetzt auch die Lupe, die zeitweise an Einkaufswagen als Gadget modern war. Und tippt man auf dem Bildschirm ein Wort seiner Liste an, streicht sich der Artikel durch.
Software soll Funktionen aus Onlineshops in den analogen Einkauf bringen
Kundin Sandra Toktas schaut sich einen Gang weiter das Tablet an. Die Funktion, sich zu einem Produkt leiten zu lassen, lehne sie bisher ab. „Ich kenne mich doch hier aus“, sagt die Kölnerin, sie tätige ihren Wocheneinkauf schon lange im Bickendorfer Markt. Ihr Kritikpunkt: Noch sei die Standortanzeige zu ungenau. Der Punkt auf der digitalen Karte blinkt ein paar Meter neben dem Gang, in dem sie steht.
Das Projekt stehe noch am Anfang der ersten Testphase, betont Alina Arunova, Projektmanagerin für den Bereich Research und Innovation bei Rewe. Der Kölner Rewe-Markt ist der erste in Europa und der einzige außerhalb von Israel, der die Software von Catch anwendet. Das amerikanisch-israelische KI-Unternehmen setzt das Programm bereits in Supermärkten in Tel Aviv ein. Catch würde gerne mehr Features integrieren: Die digitalen Wartemarken für die Frischetheke, die es im Bickendorfer Rewe schon gibt. Oder auch eine Bezahlfunktion.
Einkäuferin Heike Friedrich schiebt einen weiteren Wagen mit dem neuen Display durch den Markt. Sie nutze sonst das „Scan and Go“-Angebot von Rewe, damit muss sie sie nicht mehr an der Kasse anstellen, scannt die Produkte schon während des Einkaufs selbst ein. Die Handscanner gibt es seit fünf Jahren in Märkten, aktuell in 45 Filialen in Köln. „Das Display hat für mich keinen Mehrwert, wie Zeitersparnis“, sagt Friedrich.
Rewe entscheidet im Sommer über künftigen Einsatz der digitalen Marktbegleiter
Marktleiter Daniel Dugandzic sieht einen anderen Vorteil im Wagen mit Display: „Ich nutze bisher eine Einkaufsliste auf meinem Handy zum Einkaufen, mit dem Tablet hat man die Hände frei.“ Es kann auch Mitarbeitende entlasten: Während Dugandzic Catch erklärt, wird er von einem suchenden Kunden – mit Korb, nicht dem digitalen Wagen in der Hand – angesprochen. Der Marktleiter führt den Kunden zum richtigen Regal, das könnte die Suchfunktion des Tablet-Wagens übernehmen.
Die von den Kunden vor allem geforderte Kombination mit dem Bezahlsystem der Scanner hält auch Rewe für denkbar. Schließlich gibt es bereits mehrere „Pick and Go“-Märkte, wie seit 2021 einer am Neumarkt, die ganz ohne Kasse auskommen. Arunova wolle die Auswertung im Sommer nach der Testphase abwarten, die noch bis April dauert. Dann werde entschieden, wie Rewe die Einkaufswagen zukünftig einsetzt.